Bibliothek Maisonneuve in Montréal
Structural Glazing Fassaden mit raumhohen Wärmeschutzverglasungen
Montreal ist die zweitgrößte Stadt Kanadas nach Toronto und die
größte der frankofonen Provinz Quebec. Anderthalb Jahrhunderte lang
lag hier das wirtschaftliche Zentrum des Landes – wovon rund
fünfzig bedeutende historische Stätten, ein reiches
architektonisches Erbe und die lebhafte Kulturszene der Stadt
zeugen. Heute unterliegt die Metropole einem starken
städtebaulichen Wandel: Es entstehen zahlreiche öffentliche
Einrichtungen wie Theater, Sportstätten und Bibliotheken,
Bestehendes wird instandgehalten und umgebaut. Ein aktuelles
Beispiel für diesen Transformationsprozess ist die Bibliothek
Maisonneuve, die seit 1981 in einem ursprünglich als Rathaus
genutzten prestigeträchtigen Bestandsgebäude untergebracht ist. Für
die notwendige Modernisierung und Erweiterung des Kulturbaus lobte
die Stadt Montréal 2017 einen multidisziplinären Wettbewerb aus,
den das lokale Architekturbüro EVOQ für sich entschied. 2023 wurde
das Bauvorhaben abgeschlossen.
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Gläserne Ergänzung am historischen Kulturerbe
Die Entwurfsbeteiligten verfolgten mit ihren Plänen einerseits
das Ziel, den bauzeitlichen Charakter des historischen Gebäudes zu
erhalten, und ihn zugleich mit einem zeitgemäßen, gläsernen Anbau
zu ergänzen. Zunächst widmeten sie sich dem Bestand: Die
Steinfassaden und die monumentalen Türen wurden sorgfältig
restauriert, ebenso wie die ursprünglichen Stuckleisten,
Holzvertäfelungen und Mosaikböden. Auch die imposante Marmortreppe
und die beiden Buntglasfenster wurden sorgfältig instandgesetzt.
Im Norden und Süden wurde das Bestandsgebäude durch vollständig verglaste Gebäudeflügel ergänzt und so die nutzbare Geschossfläche von 1.240 m² auf 3.600 m² erweitert. Vor dem neuen nördlichen Ostflügel findet sich nach dem Umbau ein runder, vertikaler Erschließungskern, der als Haupteingang der Bibliothek dient. Die steinerne Außentreppe wird im alltäglichen Gebrauch nicht mehr in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt; heute dient sie vornehmlich als Sitzgelegenheit für Gäste und Passant*innen.
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Viel Aufmerksamkeit widmeten die Planer*innen dem Übergang von historischer zu neuer Baustruktur: Zwischen Bestand und der nutzbaren Fläche der Anbauten liegen jeweils gebäudehohe Freiräume, die nach außen hin glatt verglast sind. Dadurch werden die verschiedenen Zeitschichten optisch voneinander abgesetzt. Die Ausrichtung der neuen Vorhangfassade und der Rhythmus ihres Brise-Soleil orientiert sich dabei an der neoklassizistischen Kolonnade des historischen Gebäudes. Im Inneren markieren große Stahltüren den Übergang von den lichtdurchfluteten zeitgenössischen Flügeln zum gedämpften Ambiente der ursprünglichen Gebäudestruktur.
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Nutzerzentrierte Organisation
Mit Erweiterung der Nutzfläche konnte auch die innere Organisation verändert werden. Heute stehen nicht die Bücher, sondern die Nutzer*innen im Fokus der Erschließung. Der Empfangsbereich im runden Turm, der unmittelbar von der Straße aus zugänglich ist, dient als Orientierungshilfe für die unterschiedlichen Zielgruppen. Kleinere Kinder werden von hier aus nach unten zu einer Reihe von spielerischen Räumen geführt, während Jugendliche nach oben in die zweite Ebene geleitet werden; hier finden sich eine Vielzahl von kreativen Einrichtungen wie ein Medialab, ein Animationsstudio und ein kleiner Videospielraum. Die beiden oberen Etagen des ehemaligen Rathauses - sowie die oberste Etage des Westflügels dienen als Rückzugsorte des ruhigen Lesens und Lernens.
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Ungestörte Fassadenansicht durch Structural Glazing
Die Fassade der beiden Anbauten in massiver Bauweise wurden mit einer Aluminium-Vorhangfassade in Pfosten-Riegel-Bauweise und einem Fassadenraster von einem Meter ausgebildet. Hinter den raumhohen Verglasungen sind die Profilquerschnitte der Fassade aufgrund der hellen Farbgebung äußerst unauffällig, sodass die Gebäudehülle in beiden Blickrichtungen eine hohe Transparenz aufweist und eine effektive Tageslichtnutzung im Inneren ermöglicht. Technisch sind die Wärmeschutzverglasungen als 2-fach Isolierverglasungen ausgebildet, wobei die innere und äußere Glasscheibe als monolithische Einscheibensicherheitsverglasung aus Weißglas und einer Nenndicke von jeweils 8 mm ausgebildet ist; der Scheibenzwischenraum beträgt 12 mm. Die innere Glasscheibe ist mit einer Low-E-Beschichtung versehen.
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Um die Fassadenkonstruktion in der Außenansicht so unauffällig
wie möglich zu gestalten, erfolgt die Lagerung auf dem Profilsystem
mithilfe einer Structural Glazing-Verklebung ausgeführt. Dazu
wurden die Isolierverglasungen gegenüber Sogbeanspruchungen, z. B.
infolge Wind, statisch wirksam und allseitig linienförmig mittels
SG-Silikon auf dem Profilsystem verklebt. Bedingt durch die
notwendige UV-Beständigkeit und die statisch wirksame SG-Verklebung
ist auch der Randverbund mittels statisch wirksamen
Sekundärdichtstoff aus Silikon ausgebildet. Der Falzraum zwischen den
Verglasungen ist über eine Wetterversiegelung abgedichtet.
Die außenseitig starren, vertikalen Aluminiumlamellen dienen dem
Sonnenschutz. Dazu wurden die Querschnitte der dahinterliegenden
Pfostenprofile mit stählernen Einschieblingen statisch verstärkt.
Horizontale Nutzlasten (Holmlasten) werden innenseitig über an den
Pfosten befestigte Handläufe abgetragen.
Bautafel
Architektur: EVOQ Architecture, Montreal
Projektbeteiligte: civiliti, Montreal (Landschaftsarchitektur); Ulys collectif, Racine (Fachplanung Fassade); NCK, Montreal (Tragwerksplanung); UL CLEB, Québec (Qualitätskontrolle Fassade); LightFactor, Montreal (Lichtplanung); Octave Acoustics, Sydney (Fachplanung Akustik)
Bauherr/in: Ville de Montréal
Fertigstellung: 2023
Standort: 4120, rue Ontario Est, Montreal (Québec) H1V 1J9
Bildnachweis: Adrien Williams, EVOQ Architecture
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