Pavillon der Norman Foster Foundation in Madrid
Glasfassade trägt einen Teil der vertikalen Dachlasten ab
In einem denkmalgeschützten Stadtpalast in Madrid residiert seit
Juni 2017 die Norman Foster Foundation. Die weltweit
agierende Stiftung versteht sich als Institution für
interdisziplinäres Denken und Forschen von Architekten, Designern
und Städtebauern. Nach einer grundlegenden Sanierung beherbergt das
1912 von Joaquin Saldana für den Herzog von Plasencia errichtete
Gebäude nun das Archiv und die Bibliothek des britischen
Architekten. Ergänzt wird es durch einen eleganten Pavillon, an
dessen Planung er selbst maßgeblich beteiligt war.
Gallerie
Der Neubau besitzt einen zur Straße hin in die Länge gezogenen trapezförmigen Grundriss und beherbergt einige ausgewählte Stücke aus der Sammlung Fosters, wird aber auch für Veranstaltungen genutzt. Er füllt die Lücke zwischen dem historischen Bestandsgebäude und der Nachbarbebauung. Um ihm eine leichte, schwerelos anmutende Erscheinung zu verleihen, wurde auf Stützen im Innenraum verzichtet. Die Last des filigranen Daches, das an eine Flugzeugtragfläche erinnert, wird über eine verborgene, nach Westen offene Stahlrahmenkonstruktion im rückwärtigen Teil des Gebäudes und über die Ganzglasfassade abgetragen. Die verspiegelte Decke im Innenraum erweitert den Pavillon optisch. Beeindruckend ist die rund drei Tonnen schwere Wendeflügeltür, die sich vollständig zum Innenhof öffnen lässt. Schatten spendet hier eine Installation der Künstlerin Cristina Iglesias. Ihre Arbeit The Inosphere besteht aus ineinandergreifenden, gemusterten Kohlefaserplatten, die mit Stahlseilen über den Hof gespannt sind.
Glas
Da die Ganzglasfassaden besonders transparent erscheinen sollte, war die Verwendung von Stützen oder Fassadenprofilen als statisch tragende Elemente nicht möglich – gleichzeitig musste aber auch die stählerne Dachkonstruktion des Pavillons sicher gestützt werden. Die Planer entschieden sich für eine tragende und im Grundriss L-förmige Glasfassade, bei der die Verglasungen den Lastabtrag der Dachfläche ermöglichen.
Die Vertikalkräfte der Dachkonstruktion werden über eine definierte Klotzung in die Scheibenebene der Verglasungen eingeleitet. Um ein Stabilitätsversagen der Gläser zu vermeiden, kam ein besonders steifer Glasaufbau für die fest eingebauten Isolierverglasungen zum Einsatz, bei denen die äußere und gleichzeitig statisch wirksame Scheibenebene aus einem Verbundsicherheitsglas mit 3 x 12 mm Weißglas besteht; die innere Scheibenebene besteht hingegen nur aus 2 x 10 mm Weißglas. Insgesamt setzt sich die 160 m² große Glasfassade aus neun feststehenden, großformatigen Isolierverglasungen. zusammen. Die Lagerung der Verglasung erfolgt linienförmig in Decken- und Bodenebene in einer massiven Stahlkonstruktion. Ihre Abmessungen betragen (bxh) 7,00 x 3,00 m. Die Stoßfugen zwischen zwei Isolierverglasungen wurden mit einer statisch wirksamen Verklebung ausgeführt. Zur optischen Optimierung wurden in diese Stoßfugen zusätzlich handgefertigte und sehr filigrane Edelstahlprofile mit polierten Oberflächen eingesetzt und diese mit den hochglanzpolierten Gebäudekanten verschweißt.
Die Isolierverglasung der Wendeflügeltür (Abmessung bxh: 5,40 x 2,70 m) ist symmetrisch ausgebildet und besteht innen wie außen aus Verbundsicherheitsglas aus 2 x 10 mm Weißglas. Zur Erzielung einer flächenbündigen Fassadenansicht wurde die im Gegensatz zur Festverglasung fehlende Glasscheibe durch einen Abstandshalter mit einer Breite von 32 mm kompensiert. Lasten aus der Dachkonstruktion werden zunächst in die Festverglasung oberhalb der Wendeflügeltür aufgenommen und dann über den Portalrahmen der Tür abgeleitet. Das Rahmenelement, welches die Verglasung der Wendeflügeltür umgibt, wurde aus sehr filigranen Profilen mit einer Ansichtsbreite von nur 8 mm realisiert. Zur optischen Angleichung wurden diese aus glasperlengestrahltem und spiegelpoliertem Edelstahl ausgebildet. Auch bei der Wendeflügeltür übernimmt die Verglasung eine statische Funktion zum Lastabtrag des Öffnungselementes, sodass Edelstahl und Glas statisch wirksam miteinander verklebt wurden. Alle Isolierverglasungen wurden mit Low-E Beschichtungen versehen, um Anforderungen an den Wärme- und Sonnenschutz zu erreichen.
Bei der Planung und Konstruktion legten die Planer großen Wert
auf handwerkliche Präzision. So wurde zum Beispiel der Rahmen der
Wendeflügeltür in der hausinternen Schlosserei des
Fassadenbauunternehmens in Handarbeit hergestellt und anschließend
auf die schwer zugängliche Baustelle nach Madrid geliefert. Bedingt
durch die bauliche Enge des Eckgrundstücks mussten die
Fassadenelemente mittels Kran vom Lkw über den dreigeschossigen
Stadtpalast gehoben werden, um dann präzise zwischen die nur 1,50 m
breite Lücke zwischen Bestand und Tragkonstruktion des Pavillons
eingefädelt und dort mit minimaler Toleranz montiert zu
werden.
Bautafel
Architekt: Design Studio of the Norman Foster Foundation
Projektbeteiligte: James O'Callaghan - Eckersley O'Callaghan, London (Fassadenberatung); Frener & Reifer, Brixen (Fassadenplanung und Fassadenkonstruktion); Sedak (Verglasung); Carbures Defense, Sevilla (Dachkonstruktion); Juan de la Torre - Euteca Proyectos y Estructuras, Madrid (Tragwerksplanung)
Bauherr: Empty und BAUobras, Madrid
Standort: Calle del Monte Esquinza, 48, 28010 Madrid, Spanien
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Luis Asín, Madrid; Guillermo Rodríguez, Madrid; Design Studio of the Norman Foster Foundation, Madrid; Frener & Reifer, Brixen
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