Kulturzentrum Grand Théâtre in Québec
Gläserne Vorhangfassade zur denkmalgerechten Betonsanierung
Kaum ein anderer Werkstoff hat die Architektur der 1960er- und 1970er-Jahre so geprägt wie Beton. So charmant die graue Patina von gealterten Sichtbetonoberflächen auch anmuten mag, so kann die Dauerhaftigkeit dieser Bauteile gerade bei langfristig einwirkender Witterung oftmals eingeschränkt sein. Bei der Sichtbetonfassade des Grand Théâtre in Québec trat ebendieser Fall ein: Da die Tragfähigkeit der Hülle gefährdet war, wurde sie einer außergewöhnlichen denkmalgerechten Sanierung unterzogen.
Gallerie
Ein Kokon aus Glas
Der ursprüngliche Entwurf des ikonischen, brutalistischen Betonbaus stammt aus der Feder des kanadischen Architekten Victor Prus. Seit der Eröffnung im Jahr 1971 dient das Gebäude mit seinen zwei Sälen als renommierter Aufführungsort von Musik- und Theaterdarbietungen. Während der vergangenen 50 Jahre setzten die kalten kanadischen Winter den Sichtbetonfertigteilplatten der Fassade stark zu, was dazu führte, dass zuletzt die Tragfähigkeit der Außenhülle gefährdet war.
Daher wurde ein Architekturwettbewerb für eine denkmalgerechte Sanierung ausgelobt, den die kanadischen Büros Lemay und Atelier 21 für sich entschieden. Ihre Entwurfsidee ist dabei bestechend einfach: Das gesamte Gebäude wurde ringsum in eine schützende Hülle aus Glas gehüllt, sodass die bauzeitlichen Sichtbetonoberflächen der Fassade weiterhin sicht- und erlebbar bleiben. Der Umbau fand bei laufendem Betrieb statt und wurde 2020 abgeschlossen.
Schützenswerter Beton – innen wie außen
Die schwierigen Voraussetzungen am Bestand mussten in den Entwurf integriert werden. So setzt sich die Bestandsfassade aus vorgefertigten Betonplatten zusammen, die mit Ankern befestigt sind; durch aufkommende Feuchtigkeit im Beton begannen diese sich über die Zeit allmählich zu lösen. Ebendiese mangelhaften Betonplatten sind obendrein mit einem Wandrelief des Wandmalers, Keramikers und Bildhauers Jordi Bonet auf der Innenseite verbunden. So durften die Eingriffe keine Vibrationen im Beton hervorrufen, um keine weiteren Schäden an der fragilen und schützenswerten Struktur entstehen zu lassen.
Daher musste ein spezieller Lösungsansatz gefunden werden, der den Verfall der Struktur aufhält, ohne den Bestand anzugreifen oder zu verändern: Durch das Einkleiden des Baus in eine umlaufende Glashülle werden einerseits die Betonoberflächen vor weiteren Witterungseinflüssen geschützt, während zugleich ein temperierter Fassadenzwischenraum mit integriertem Wärmespeicher- und Wärmerückgewinnungssytem geschaffen wird. Dadurch herrschen hier neue Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen, die den Verfallsprozess im Beton aufhalten bzw. verlangsamen und ebenso für eine Stabilisierung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Gebäudeinneren sorgen.
Immateriell bis brutalistisch
Für die Umsetzung wurde eine Konstruktionsart mit möglichst wenig Berührungspunkten gewählt: Die Ganzglaskonstruktion ist durch ein filigranes Stahltragwerk sowie Hänger vom Kopfpunkt der Fassade abgehängt und folgt dabei der strukturellen und kompositorischen Logik der bauzeitlichen Betonkonstruktion. Dank regelmäßig angeordneter horizontaler Stützen im neuen Fassadenzwischenraum trotzt die Konstruktion einwirkenden Windlasten.
Dank der optischen Eigenschaften des Glases verändert sich die Erscheinung des Baus je nach Lichteinfall: Die Hülle kann sämtliche Nuancen zwischen opak und transparent, kontrastreich und diffus annehmen. Zeitweise unterstreicht die gläserne Hülle den brutalistischen Charakter der dahinterliegenden Betonfassade, während sie in anderen Momenten fast immateriell wirkt.
Punktförmig gelagerte Verbundsicherheitsgläser
Die maßgeschneiderte Glasfassade umfasst eine Gesamtfläche von 5.900 m². Die Lagerung der einzelnen Glasscheiben erfolgt punktförmig durch Klemmhalter im Bereich der Glasecken, wobei diese objektspezifisch aus Aluminium entworfen wurden. Der Glasaufbau der Verbundsicherheitsgläser besteht je nach Position in der Fassade aus 2 x 10 mm ESG bzw. 10 mm + 12 mm ESG und sind jeweils durch Verbundschicht aus 1,52 mm Ionoplast aneinandergefügt. Dieses ist steifer als herkömmliche PVB-Folie, wodurch neben einer Aktivierung des Schubverbundes im Laminat auch die Resttragfähigkeit im Falle eines Glasbruchs optimiert wird. Die Fassade ist neben den zu erwartenden Windlasten auch auf Temperaturlasten zwischen -30 °C bis + 80 °C ausgelegt. Horizontal- und Vertikalfugen zwischen den Glasscheiben wurden als 31 mm breite Wetterfugen ausgebildet und mit schwarzen Dichtstoff nassversiegelt.
Bautafel
Architektur (Sanierung): Lemay, Montreal; Atelier 21, Québec
Architektur (1971): Victor Prus
Projektbeteiligte: Elema, Montreal (Fachplaner Fassade); WSP, Montreal (Tragwerksplanung und TGA);
Pomerleau, Saint-Georges (Generaluternehmer)
Bauherr/in: Grand Théâtre de Québec, Kanada
Fertigstellung: 2020
Standort: 296, boul. René-Lévesque Est Québec, Québec, G1R 2B3, Kanada
Bildnachweis: Stéphane Groleau, Québec; Lemay, Montreal; Atelier 21, Québec
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