OWO Courtyard Pavilion in London
Hochglanzpolierte Edelstahloberflächen und komplexe Isolierglasgeometrien
Fast 120 Jahre lang blieb die Tür des Old War Office (OWO) in Londons Whitehall für die Öffentlichkeit verschlossen. Die Arbeiten am neuen Hauptquartier für das damalige Kriegsministerium von William Young begannen 1899 an der Stelle, an der einst der Whitehall-Palast gestanden hatte. Es diente als Arbeitsplatz einiger der berühmtesten Politiker des 20. Jahrhunderts und wurde zugleich als Treffpunkt für Spione und Militärchefs genutzt. Im Rahmen der Revitalisierung zu einem Luxushotel, diversen Restaurants und Bars sowie exklusiven Wohneinheiten erhielt es den Namen The OWO. Das ortsansässige Architekturbüro DaeWha Kang Design entwarf in diesem Zuge im großen Innenhof des historischen Gebäudes einen markanten Restaurantpavillon für das Café Lapérouse, der 2023 fertiggestellt wurde.
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Mathematische Formsprache aus der Natur
Die besondere Geometrie des Pavillons ergibt sich aus der Fibonacci-Folge – eine mathematische Zahlenfolge, die Wachstumsvorgänge in der Natur beschreibt und die Basis für den Goldenen Schnitt bildet. Das sich aus dieser Logik ergebende geometrische Muster findet sich unter anderem in der spiralförmigen Anordnung der Kerne einer Sonnenblume wieder. Daran angelehnt entstand die skulpturale Form des Pavillons: Auf dem runden Dach bilden dreidimensional gewölbte, spiegelpolierte Edelstahlelemente das charakteristische mathematische Muster nach. Aus der Dachform ergibt sich der zickzackförmige Grundriss, der annähernd einen Kreis nachbildet und mit einer gläsernen Fassade abgeschlossen ist.
Der Übergang zwischen dem gewölbten Dach und der Fassade erscheint fließend: Dafür sind im Randbereich des Dachs jeweils Edelstahlpaneele montiert, die unmittelbar in jede zweite Fassadenstütze übergehen. Die übrigen, nach innen gerichteten Stützen sind im Unterschied dazu unverkleidet und schwarz belassen.
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Hochglanzpolierte 3D-Paneele
Der Pavillon lagert statisch auf fünf Stahlstützen, die jeweils zwei gebogene Dachelemente stützen. Letztere sind außenseitig mit den 3D-geformten Edelstahlblechen verkleidet. Bei der Fertigung dieser Elemente aus nur 2 mm dickem Edelstahl mussten jegliche Abweichungen von der optimalen Freiformgeometrie vermieden werden: Jede Verformung – die bei Edelstahl sehr leicht passieren kann – würde sich bei der hochglanzpolierten Oberfläche sehr deutlich abzeichnen. Daher war eine präzise und sorgfältige Arbeit bei der Montage wesentlich.
Zur Übersetzung des virtuellen 3D-Modells in reale Bauteile wurden die Edelstahlbleche mittels hydraulischer Pressen, Laserzuschnitt und handwerklichen Arbeitsschritten wie Edelstahlschweißen, Handpolieren und strukturellem Kleben gefertigt. Die außergewöhnliche Dachgeometrie hat dabei keine geraden Linien, was in der Planung und Umsetzung eine hohe Detaillierung, Maßhaltigkeit und professionelle Handwerkskunst erforderte. Aufgrund der empfindlichen Oberfläche wurden die Paneele nach der Fertigung geschützt, verpackt und auf der Baustelle einer intensiven Qualitätssicherung unterzogen.
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Transparente Fassade
Die transparente vertikale Fassadenfläche wurde aus insgesamt 39 stählernen Fensterelementen ausgebildet – 14 Elemente, die sich öffnen lassen, sowie weitere 25 festverglaste Fensterelemente, die den Pavillon mit Licht durchfluten. Die Ausfachung der Elemente erfolgte mit 2-fach Isolierverglasungen. Innen- und Außenscheibe sind als Verbundsicherheitsglas aus Weißglas ausgebildet. Die Außenscheibe besteht dabei aus 6 mm und die Innenscheibe aus 5 mm teilvorgespanntem Glas. Sämtliche Zwischenschichten sind mittels 1,52 mm PVB ausgeführt. Auf Position 4 ist eine Sonnenschutzbeschichtung angeordnet. Der 16 mm dicke Scheibenzwischenraum ist mit Argon gefüllt. Der Randverbund ist mittels silikonbasierten Warme-Kante-Abstandhalter aus Strukturschaum mit integriertem Trockenmittel ausgebildet. Die Sekundärversiegelung des Randverbundes erfolgte mittels Silikon. Die Isolierverglasungen wurden aufgrund der Formensprache im Übergang zwischen Dach und Vertikalfassade als Modellscheiben ausgebildet; die Breite der Gläser beträgt etwa einen Meter, die Höhe variiert zwischen 2,4 und 2,7 Meter. Die Verglasungen weisen eine Lichttransmission von τV = 62 % auf. Der Gesamtenergiedurchlassgrad beträgt g = 0,29 und der Wärmedurchgangskoeffizient Ug = 1 W/(m2 K).
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Komplexes Oberlicht
In die Dachkonstruktion ist mittig eine gläsernes Oberlicht integriert, das an eine Blütenform erinnert. Es ist insgesamt mit zehn Isoliergläsern ausgefacht. Die Überkopfverglasungen mussten aufgrund der besonderen Form als Modellverglasungen maßgeschneidert werden. Die 2-fach Isolierverglasungen bestehen außenseitig aus einer 5 mm dicken, heißgelagerten Einscheibensicherheitsverglasung aus Weißglas. Auf Position 2 ist eine Sonnenschutzbeschichtung angeordnet.
Die gesamte Struktur des Pavillons ist vorgefertigt und ist für Wartungs- und Austauscharbeiten demontierbar; bei Bedarf kann der Pavillon sogar komplett umgesiedelt werden.
Bautafel
Architektur: DaeWha Kang Design, London
Projektbeteiligte: Octatube Space Structure, Delft (Entwicklung und Realisierung Metallbau Fassade und Dach); Fielitz, Ingolstadt (3D-Umformung und Oberfläche Edelstahlelemente Dach); Interpane Glasgesellschaft, Plattling (Glasveredelung); Jansen, Oberriet (Systemlieferant Vertikalfassade); JM van Delft, Drunen (Metallbau Fensterelemente); Marcus Barnett Studio, London (Landschaftsarchitektur); Arup, London (Lichtdesign, Nachhaltigkeit und Akustik); Donald Insall Associates, London (Denkmalschutz)
Bauherrschaft: The OWO Residences by Raffles London
Standort: 7 Horse Guards Ave, London SW1A 2EX, Vereinigtes Königreich
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: Kyungsub Shin, Octatube Space Structure
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