SAP Labs Munich Campus in Garching
Sortenreine Rückbaubarkeit für SAP und TUM
Das Hochschul- und Forschungszentrum in Garching, nördlich von München, ist seit fast 70 Jahren ein wichtiger Wissensstandort in Deutschland. 1957 wurde hier der erste Forschungsreaktor in Betrieb genommen, das sogenannte Atom-Ei. Seitdem haben sich hier zahlreiche Institute der Technischen Universität München (TUM) sowie viele Forschungspartner*innen, als Technologie-Start-ups und Industrieunternehmen niedergelassen. Der Campus ist als Science City lebendig und wuchs in den vergangenen Jahren stetig. Jüngst haben SCOPE Architekten dort ein Gebäude für SAP Labs Munich errichtet, mit dem eine langfristige Forschungspartnerschaft zwischen dem Softwareunternehmen und der TUM geknüpft werden soll. Bei dem Bau verfolgte SCOPE eine nachhaltige, flexible und möglichst einfache Bauweise.
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Von der Autobahn A9 kommend, bildet der Neubau künftig einen weithin sichtbaren, ersten Blickpunkt auf das Forschungsareal. Der Campus als städtebauliche Struktur soll, so die architektonische Idee, in das Gebäudekonzept überführt werden. Das Gebäude soll dabei wie ein „Campus im Kleinen“ funktionieren und die Werte und Visionen der TUM weitertragen. Formal besteht das Campusgebäude aus drei Teilen, die in der Höhe gestaffelt sind. Durch das Ineinandergreifen der Bauvolumina entstehen Freiräume und die Möglichkeit gestufter Übergänge zwischen Innen und Außen sowie zwischen öffentlich, halböffentlich und privat. Bei der Gestaltung der Fassade haben sich SCOPE von klassischen Vorbildern leiten lassen, indem sie eine Art Kolossalordnung aus silbern eloxierten Stützen, Schwertern und Lisenen entwickelt haben, mit immer feiner werdender Gliederung nach oben hin und einer überhöhten Attika als oberen Abschluss. Diese Gliederung sorgt für eine ausgewogene Ausdifferenzierung der Gebäudeansicht über die verschiedenen Baukörper und Ebenen hinweg.
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Marktplatz der Zusammenarbeit
Nach Betreten durch den Haupteingang eröffnet sich ein gebäudehohes, fünfgeschossiges Atrium, das großzügig von oben mit natürlichem Licht versorgt wird. Der 21 Meter hohe Raum ist jedoch nicht, wie bei vielen Atrien, scharfkantig und symmetrisch, sondern stellt ein komplexes Raumkontinuum aus verschiedenen Körpern, Ebenen und Verbindungen dar. Er dient als Schnittstelle zwischen dem Unternehmen SAP, der TUM und der Öffentlichkeit und ist entsprechend mit Nutzungen wie einer Bar, einem Auditorium und verschiedenen Aufenthaltsmöglichkeiten ausgestattet, die die Kommunikation und Kollaboration fördern sollen. Hier soll eine Lebendigkeit entstehen, die den universitären Charakter der Architektur unterstreicht und gleichzeitig einen Marktplatz mit multifunktionaler Nutzung ausbildet. Visuell setzt sich die Gliederung der Fassade fort, etwa in den Brüstungen oder der Decke aus filigranen Betonfertigteilen.
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Die Büroflächen sind als Team-Spaces gegliedert und bieten rund 580 Mitarbeitenden von SAP sowie 120 Mitarbeitenden und Forschenden der TUM Platz. Spezielle Meetingräume ermöglichen im Sinne hybrider Arbeitsmodelle modernes Arbeiten. Im ersten Obergeschoss befindet sich eine Kantine, die räumlich das Atrium mit der großzügigen Dachterrasse verbindet. Hier, im Freien, lässt sich das gesamte Dach begehen, gleichzeitig gelangt man über eine große Treppenanlage hinunter in den öffentlichen Außenraum. Somit bietet das Gebäude eine Struktur, die verschiedene Wege und Möglichkeiten des Austauschs zulässt, um Forschung, Lehre und Wirtschaft künftig besser miteinander zu verknüpfen.
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Flexible Strukturen und einfache Bauweise
Für SCOPE war Nachhaltigkeit nach dem Prinzip „Reuse – Reduce – Recycle“ ein zentraler Leitgedanke im Entwurf und in der Realisierung. So ermöglichen das bauliche Raster und das Stahlbetonskelett eine gewisse Flexibilität: beispielsweise ist die offene, zweigeschossige Parkgarage, die dieselbe Höhe wie das Erdgeschoss hat, für eine spätere Umnutzung als Bürogebäude geplant. Ihre Zwischendecken wurden als Aufbeton auf einem Stahltrapezblech mit Stahlauflagerung ausgeführt und sind dadurch mit geringem Aufwand rückbaubar, sodass durch die Demontage der Deckenelemente Lichthöfe geschaffen werden können. Außerdem ermöglichen die als Fertigteile ausgeführten Dachelemente eine vergleichsweise unkomplizierte Demontage.
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Bei der Wahl sämtlicher Materialien haben die Entwerfenden auf möglichst einfache, sortenreine Trennbarkeit sowie Wiederverwertbarkeit geachtet. So sind etwa Wandbekleidungen oder Bodenbeläge nach Cradle-to-Cradle zertifiziert oder bestehen nur aus natürlichen Rohstoffen, etwa Linoleum. Die Pfosten-Riegel-Fassade ist mit hochwärmegedämmter Verglasung ausgestattet, eine Dachbegrünung verbessert das Mikroklima, das Regenwasser wird über ein Mulden-Rigolen-System versickert. Wärme kommt über ein Fernwärmenetz aus Geothermie, eine PV-Anlage auf dem Dach liefert umweltfreundlichen Strom. Ein Monitoring- und Automationssystem ermöglicht eine energieeffiziente Steuerung im Betrieb. Eine entsprechende LEED Gold-Zertifizierung ist in Vorbereitung. -tg
Bautafel
Architektur: SCOPE Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: H&P Bauingenieure, Hannover (Projektentwicklung); Gruninger + Schrüfer Ingenieure, Wiesloch (Tragwerk); Müller & Bleher, Filderstadt (Elektro); M+P Ingenieurgesellschaft, Herrenberg (Gebäudeautomation); hofmann_röttgen, Limburgerhof (Landschaftsarchitektur); Ingenieurbüro San José, Heidelberg (Brandschutz); GN Bauphysik Finkenberger + Kollegen Ingenieurgesellschaft, Stuttgart (Bauphysik); Studio Bauer, Lübeck (Medien/Licht)
Bauherr*in: SAP SE, Walldorf
Fertigstellung: 2024
Standort: Friedrich-Ludwig-Bauer-Straße 5, 85748 Garching
Bildnachweis: Zooey Braun, Stuttgart