Kongresszentrum in Rom
Wolke hinter Doppelglas
Superlative kennzeichnen den Bau des Centro Congressi in Rom: Es ist das größte Architekturprojekt der Stadt, das in den letzten fünfzig Jahren realisiert wurde, der verbaute Stahl entspricht mit 37.000 Tonnen dem Gewicht von viereinhalb Eiffeltürmen, die Glasflächen besitzen eine Größe von zehn Fußballfeldern. Entworfen wurde es von Studio Fuksas aus Rom. Im Jahr 1998 hatten die Architekten mit der Planung begonnen, zehn Jahre später war Baubeginn, acht Jahre danach die Einweihung des Kongresszentrums. Auf 55.000 Quadratmetern bietet es flexibel gestaltbare Auditorien und Ausstellungshallen, das dazu gehörende Hotel verfügt über 439 Zimmer.
Gallerie
Entstanden ist der Gebäudekomplex auf dem Areal der Esposizione Universale di Roma im Süden der Stadt. Das kurz EUR genannte Viertel war ab 1938 unter Mussolini errichtet worden, nach dessen Willen hier eine Weltausstellung stattfinden sollte. Dann kam der Krieg und mit ihm das vorläufige Ende der Bautätigkeit. Heute ist es ein bedeutender Bürostandort und teures Wohnquartier. In der Form dem orthogonalen Straßenraster und den steinernen Bauten aus der Mussolini-Zeit angepasst, schufen die Architekten einen 175 Meter langen, 70 Meter breiten und 39 Meter hohen Baukörper. Im Gegensatz zu den Nachbarn sind seine Fassaden jedoch komplett verglast. Hinter der westlichen Stirnseite ist deshalb das Herz des Hauses zu sehen: die Nuvola (Wolke). Bei ihr handelt es sich um eine frei geformte, organisch anmutende und schwebend scheinende Stahlstruktur mit Membranbespannung, die eine 450 Quadratmeter große Lobby und ein Auditorium mit 1.800 Sitzplätzen beherbergt. Die Teca (Theke oder Schrein) genannte Glashülle hingegen übernimmt die Funktion einer riesigen Empfangshalle mit Garderoben und Geschäften.
Der Hauptzugang in das Kongresszentrum erfolgt von der Via
Cristoforo Colombo im Westen. Über eine breite Außentreppe gelangen
die Besucher zunächst hinab ins Untergeschoss des Gebäudes. Hier
befindet sich der größte Saal mit Platz für bis zu 6.000 Personen.
Seine Gesamtfläche von 7.800 Quadratmetern ist unterteilbar und
kann auch für Ausstellungen genutzt werden. Über Rolltreppen geht
es hinauf ins Erdgeschoss und dann zu den drei Ebenen der Wolke,
die von einem recht wuchtigen Aufzugsturm getragen wird. Das
Auditorium in ihrem Inneren ist mit rötlichem Kirschbaumholz
vertäfelt, die Sitze sind mit rotem Stoff bespannt. Die gesamte
Inneneinrichtung einschließlich der Leuchten und Bestuhlung wurde
von Studio Fuksas geplant.
Neben dem Kongresszentrum erhebt sich parallel zu dessen südlicher
Längsseite der Lama (Klinge) genannte, 17-stöckige Hotelneubau. Mit
seinen dunkel spiegelverglasten Fassaden, den scharfen Konturen und
der klaren rechteckigen Figur ist diese Bezeichnung durchaus
passend.
Glas
Rund 16.000 Quadratmeter misst die als Doppelfassade ausgebildete Gebäudehülle der Teca. Zur Reduzierung von Verformungen aufgrund der großen Spannweiten sowie zur globalen Aussteifung der Fassaden wurde auf ein aus steifen Rechtecken bestehendes Vierendeelsystem zurückgegriffen, das gleichzeitig die tragende Hauptstruktur bildet. Die äußere Ebene der Doppelfassade besteht entlang der Gebäudelängsseiten vollständig aus Verbundsicherheitsglas. Die einzelnen Scheiben haben Abmessungen von 1.650 x 4.190 mm. Sie werden allseitig linienförmig in Pfosten-Riegel-Profilen gehalten, die zwischen der Primärstruktur des Gebäudes spannen.
Die innere Gebäudehülle ist ebenfalls vollständig verglast. Zur thermischen Trennung wurden hier Zweifach-Isolierverglasungen mit Abmessungen von 1.100 x 2.095 mm verwendet. Im Fassadenzwischenraum sind die Fluchttreppenhäuser angeordnet. Um die notwendige Belüftung sicherzustellen, wurden etwa 30% der äußeren Fassadenfläche an den Gebäudelängsseiten mit streifenförmig ausgesparten Verglasungen ausgeführt. An den Stirnseiten des Gebäudes sind die Glasformate der inneren und äußeren Fassade einheitlich. Ihre Größe beträgt 2.083 x 4.190 mm. Zur Verringerung des für Floatglas typischen Grünstichs wurde für die Verglasungen Weißglas verwendet, das einen reduzierten Eisenoxidanteil aufweist.
Die Bespannung der Wolke besteht aus einem leichten, dennoch
hochfesten und lichtdurchlässigen Glasfasergewebe, das erst
getrimmt und dann auf das Stahlgerippe gespannt wurde. Befestigt
wurde es mit im Endzustand nicht sichtbaren Profilen. Glasfasern
werden bei der Herstellung als dünne Fäden aus der Glasschmelze
gezogen. Bedingt durch die hierbei verminderte
Oberflächenbeschädigung weisen sie eine sehr hohe Zugfestigkeit
auf.
Bautafel
Architekten: Studio Fuksas, Rom
Projektbeteiligte: Società Italiana per Condotte d’Acqua, Rom (Generalunternehmer); Studio Majowiecki, Casalecchio di Reno und Studio Sarti, Rimini (Tragwerksplanung); XU – Acoustique, Paris (Akustikplanung); Speirs & Major Associates, Edinburgh (Lichtberatung und Planung Membranbespannung); Gruppo Industriale Tosoni - Cordioli, Villafranca di Verona (Fassade)
Bauherr: Eur SpA, Rom
Fertigstellung: 2016
Standort: Ecke Via Cristoforo Colombo und Viale Asia, 00144 Rom
Bildnachweis: Moreno Maggi; Leonardo Finotti; Studio Fuksas
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