Domicide
Der Sonderberichterstatter des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR), der US-amerikanische Jurist Balakrishnan Rajagopal forderte im Oktober 2022, die durch gewaltsame Handlungen wie Kriege und militärische Konflikte vorsätzliche und systematische Zerstörung von Wohnungen und Wohnhäusern als internationales Verbrechen anzuerkennen. Mit einer derartigen juristischen Definition als Straftatbestand könnten diese Taten zukünftig verfolgt und die Verursacher angeklagt und möglicherweise sogar bestraft werden.
Vor der UN-Vollversammlung erläuterte der
Sonderberichterstatter: „Grobe Verstöße gegen das Recht auf
angemessenen Wohnraum müssen wie jedes derzeit im Völkerrecht
anerkannte Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersucht und
strafrechtlich verfolgt werden. Solche schwerwiegenden Verletzungen
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte müssen von
nationalen und internationalen Gerichten die gleiche Aufmerksamkeit
erhalten wie andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen,
unabhängig davon, wo sie stattfinden“.*
Diese Art der Menschenrechtsverletzung betrifft „die Auslöschung von Häusern und Stadtvierteln, die über Generationen gewachsen sind und den Kontext für menschliche Existenz, Erinnerung, Identität und Sinn des täglichen Lebens bilden“ (Zitat Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, Juan Pablo Molestina, BDA NRW, Quelle: www.bda-nrw.de/2024/02/domicide-stellungnahme-des-bda-landesverband-nrw).
Für diesen Tatbestand wurde der Begriff Domicide seit etwa 2000 diskutiert und geprägt. Domicide ist ein Kunstwort, das sich aus den beiden lateinischen Vokabeln domus (übersetzt mit Haus oder Heim) und einer grammatikalischen Ableitung von caedere (töten) zusammensetzt. Das Verb caedere wird grammatikalisch zum Gerundium cidium, übersetzbar mit das Töten ausführend oder schlicht tötend, also den tatsächlichen Akt oder das bewusste Handeln des Tötens verdeutlichend.
Domicide ist über das Suffix cide oder
eingedeutscht zid verwandt mit Begriffen wie Genozid
(Völkermord), Suizid (Selbstmord), Femizid
(geschlechtsbezogene Tötung von Frauen), ebenso auch
Pestizid (Töten von pflanzlichen Schädlingen),
Insektizid (Töten von Insekten), Fungizid (Töten von
Pilzen) sowie auch Linguizid (Vernichten einer Sprache). In
Zusammenhang mit Domicide wird auch Topocide
diskutiert, also das vorsätzliche Zerstören von natürlich
gewachsener und regional charakteristischer Landschaft
beispielsweise durch kritische Infrastrukturprojekte oder maßlose
Ausbeutung botanischer Ressourcen beispielsweise bei den
Mosunwäldern. -sj
* Im englischen Original: ”Gross violations of the right to
adequate housing must be investigated and prosecuted like any crime
against humanity currently recognised under international law. Such
severe violations of economic, social and cultural rights need to
receive the attention by national and international tribunals that
other serious human rights violations get, irrespective of where
they take place.”
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