Wohnhaus Haussmann Stories in Paris
Doppelfassade mit gefrästen und perforierten Faltschiebeläden
Wohl kein Zweiter hat Paris so maßgeblich geprägt wie
Georges-Eugène Haussmann. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts drückte der
Präfekt mit seiner weitgreifenden stadtplanerischen
Umstrukturierung den 20 Arrondissements der Metropole seinen
Stempel auf. Quer durch die vormals eng bebauten Quartiere wurden
breite Schneisen geschlagen. An den Boulevards entstand eine
einheitliche großstädtische Bebauung, die noch heute als „das
typische Paris“ wahrgenommen wird. In dem Haussmann'schen
Achsensystem ist die Rue Championnet eine untergeordnete
Querspange, die nördlich des Montmartre das 17. und 18.
Arrondissement in Ost-West-Richtung durchkreuzt. In dieser Straße
haben Chartier-Corbasson Architectes eine unregelmäßig
zugeschnittene Baulücke geschlossen. Auf der straßenseitig nach
Norden orientierten Parzelle erhebt sich das achtgeschossige
Wohnhaus Haussmann Stories mit rund 900 Quadratmetern
Fläche.
Gallerie
Flankiert wird der Neubau von zwei Bestandsbauten mit ihren
charakteristischen massiven, horizontal gegliederten Fassaden.
Deren steinernes Äußeres ist durch ein rustiziertes Sockelgeschoss,
Gesimse und verschnörkelte Balkonbrüstungen geprägt. Während gemäß
Haussmann herkömmlich im Erdgeschoss Ladengeschäfte untergebracht
sind, planten die Architekten für den neuen Baukörper ebenerdig
Garage mit mehreren KFZ-Stellplätzen neben dem
Eingangsbereich.
Um das Grundstück bestmöglich auszunutzen, sind die
Verkehrsflächen minimiert. Die vertikale Erschließung der Wohnungen
erfolgt über einen Fahrstuhl oder über eine rückwärtig angeordnete
Wendeltreppe, die über Glasbausteine mit Tageslicht
vom Innenhof erhellt wird. Die Regelgeschosse haben kompakt
geschnittene Zwei- und Dreizimmerwohnungen mit offenen Küchen und
50 bis 60 Zentimeter tiefen Loggien in den Wohnbereichen. Wie die
umgebende Bebauung hat das Haus sechs Vollgeschosse. Im Vergleich
zu den historischen Nachbarhäusern wurden die Geschosshöhen leicht
reduziert und die Traufkante etwas heruntergezogen. Im Dachbereich
ist eine zweigeschossige Maisonettewohnung untergebracht.
Fassade
Mit zeitgemäßen Mitteln haben die Architekten an die Homogenität
des Hausmann'schen Städtebaus angeknüpft. Eine Doppelfassade mit zwei Ebenen verbindet
spielerisch traditionelle und moderne Architektur. Das Abbild eines
Nachbargebäudes zieht sich als Motiv über die äußere Schicht des
neuen Wohnhauses. Raumhohe, schmale Faltschiebeläden umhüllen die
innere, großteils verglaste Konstruktion. Ausgespart ist lediglich
das Erdgeschoss. Die 2,70 m hohen, 27 cm breiten und 10 mm starken
Elemente bestehen aus perforierten, witterungsbeständigen
Hochdrucklaminatplatten (HPL) und fungieren gleichermaßen als
Sonnenschutz und prägendes
Gestaltungsmittel.
Ein entzerrtes Foto mit Ansicht der westlich angrenzenden Fassade wurde als gefrästes Punktraster auf 450 monochrom-hellgraue HPL-Platten übertragen. Gegenüber dem steinernen Original wurde das Motiv etwas verkleinert, damit es mit den Geschosshöhen des Neubaus korrespondiert. Die Übertragung erfolgte in zwei Schritten: Zuerst setzte man in regelmäßigem Raster kreisrunde Perforierungen. Anschließend wurde im selben Raster mit variierendem Durchmesser (etwa ein bis zwei Zentimeter) die helle Deckschicht weggefräst, sodass an diesen Stellen der dunkle, harzgebundene Faserkern zum Vorschien kommt und aus der Halbdistanz der Eindruck eines gerasterten Fotodrucks entsteht.
Sind alle Faltschiebeläden geschlossen, scheint das Bild wie auf
eine leicht geschwungene Leinwand projiziert, weil die Außenhülle
an vier Stellen senkrecht leicht geknickt ist. Da die Paneele zu 20
Prozent perforiert sind, kann auch im geschlossenen Zustand Licht
in die dahinterliegenden Räume einfallen. Abwechslungsreich
erscheint die Fassade, wenn ein Teil der schmalen, stehenden Läden
geöffnet ist. Dann überlagen sich nach dem Zufallsprinzip die
abgebildeten Scheinfenster und die dahinter verborgenen
tatsächlichen Öffnungen. Diese sind alle bodentief ausgebildet und
innenliegend in die Wandfläche eingebaut (Bautiefe 65 Millimeter).
Dabei sind den Wohnbereichen Loggien mit halbhoher Glasbrüstung
vorgeschaltet.
Bautafel
Architekten: Chartier-Corbasson, Paris
Projektbeteiligte: Luca Muratorio, Michelle Ramirez, Emmanuel Leroy (Projektmitarbeiter Architekten); Facea, Fontenay-sous-Bois (Technische Planung); Alternative, Paris (Akustik); ACR (Generalunternehmer); ROB Louage & Wisselinck, Ardooie (Technische Ausstattung); Trespa / Cif bois, Les Pavillons-sous-bois (Fassade)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2017
Standort: 85 Rue Championnet, 75018 Paris
Bildnachweis: Romain Meffre & Yves Marchand / Chartier-Corbasson, alle Paris
Fachwissen zum Thema
Baunetz Wissen Fassade sponsored by:
MHZ Hachtel GmbH & Co. KG
Kontakt 0711 / 9751-0 | info@mhz.de