Umbau eines Dorfladens in Karwe bei Neuruppin
Glasflächen und schräg gestellte Stützenpaare
Konsum – mit Betonung auf der ersten Silbe – war vielen Ostdeutschen lange ein Synonym für kleine Lebensmittelläden. Die Konsumgenossenschaften, die sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet hatten, behielten nämlich in der DDR ihren Namen, wohingegen sie in der Bundesrepublik fast alle die Marke Coop annahmen. Einige Teile der Genossenschaft überstanden die Wende, vielerorts schlossen die Geschäfte jedoch – so auch in Karwe, am Neuruppiner See. Hier, gut 60 Minuten nordwestlich von Berlin, wandelten die Büros Meyer-Grohbruegge und Studio Other Spaces wandelten einen Dorfkonsum in ein Ferienhaus um.
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In einer Kurve der Dorfstraße gelegen hatte der eingeschossige Bau mit Pultdach jahrelang ein trostloses Dasein gefristet, bis ihn Johanna Meyer-Grohbrügge und Sebastian Behmann erwarben. Von einem Bauzaun umgeben, teils ohne Fenster, mit großen Durchbrüchen und fragmentierter Vormauerung war das Häuschen zurückgelassen worden. Hier hatte sich schon vor Längerem jemand an einem Umbau versucht. Derweil klebte noch immer „HÖRZU“ und „guten Einkauf“ an den beiden Schaufenstern.
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Innenwände werden zu Außenwänden
Im Plan sieht es so aus, als hätten die Architekt*innen auf den 13 x 13 Meter umfassenden Bestand ein größeres, um 45 Grad gedrehtes Quadrat gelegt. Dadurch erhielt das Gebäude einen diamantartigen, fünfeckigen Grundriss. An drei Seiten entstanden vorgelagerte, dreieckige Wintergärten, während die Straßenfront sichtbar blieb.
Der 7 x 10 Meter große Verkaufsraum wurde zum Hof. Um den Patio legen sich L-förmig die früheren Nebenräume, in denen jetzt zwei Schlafzimmer, Küche, Bad und Haustechnik untergebracht sind. Die Wintergärten dienen als Arbeits-, Wohn- und Esszimmer. Eine geothermische Heizung und ein Regenwassersammelsystem machen das Feriendomizil komplett.
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Sichtbare Konstruktionen
Beim Entfernen des Dachs hatte das Mauerwerk so stark Schaden genommen, dass es entgegen den ursprünglichen Absichten abgetragen werden musste. Die ursprüngliche Raumstruktur stellte man dann mit Blähtonsteinen wieder her. Auf den Ecken des Kerngebäudes liegen die Leimholzbilder des Flachdachs auf, deren Auskragungen von außenliegenden, A-förmig gegeneinander gestellten Rundstützenpaaren getragen werden. An den Wänden ist der Mauerwerksverband erkennbar, Türrahmen und Deckenbalken wirken roh belassen und der Boden ist mit Betonsteinen gepflastert. Eine alte Europalette hilft, die Schwelle zum Patio zu überwinden.
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Fassade: Glashaut für den Mauerwerksbau
Durch die Lage in einer Kurve und durch die dreieckigen Erweiterungen sieht man immer mindestens zwei Fassaden gleichzeitig. Die ehemalige Ladenfront, ursprünglich mit zwei Schaufenstern und mittig platziertem Eingang, ist jetzt vollständig geschlossen. Das Mauerwerk der unverputzten Blähtonsteine ist hellgrau überstrichen. Etwa an der Stelle des linken Schaufensters befindet sich jetzt ein dreiteiliges, metallisch glänzendes Eingangstor.
Die raumhoch verglasten Wintergartenbereiche haben eine Pfosten-Riegel-Fassade mit Aluminiumprofilen. Weiße Vorhänge dienen als innenliegender Sonnen- und Sichtschutz. Die A-förmigen Stützenpaare vor der Verglasungsebene wirken als Blickfang. Ein flacher, ebenfalls mit Betonplatten verkleideter Sockel und der scheinbar schwebende Leimholzbalken der Dachkonstruktion schließen den Baukörper nach unten und oben hin ab.
Bautafel
Architektur: MEYER-GROHBRUEGGE, Berlin und Studio Other Spaces, Berlin
Projektbeteiligte: Johanna Meyer-Grohbrügge, Nina Gromoll, Thibault Trouve (Team Büro Meyer-Grohbruegge); Sebastian Behmann, Benjamin Albrecht, Laura Freiling (Team Studio Other Spaces); ifb Frohloff Staffa Kühl Ecker, Berlin (Tragwerksplaner); Müller-BBM, Berlin (Bauphysik); L&F Metallbau, Stahnsdorf (Metallbau- und Verglasungsarbeiten); Wille Zimmerei, Neuruppin (Zimmerarbeiten)
Bauherr*in: Johanna Meyer-Grohbrügge und Sebastian Behmann, Berlin
Fertigstellung: 2023
Standort: Lange Straße 51A, 16818 Neuruppin OT Karwe
Bildnachweis: Thomas Meyer, Agentur OSTKREUZ, Berlin (Fotos); MEYER-GROHBRUEGGE, Berlin und Studio Other Spaces, Berlin (Pläne)
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