Markthalle in Rotterdam
Seilnetzfassade mit gläserner Ausfachung aus VSG
An der Rotterdamer Markthalle von MVRDV Architekten scheiden sich die Geister: Monströs, wahnwitzig stöhnen die einen; spektakulär, futuristisch jubeln die anderen. Sicher ist, dass sie die erste und bislang einzige überdachte Markthalle der Niederlande ist. Sicher sind auch ihren enormen Ausmaße: Etwa 40 Meter hoch, knapp 120 Meter lang und 70 Meter breit, vereint sie zudem auf unkonventionelle Weise Funktionen, die anderswo strikt voneinander getrennt sind: Wohnen und Einkaufen. Mittig bietet die rund 5.500 Quadratmeter große Halle Platz für etwa 100 Markstände; darüber spannt sich ein Stahlbetonbogen, der auf den ersten beiden Geschossen Restaurants und Geschäfte beherbergt, in den zehn Etagen darüber 228 Wohnungen. Im ersten Untergeschoss befindet sich außerdem ein Supermarkt, vom zweiten bis vierten die Anlieferung sowie ein Parkhaus für 1.200 Fahrzeuge.
Gallerie
Darüber hinaus hat der Bau zwei weitere Superlative zu bieten: die größten Seilnetzfassaden Europas an den beiden Stirnseiten und das riesige Gemälde, das sich auf 11.000 Quadratmetern über den Innenraum wölbt. Der bunte Mix aus Obst, Gemüse, Kühen, Fischen und Blumen stammt von den Rotterdamer Künstlern Arno Coenen und Iris Roskam. Er wurde mittels Digitaldruck auf über 4.500 Aluminiumtafeln aufgebracht und soll für eine bessere Orientierung der Kunden sorgen.
Glas
Die Abmessungen der Seilnetzfassaden an der Ost- und Westseite
betragen 42 Meter in der Breite und 34 Meter in der Höhe. Sie
setzten sich aus 26 Vertikal- und 22 Horizontalseilen zusammen.
Ähnlich der Bespannung eines Tennisschlägers sind die Seile
vorgespannt und seitlich in einer ringartigen Betonkonstruktion
verankert. Alle Seile weisen einen Durchmesser von 31,3 Millimetern
auf; die maximale Vorspannkraft jedes einzelnen Seils beträgt 300
kN.
Im Regelbereich der Fassade sind die Seilnetzmaschen mit quadratischen Verbundsicherheitsgläsern ausgefacht, deren Kantenlängen jeweils 1,485 Meter betragen. Der Glasaufbau besteht aus 2 x 6 Millimeter teilvorgespanntem Glas (TVG). Die Kopplung der Verglasung erfolgte durch eigens gefertigte Knotenelemente aus Gussstahl, die separat an die Horizontal- und Vertikalseile anschließen. Auf den vorderen Gusshaltern stehen die Scheiben in einem Abstand von 100 Millimetern auf; Klemmteller sichern sie gegen Sogbeanspruchung.
Da bei derartigen Konstruktionen die Horizontalverformung bei
Windbeanspruchung sehr groß ist, wurden die Fassaden der Markthalle
so ausgebildet, dass sie sich horizontal um bis zu 700 Millimeter
verformen können. Zusammen mit der Lagerung an vier Punkten
resultiert daraus eine Relativverformung der einzelnen Ecken der
Gläser, sodass diese neben den gewöhnlichen Beanspruchungen
zusätzlich einem Zwängungslastfall aus Verdrehung der Scheibe
ausgesetzt sind. Dies wird insbesondere bei den Scheiben
bemessungsrelevant, die in Eckbereichen der Fassade auf zwei Seiten
unverschieblich und mit einer Ecke horizontal frei beweglich
gelagert sind. Die maximale Verdrehung der Verglasungen der
Markhalle betragen 5,4°. Bei „festen Durchdringungen", wie
beispielsweise Türöffnungen, sind die starken Verformungen der
Fassade zu berücksichtigen und konstruktiv zu kompensieren.
Bautafel
Architekt: MVRDV, Rotterdam
Projektbeteiligte: INBO, Amsterdam (Partner-Architekturbüro); Arno Coenen und Iris Roskam, Rotterdam (Künstler); Octatube, Delft (Fassadenkonstruktion); Royal Haskoning DHV, Den Haag (Tragwerksplanung); Techniplan, Rotterdam (Haustechnik); Har Hollands, Maastricht (Lichtplanung); Peutz, Zoetermeer (Akustikplanung)
Bauherr: Provast Nederland, Den Haag
Fertigstellung: 2014
Standort: Dominee Jan Scharpstraat 298, 3011 Rotterdam, Niederlande
Bildnachweis: Ossip van Duivenbode, Daria Scagliola und Stijn Brakkee, Steven Scholten und Jan van der Ploeg für Markthal, Rotterdam
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