Vendsyssel Theater in Hjørring
Punktgehaltene hinterlüftete Fassade aus satiniertem Glas
Nachdem über hundert Jahre lang außerhalb der dänischen Hauptstadt Kopenhagen kein Theater errichtet worden war, stellt der im Jahr 2017 fertiggestellte Neubau des Vendsyssel Theaters in Hjørring ganz im Norden Jütlands gewissermaßen eine kulturelle Revolution dar. Vorangegangen war ein Wettbewerb, der 2013 ausgeschrieben wurde, und den Schmidt Hammer Lassen Architects (SHL) für sich entscheiden konnten.
Gallerie
Als wesentlich für ihren Entwurf bezeichnen die Architekten die Verankerung im städtebaulichen Kontext, Transparenz, Funktionalität, Flexibilität und Materialität. Das Ergebnis ist ein markanter Kulturbau, der aus verschieden hohen Quadern zusammengefügt als Ensemble erscheint. Er lädt zur aktiven Nutzung ebenso ein wie zu Ruhepausen.
„Lebendiger Organismus” mit vier unterschiedlichen Sälen
Das Theater steht am Bahnhofsplatz von Hjørring und beherbergt auf insgesamt 4.200 Quadratmetern vier Säle, deren Kubaturen aus der Ferne ablesbar sind. Sie alle lassen sich zum Foyer hin öffnen. Gläserne Abtrennungen und Fenster stellen Sichtbezüge zwischen Künstler- und Publikumsbereichen her. Außer einer Probebühne wurden drei Bühnentypen realisiert: eine Blackbox im Zentrum, ein Musiksaal sowie ein Amphitheater mit 430 Sitzplätzen. Die Künstlerlounge befindet sich oben hinter den Zuschauerrängen: Auf diese Weise können die Schauspieler zu Beobachtern werden und die Besucher zu Darstellern. Das Theater wird als lebendiger Organismus verstanden, es soll jedem Zugang zu kulturellen Veranstaltungen ermöglichen.
Im Westen und Süden betonen Fensterbänder auf zwei Ebenen die Horizontale. Dahinter befinden sich im Erdgeschoss das Foyer samt Theatercafé und im Obergeschoss die Verwaltungsbüros sowie eine Galerie, die den größten der vier Säle erschließt. Ein weiterer zweigeschossiger Trakt an der Ostseite enthält die Garderoben und eine Kostümschneiderei.
Rostrote Fassade aus Stahl und Glas
Die Aufgliederung
in verschiedene Volumen sorgt dafür, dass der Theaterbau sich vom
städtebaulichen Kontext absetzt, die Nachbargebäude durch seine
Präsenz jedoch nicht unterdrückt. Spannung entsteht durch die
Fassaden als Wechselspiel von Stahl und Glas. Die Fensterbänder vor
den Besucherzonen sind Teil einer Pfosten-Riegel-Konstruktion, die
großen Quader sind an den Seiten jeweils mit hinterlüfteten
Cortenstahl-Elementen oder satinierten Verglasungen aus Verbundsicherheitsglas versehen.
Die Cortenstahl-Fassade korrespondiert bei Tageslicht durch Reflektionen in warmem Rostrot mit der Nachbarbebauung, die hauptsächlich durch braune Ziegel und rote Dachdeckungen geprägt ist. Bei Cortenstahl handelt es sich um einen speziellen, besonders wetterfesten Baustahl. Er bildet auf der Oberfläche durch Bewitterung, unter der eigentlichen Rostschicht, eine dichte Sperrschicht aus festhaftenden Sulfaten oder Phosphaten aus, welche das Stahlteil vor weiterer Korrosion schützt.
Punktgehaltene Verbundsicherheitsverglasung
Die Gebäudeseiten mit einer hinterlüfteten Fassadenkonstruktion aus Verbundsicherheitsglas treten optisch hervor. Die Glasflächen erhalten eine dezente Färbung durch dahinterliegende Aluminiumbleche in Rot-, Orange-, Gelb- und Grüntönen. Die Satinierung der Gläser verhindert den Einblick in die Unterkonstruktion, deren tragende Elemente analog zu den Aluminiumblechen farbig beschichtet sind. Damit korrespondieren die Farben der LED als indirekte Beleuchtung der gläsernen Fassaden in den Abendstunden.
Wie die Cortenstahl-Elemente weisen die Verbundsicherheitsverglasungen Abmessungen von (b x h) 1.200 x 2.400 mm auf. Der Glasaufbau besteht aus 2 x 8 mm thermisch vorgespanntem Glas mit Polyvinylbutyral (PVBl) als Zwischenschicht. Die Lagerung der Verglasungen erfolgt je Scheibe durch sechs dezente Senkpunkthalter, die beide Glasschichten mittels Durchgangsbohrung halten. Satiniert ist die Glasoberfläche zum hinterlüfteten Zwischenraum. Der lichte Abstand zwischen Glasebene und den Aluminiumblechen beträgt etwa 130 mm. Um Sichtbezüge aus den Sälen herzustellen und deren natürliche Belüftung zu ermöglichen, sind in Teilen der hinterlüfteten Glasfassade Lamellenfenster integriert. Die im übrigen massive Bauweise hinter der hinterlüfteten Fassade wurde in diesen Bereichen durch Fensterbänder ersetzt.
Satinierungen auf Glas können mittels Ätz- oder Sandstrahlverfahren erzeugt werden. Je nach Intensität der Anwendung lassen sich unterschiedliche Grade von Transluzenz herstellen. Diese Art von Bearbeitung der Oberflächen sollte durch reduzierte Oberflächenfestigkeiten im Rahmen der statischen Dimensionierung berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für Glasplatten mit Punktlagerung, bei welchen Spannungskonzentrationen bzw. -singularitäten im Bereich der Punkthalter zu erwarten sind.
Bautafel
Architektur: Schmidt Hammer Lassen Architects, Kopenhagen
Projektbeteiligte: CO & LT, Esbjerg (hinterlüftete Fassadenkonstruktion); LIW Planning, Ebeltoft (Landschaftsarchitekur); Brix & Kamp, Hjørring und Alectia, Virum (Fachplanung TGA und Tragwerksplanung)
Bauherrschaft: Gemeinde Hjørring und Realdania
Standort: Banegårdspladsen 4, 9800 Hjørring
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Schmidt Hammer Lassen Architects, Kopenhagen
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