Studentenwohnheim der Erasmus-Universität Rotterdam
Sandwichelemente mit gefalteter Aluminiumverkleidung
Rotterdam ist eine ausgesprochen moderne Stadt. Diese architektonisch-städtebauliche Prägung infolge massiver Kriegszerstörungen ist nicht nur im Stadtzentrum mit Hochhausscheiben und Europas erster Fußgängerzone präsent, sondern auch auf dem vier Kilometer östlich gelegenen Campus Woudestein der Erasmus-Universität Rotterdam. Bei der ursprünglich konsequent brutalistischen Anlage sind seit Jahren diverse Veränderungen im Gange. Bauten der 1960er- und 70er-Jahre werden energetisch saniert. Neue gesellen sich hinzu.
Gallerie
Dazu gehört auch das Studentenwohnheim, das Mecanoo Architekten zwischen einer Straßenbahnschleife und einer Hauptverkehrsachse im Süden des Campus erstellt haben. Der 25 Meter hohe, achtgeschossige Bau hat einen trapezförmigen Grundriss und beherbergt 281 Studentenapartments. Diese gruppieren sich um einen schmalen, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Hof mit Pflanzkübeln in Weiß, Rot und Schwarz.
An der Hofseite des Westflügels befindet sich im Erdgeschoss ein Gemeinschaftsraum, ihm gegenüber ein großer Fahrradabstellraum. An den Schmalseiten liegt jeweils ein Treppenaufgang. Der nördliche ist offen konzipiert, ein Treppenlauf wendet sich im Erdgeschoss einladend dem Innenhof zu. Der südliche Treppenraum mit Aufzügen ist abgetrennt durch geschosshohe und einen Meter breite weiße Streckmetalltafeln. Grob- und feinmaschige Gitter sorgen für ein wechselhaftes Erscheinungsbild. Die Elemente finden sich auch hofseitig am Fahrradraum.
Maisonettes mit Privateingang
Das vier Meter hohe Erdgeschoss ist außen überwiegend verglast. Es sind Apartments, die auch über die Glasfassade erschlossen werden. Der Schlafbereich befindet sich auf einer rückwärtigen Galerie über den Nasszellen. Die Maisonettes haben variierende Größen bis zu 36 Quadratmetern. Die Apartments in den oberen Etagen haben eine Standardgröße von 18 Quadratmetern und sind für ein Studentenwohnheim typisch organisiert, mit Nasszelle und kleiner Küchenzeile im Eingangsbereich. Sie reihen sich spiegelbildlich entlang der Flurachsen.
Typologisch haben Mecanoo bei dem Wohnheim Scheibenhochhaus mit Mittelgangerschließung und Blockrand kombiniert. Das hat zur Folge, dass ein Teil der Zimmer zum Hof orientiert ist, und an den unregelmäßigen Ecken Räume mit abweichenden Größen und Zuschnitten entstehen. Die Dachterrasse mit blockhaften Holzbänken, die im Zickzack verlaufen, gewährt Ausblick auf das Zentrum des Woudestein Campus mit dem markanten Neunzehngeschosser des Tinbergen Hochhauses und der achteckigen Aula – beides entworfen von Cornelis (Kees) Elffers.
Fassade: Sandwichelemente mit Aluminiumverkleidung
Vor die Stirnseiten des Fertigbeton-Konstruktionssystems sind Holzrahmen in den Abmessungen der Zimmer geschraubt, in die vorfabrizierte raumhohe Sandwichelemente – sogenannte SIP (Structural Insulated Panels) – einschließlich der Fenster eingehängt wurden. Diese wurden in einem weiteren Schritt mit goldgefärbten Aluminiumpaneelen verkleidet. Die Montagebauweise mit leichten, selbsttragenden Modulen verkürzte die Bauzeit auf weniger als ein Jahr, was aufgrund des enormen Bedarfs an Wohnraum für Studierende auch notwendig war.
Klassische Dreiteilung auf den zweiten Blick
Auch wenn es nicht sofort auffällt, ist die Fassade nicht zwei-, sondern klassisch dreigeteilt in Sockel-, Mittel- und Dachzone. Das hohe verglaste Erdgeschoss bildet den Sockel. In den sieben darüberliegenden Geschossen wechseln stehende raumhohe Fensterformate und geschlossene Flächen ab, die mit den goldenen Aluminiumpaneelen verkleidet sind. Die unterschiedlich breiten Paneele gruppieren sich zu dynamischen Faltungen. Die breitesten Elemente direkt neben den Fenstern sind schräg nach vorne ausgeklappt. Bis zum nächsten Fenster werden die Faltungen in drei Abstufungen dichter. Die schräg gestellten Paneele verbergen schallgedämpfte Lüftungskanäle, die sich in den Zimmern über schmale Klappen öffnen lassen und bei geschlossenem Fenster für Frischluftzufuhr mit reduziertem Verkehrslärm sorgen.
Gebäudekrone
Das oberste Geschoss verstehen die
Architekten als „Gebäudekrone“, obwohl es sich kaum von den
darunterliegenden unterscheidet. Die dynamische Auffaltung der
Paneele wechselt hier die Richtung: Das umlaufende Motiv wird
gespiegelt, Farbe und Struktur aber beibehalten. Ein vertikaler
Rhythmus der Fassade entsteht durch Fenster, deren Achsen auf jedem
zweiten Geschoss übereinanderliegen. Geschlossene Gebäudeecken oder
Fassadenabschnitte vor Aufzugsschächten sind ebenfalls mit
gefaltetem Aluminium verblendet.
Aufgrund des höheren Anteils unregelmäßig geschlossener Flächen könnte man Schiebeelemente vermuten, zumal auch die schräg gestellten Paneele dem Rhythmus folgen. Nicht alle von ihnen verbergen Lüftungskanäle, zum Teil dienen sie allein der Gestaltung. Trotz des Eindrucks, die hellgoldenen Lamellen ließen sich beiseite schieben, ist die Fassade nicht beweglich. Es gibt keinen äußeren Sonnenschutz. Die Apartments sind innen mit Vorhängen ausgestattet: Sind diese geschlossen, führen sie das Fassadenthema der Faltung hinter den Fensterscheiben fort.
Bautafel
Architekten: Mecanoo Architekten, Delft
Projektbeteiligte: IOB, Hellevoetsluis (Bauingenieure) CD20-Bouwsystemen, Arnhem (Fertigbeton-Konstruktionssystem), Technisch Adviesbureau Maat, Rotterdam (Mechanik- und Elektrikberatung), Nieman Raadgevende Ingenieurs, Utrecht (Akustik, Bauphysik, Brandschutz), Juurlink [+] Geluk, Rotterdam (Campus Masterplan)
Bauherr: Cordeel Nederland, Zwijndrecht / Bond Development, Den Haag (Gebäudeeigentümer: Xior Student Housing, Eindhoven)
Fertigstellung: 2018
Standort: Burgemeester Oudlaan 450-1008, 3063 ND Rotterdam, Niederlande
Bildnachweis: Mecanoo Architekten, Delft
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