Forschungsgewächshaus in Frankfurt a.M.
Überkopfverglasung aus UV-durchlässigem Zweifach-Isolierglas
Am Fachbereich Biowissenschaften der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität erforschen die Wissenschaftler unter anderem, wie sich die biologische Pflanzenvielfalt erhalten und nachhaltig nutzen lässt. Optimale Voraussetzungen dafür bietet das von Königs Architekten aus Köln geplante Forschungsgewächshaus am südlichen Rand des Campus Riedberg. Mit seinen drei bogenförmigen Glashallen hat es fast etwas Sakrales und erinnert auf jeden Fall eher an die englischen Tropenhäuser aus dem 19. Jahrhundert, als an die sonst üblichen Zweckbauten.
Gallerie
Einen Geländeversprung in Nord-Südrichtung nutzend, schmiegt sich das Gewächshaus in die Topografie des Grundstücks. Drei in der Höhe gestaffelte Bögen bilden die Geometrie der Stahl-Glas-Konstruktion. Der südliche ist mit einer Scheitelhöhe von 5,00 Metern der niedrigste, der mittlere Bogen ist rund 7,50 Meter hoch, der nördliche 7,00 Meter. Da letzterer auf einem 3,50 Meter hohen Sockelgeschoss steht, ergibt sich eine Gesamthöhe von 10,50 Metern. Im Sockelbau sind Büro- und Sozialräume, Lagerflächen und Technikflächen untergebracht. Die Höhenstaffelung der Glashallen sorgt dafür, dass die Pflanzen eine größtmögliche Lichtausbeute erhalten. Das Tragwerk besteht aus einer dreihüftigen Stahlbogenkonstruktion mit Spannweiten zwischen 9,00 und 11,70 Metern. Aus wirtschaftlichen Gründen achtete man darauf, möglichst wenige Profilsorten und einfache Profilverbindungen zu verwenden.
Die Gesamtfläche des Gewächshauses beträgt gut 1.440 Quadratmeter. Dank aufwendiger technischer Installationen wie beispielsweise getrennte Wasserkreisläufe oder programmierbare Beleuchtungs-, Befeuchtungs- und Verschattungsanlagen, lassen sich für die einzelnen Forschungsabschnitte unterschiedliche klimatische Bedingungen herstellen. Daneben gibt es Abteilungen für die Überwinterung, Präsentation und die Abhärtung von Pflanzen, außerdem Flächen für deren Sammlung.
Glas
Da es sich bei einem Gewächshaus (Nutzungsart: Kulturgewächshaus)
um ein Gebäude mit einem sehr geringen Personenverkehr handelt,
konnte die statische Bemessung nach DIN EN 13031 Gewächshäuser -
Bemessung und Konstruktion mit reduzierten Verkehrslasten
erfolgen. Das erlaubte auch den Einsatz von Einfachgläsern im
Überkopfbereich. Bei Bauten mit einem höheren Personenaufkommen ist
das anders. Hier muss bei einer Überkopfverglasung aus Einfachglas bzw. bei
Verwendung von Isolierglas die untere Scheibe zum Schutz der
darunterliegenden Verkehrsfläche aus Verbundsicherheitsglas (VSG) bestehen. Dies kann
aus Floatglas, teilvorgespanntem Glas (TVG) oder Drahtglas
hergestellt sein. Da jedoch die im Scheibenzwischenraum von VSG verwendeten
PVB-Folien den von den Pflanzen zur Fotosynthese
notwendigen UV-Anteil der Sonnenstrahlung blockieren, kam dieses
Glas im Forschungsgewächshaus nicht infrage.
Stattdessen entschieden sich die Planer für eine zweifach Isolierverglasung aus Einscheibensicherheitsglas (ESG-H) mit Argonfüllung im Scheibenzwischenraum. Als Ausgangsmaterial wurde eisenoxidarmes, hochtransparentes Weißglas verwendet, das eine hohe UV-Durchlässigkeit besitzt. Um die Transmission für die (für Pflanzen) wichtige UV-A und UV-B Strahlung noch weiter zu erhöhen, verzichtete man auch auf die heute standardmäßige Low-E Beschichtung. Daraus resultieren eine Lichttransmission von 84% und ein vergleichsweise hoher, aber akzeptabler Wärmedurchgangskoeffizient von Ug = 2,7 W/(m²K). Bei Gewächshausverglasungen ist der Konflikt zwischen UV-Durchlässigkeit für die pflanzenwirksame Strahlung (Morphologic Active Radiation) und Wärmedämmung vorgegeben: Beides zu vereinen ist technisch nicht möglich.
Die Scheibenabmessungen betragen 1,30 x 3,00 Meter bei
Glasdicken zwischen vier und sechs Millimetern. Die Fixierung der
ebenen Glasscheiben auf der Unterkonstruktion erfolgte mittels
Glashalteprofilen. Aufgrund der gebogenen Form der Stahlträger
wurden die horizontalen Glashalteprofile geknickt ausgeführt,
sodass die Glasscheiben trotz ihres polygonalen Verlaufs eben
aufliegen. Im Firstbereich sing motorisch angetriebene
Lüftungsklappen ingegriert, die für eine automatische Durchlüftung
sorgen. Ein innen geführter, softwaregesteuerter Sonnenschutzscreen
verhindert eine zu starke Aufheizung im Sommer.
Bautafel
Architekten: Königs Architekten, Köln
Porjektbeteiligte: Arup, Düsseldorf (Tragwerksplanung); Arup, Frankfurt (TGA/Elektro); Arup, Berlin (Wärme-, Brandschutz- und Fassadenplanung); WES und Partner, Hamburg (Landschaftsplanung); Smiemans Projecten, Kwintsheul (Stahl-Glaskonstruktion); Saint-Gobain Glass, Aachen (Weißglas)
Bauherr: Land Hessen, Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Fertigstellung: 2013
Standort: Max-von-Laue-Straße 9, 60439 Frankfurt am Main
Bildnachweis: Christian Richters, Berlin
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