Wallfahrtskirche in San Giovanni Rotondo
Tragende Bögen aus Naturstein
In den kleinen Ort San Giovanni Rotondo bei Foggia in Apulien pilgern jährlich mehrere hunderttausend Menschen, um das Grab des Kapuzinermönchs Padre Pio (1887 – 1968) zu besuchen, der schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt wurde. Die Klosterkirche und ein Ergänzungsbau aus den 50er Jahren konnten die vielen Wallfahrer nicht mehr aufnehmen. Daher wurde Renzo Piano mit dem Bau einer neuen Kirche beauftragt und errichtete ein 6000 m² großes Gebetshaus, den nach dem Petersdom größten Sakralbau Italiens.
Gallerie
Die Kirche steht auf einem Hügel in der Nähe des Kapuzinerklosters. Kein Turm, sondern eine lange und bis zu 25 m hohe Mauer mit 12 großen Glocken entlang des Weges ist weithin sichtbar. Die Pilgerschar wird auf einen leicht geneigten dreieckigen Platz geführt, an dessen Westseite sich das Gebetshaus in Form eines Dreiviertelkreises den Gläubigen öffnet und sie über das fehlende Viertel aufnimmt. Die Kirche soll lebendig und offen sein und die Menschen einladen. Die Pflasterung des Platzes setzt sich in der Kirche fort, der Boden ist hier konkav gewölbt. Verglaste Eingangsseiten schaffen einen fließenden Übergang zwischen Innen- und Außenraum und beziehen die Menschen auf dem Platz (an Festtagen bis zu 30.000) in das Geschehen im Gebäude mit ein. Im Zentrum der Kirche steht der Altar, der von oben belichtet wird.
Mauerwerk
Der gesamte Kirchenraum wird von 21 radial zueinander stehenden
Bögen aus Naturstein überspannt, die einen gewölbeartigen Innenraum
von gewaltiger Dimension entstehen lassen. 7.000 Menschen finden
hier Platz. Die Bögen schaffen das Auflager für eine
Stahlkonstruktion, auf der das schuppenartig gestaffelte Dach
liegt. Durch die filigrane Ausbildung der Stahlstützen scheint das
Dach über dem Raum und den Bögen zu schweben. Oberlichter zwischen
den einzelnen Dachflächen verstärken diesen Eindruck .
Die Spannweiten der Bögen betragen bei 11 m Höhe 38 m und reichen bis zu 50 m bei 16 m Höhe. Damit die enormen Druckkräfte, die von den Bögen aufgenommen werden müssen, übertragen werden können, liegen in den Natursteinen Spannstahlseile, die die Flächen der einzelnen Blöcke exakt zusammenpressen. Die Stahlseile sind in betonierten Fußpunkten der Bögen verankert und geben der Konstruktion die nötige Stabilität. Die auftretenden Zugbelastungen werden von den vorgespannten Stahlseilen aufgenommen und als Druckkraft an den Naturstein weitergegeben. Bei diesem Bau wurden höchste Anforderungen an die ausführenden Natursteinfirmen gestellt, denn die Maßtoleranzen für eine schadensfreie Lastübertragung sind minimal. Eingesetzt wurden feinkörnige Kalksteine in beige-rosa, die in Apulien gewonnen werden.
Die ungewöhnliche Konstruktion ist laut Renzo Piano „der einfache Wunsch herauszufinden, was heute - fast tausend Jahre nach dem Bau der gotischen Kathedralen - mit Steinen möglich ist."
Bautafel
Architekt: Renzo Piano Building Workshop, Genua
Tragwerksplanung: Ove Arup & Partners
Bauherr: Frati Minori Cappuccini, Foggia
Fertigstellung: 2002
Standort: San Giovanni Rotondo, Foggia
Bildnachweis: Renzo Piano Building Workshop
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