Bergstation der Wildspitzbahn im Pitztal
Gebogene Glasfassade in luftiger Höhe
Mit 3.440 Metern über dem Meeresspiegel ist der Hintere Brunnenkogel der höchste, seilbahntechnisch erschlossene Gletscher Österreichs. Von der Talstation in 2.840 Metern Höhe gelangen Wanderer, Ski- und Snowboardfahrer in nicht einmal sechs Minuten auf den Gipfel. Verantwortlich für den schnellen Transport ist die neue Wildspitzbahn, welche die 1989 in Betrieb genommene Pitz-Panoramabahn ersetzt hat. Im Zuge der Erneuerung entschloss sich der Seilbahnbetreiber, die Bergstation um ein Restaurant zu erweitern. Mit dieser Aufgabe beauftragte er die Architekten Baumschlager Hutter aus Dornbirn. Sie entwarfen einen Baukörper, der von fließenden Formen und einer frei schwebenden Terrasse geprägt ist.
Gallerie
Die Konstruktion der Bergstation ergab sich aus den natürlichen Rahmenbedingungen und der technischen Machbarkeit. Die Herausforderungen für alle Projektbeteiligten bestanden aus der gerade einmal 200 m² großen Aufstandsfläche, extremer Höhenlage, einer Gletscherzunge sowie den steil abfallenden Bergseiten. Starke Windeinwirkungen, dünne Luft und extreme Sonneneinstrahlung schränkten die Bauarbeiten in luftiger Höhe stark ein. Bedingt durch das wechselhafte Wetter und die teilweise eisigen Bodenverhältnisse, war der Zeitplan durch die Natur vorgegeben. Bis zur Fertigstellung der Berg- und Talstation waren am Ende etwa 700 Schwerlast-Hubschrauberflüge und rund 3.350 Fahrten mit der Materialseilbahn notwendig. Beide Stationen bestehen aus einer Stahl-Alu-Konstruktion; die Bergstation konnte auf den vorhandenen Fundamenten des Vorgängerbaus gegründet werden. Die geschwungenen Außenhüllen setzen sich aus etwa 450 dreiachsig gekrümmten Aluminiumpaneelen zusammen. Da kein Paneel dem anderen gleicht und auch die Unterkonstruktion gekrümmt ist, war die Fertigung der Fassade eine enorme Präzisionsarbeit.
Dank der großen Glasfront des Café 3.440 genannten Restaurants können die Besucher nun den spektakulären Ausblick auf die Dreitausender der Ötztaler Alpen genießen, darunter Tirols höchsten Berg: die Wildspitze. Highlight des 140 m² großen Gastronomiebetriebes ist die auskragende Terrasse mit Platz für insgesamt 75 Gäste. Lediglich eine absturzsichernde Glaswand trennt sie von den steilen Berghängen.
Glas
Eine gebogene Pfosten-Riegel-Konstruktion bildet die Basis der
Glasfassade der Bergstation. Die einhüllende Verglasung besteht aus
einer dreifach Isolierverglasung (außen 2 x 6 mm VSG / 16 mm SZR / 8 mm
ESG-H /
16 mm SZR / 8 mm ESG-H innen). Entsprechend der zylindrischen
Fassadenunterkonstruktion wurden die rund 1,45 x 2,50 m großen
Isoliergläser mit einem Radius von etwa 15 m thermisch gebogen. Die
Befestigung an der Unterkonstruktion erfolgte über Druck- und
Pressleisten. Da die Isoliergläser auf einem deutlich niedrigeren
Höhenniveau produziert wurden, erwies sich der Druckunterschied
zwischen Scheibenzwischenraum (SZR) und Atmosphäre sowie
die daraus resultierende Klimalast während des Transportes als
problematisch. Deshalb wurde jeder SZR der Isoliergläser mit einem
speziellen Druckausgleichsventil versehen. Hiermit konnte der
Gasdruck im Scheibeninneren während des Transports durch Entlüftung
angepasst werden.
Die absturzsichernde Verglasung an der Dachterrasse besteht aus
Verbundsicherheitsgläsern (3 x 12 mm ESG-H / 1,52 mm PVB). Auch
diese Scheiben wurden zylindrisch mit einem Radius von etwa 17 m
thermisch gebogen. Die rund 1,95 x 2,45 m großen Glasscheiben sind
durch eine Klemmung und Klotzung im Boden eingespannt. Die Fuge
wurde versiegelt. Im Schadensfall sichert der dreifach Verbund die
Resttragfähigkeit der Verglasungen.
Bautafel
Architekt: Baumschlager Hutter Partners, Dornbirn
Projektbeteiligte: Christoph Neier, Rum bei Innsbruck (Örtliche Bauleitung); Frener & Reifer, Brixen (Fassadenplanung, -lieferung und -montage); Sunglass, Villafranca Padovana (Glaslieferant); Aste Weissteiner, Innsbruck (Tragwerksplanung); Bitschnau, Nenzing (Stahlbau); ARGE Hoch-Tief-Bau Imst und Franz Thurner Bau, Ötz (Rohbau); Christian Strigl, Pflach (Gebäudetechnik); Dr. Lothar Künz, Hard (Bauphysik); Systech Solution, Reutte (Elektroplanung); Supersymetrics, Heerbrugg (Lichtplanung)
Bauherr: Pitztaler Gletscherbahn, St. Leonhard im Pitztal
Fertigstellung: 2012
Standort: Hinterer Brunnenkogel, Pitztal, 6481 Österreich
Bildnachweis: Marc Lins, New York, Baumschlager Hutter, Dornbirn
Fachwissen zum Thema
Bauwerke zum Thema
Surftipps
BauNetz Wissen Glas sponsored by:
Saint-Gobain Glass Deutschland