Kinderheim in Kerteminde
Lebendige Dachlandschaft
Gallerie
Auf der dänischen Ostseeinsel Fünen, direkt am Großen Belt,
liegt der 6.000 Einwohner zählende und durch einen Fischereihafen
und Fischauktionsmarkt geprägte Ort Kerteminde. Seit 2014
bereichert ein Gebäude die Kleinstadt, das sowohl in
architektonischer als auch in konzeptioneller Hinsicht überzeugt.
Bei dem Pilotprojekt Unser Haus handelt es sich um ein Heim
für marginalisierte Kinder und Jugendliche, in dem neue
pädagogische Ansätze verfolgt werden. Das für den Entwurf
verantwortliche Aarhuser Büro Cebra spielte für diese Bauaufgabe
mit traditionellen Formen und Elementen, die es jedoch einer
Neuinterpretation unterzog.
Als Ausgangspunkt diente ihnen die simple Tatsache, dass – egal ob
Kinderzeichnung oder stilisiertes Haus-Symbol in Webbrowsern –
Menschen jeder Altersstufe ein rechteckiges Gebäude mit Satteldach
als Sinnbild für ein sicheres und geborgenes Zuhause verstehen. Die
Architekten übernahmen die tradierten Elemente, allerdings
reduziert und teils überformt, um ein zeitgemäßes,
unverwechselbares Erscheinungsbild zu schaffen. Auch die
verwendeten Materialien bewegen sich in diesem Spannungsfeld: Die
Giebelseiten sind bis zur Dachkante mit einer vertikalen
Holzlattung bekleidet, die Traufseiten mit Tonschindeln, die an
Verblendmauerwerk erinnern.
Anstelle langer Gebäudeflügel konventioneller Heimanlagen, setzt
sich der 1.500 Quadratmeter große Neubau aus vier gegeneinander
versetzten Häusern unterschiedlicher Größe zusammen. Ihre Volumina
werden zudem durch Vorsprünge, Ausstülpungen und Erker aufgebrochen
und modifiziert. Durch die Aufteilung hat jede Altersgruppe ihr
eigenes „Haus“ erhalten, das dennoch Teil eines Ganzen ist. Den
Kindern und Jugendlichen soll damit ein Gefühl der Zugehörigkeit zu
ihrer Wohneinheit vermittelt werden.
Das Spiel mit vertrauten Formen kommt insbesondere in den markanten
Erkern an den Giebelseiten zum Ausdruck, die nach Angaben der
Architekten von Dachgauben abgeleitet sind und die Kubatur der
Häuser aufgreifen. Eine wurde buchstäblich auf den Kopf gestellt,
mit dem First gen Boden. Manche dienen als Loggien,
andere öffnen sich mit großen Glasflächen zur Umgebung. Dazu kommen
Fenster unterschiedlicher Größe, die asymmetrisch über die Fassaden
verteilt sind.
Der Haupteingang des größtenteils zweigeschossigen Gebäudeensembles
befindet sich an der Nordostseite. In jeweils beiden Etagen sind im
Zentrum die Räume für die Verwaltung und das Personal
untergebracht, um sie herum verteilen sich die Jugendzimmer und
Gemeinschaftsräume. Die Wohneinheit für die kleineren Kinder ist
lediglich eingeschossig ausgebildet und zum Garten mit großem
Spielplatz hin ausgerichtet. Das Haus für die Teenager liegt
hingegen zur Straße. Sie sollen so ermutigt werden, sich als Teil
der Kleinstadt zu sehen und sich wie die Gleichaltrigen, die nicht
im Heim wohnen, an sozialen Aktivitäten in der Gemeinde zu
beteiligen.
Einige Räume lassen sich je nach gewünschter Nutzung ohne großen
Aufwand umgestalten, etwa als Lese- oder Filmecke, als Arbeitsplatz
für Hausaufgaben, als Atelier zum Malen und Werken oder als
Gemeinschaftsraum für Parties. So können die jungen Bewohner dem
Haus ihren eigenen Stempel aufdrücken. Weiß verputzte Wände, ein
heller Parkettboden und Akustikplatten an den Decken sorgen für ein
angenehmes Wohnumfeld.
Dach
Mit den flach geneigten Dächern weist das Gebäude ein typisches
Merkmal dänischer Wohnhäuser auf, jedoch in einer Neuinterpretation
als kleinteilige, belebte Dachlandschaft. Eingedeckt ist sie mit
Tonschindeln, die auch die seitlichen Fassaden bedecken. An den
Erkern wiederholen sich Dachneigung und Eindeckung, sodass trotz
kleinteiliger Gliederung ein stimmiges Gesamtbild entsteht.
Dachaufbau (von innen nach außen):
- zementgebundene Holzwolle-Mehrschichtplatte mit Dämmkern zur Schallabsorption der Innenräume
- drei Lagen Gipskartonplattem mit Federschienen
- Untersparrendämmplatte
- Dampfbremse
- Sparren mit Zwischendämmung
- Luftschicht
- Holzschalung
- Unterspannbahn
- Hinterlüftung
- Unterkonstruktion
- Tonziegel verschraubt
Bautafel
Architekten: CEBRA, Aarhus
Projektbeteiligte: PK3, Kopenhagen (Landschaftsarchitekten); Søren Jensen, Aarhus (Ingenieur)
Fertigstellung: 2014
Bauherr: Kerteminde Municipality
Standort: Strandgårds Alle, Kerteminde
Bildnachweis: Mikkel Frost / CEBRA