Wohnhaus Streckhof in Weingraben
Historisches Gehöft mit moderner Erweiterung
Streckhöfe sind ein traditioneller, bäuerlicher Bautyp, der vor allem im österreichischen Burgenland noch bis in die 1950er Jahre gebaut wurde. Viele der alten Bauernhäuser wurden mit der Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit dem Verfall preisgegeben, einige erfahren aber durch Umbau oder Erweiterung eine Renaissance. Einem alten Streckhof im Örtchen Weingraben wurde durch Erweiterung um einen modernen Neubau neues Leben eingehaucht. Das Wohnhaus für eine Familie entwarfen Juri Troy Architekten aus Wien.
Gallerie
Holz, Ziegel und Putz
Bei der traditionellen Hofform sind Wohnhaus, Stall und Scheune in Reihe hintereinander angeordnet. Direkt an der Straße befanden sich die Wohnräume. Auf sie folgten die Wirtschaftstrakte. Der Neubau wurde auf der straßenabgewandten Seite zugefügt und folgt in Ausrichtung und Abstandsfläche der Reihung des Gehöfts. Von den noch intakten, umliegenden Scheunen übernimmt der er die primär verwendeten Baumaterialien Holz, Ziegel und Putz.
Die beiden Giebelwände des neuen Gebäudes bestehen aus 50 Zentimeter gebrannten Hochlochziegeln. Außen sind sie mit pigmentlosem Kalkzement, innen mit Kalklehm verputzt. Das Ober- und Dachgeschoss sind konstruktive Holzaufbauten, gefertigt aus heimischer Weißtanne. Auch für die bodentiefen Faltläden, die sich in der Dimensionierung an Holzwänden und -toren der Bestandsgebäude orientieren, wurde die Holzsorte verwendet. Hinter ihnen verbergen sich Balkone im Obergeschoss und Faltschiebeverglasungen im Parterre. Letztere ermöglichen die Öffnung des Wohnbereichs zum Garten.
Integriert in die äußeren Schottwände befinden sich Küchenzeile, Speisekammer und Abstellräume sowie ein Sofa. Gegenüber dem offenen Kamin führt in der Gebäudemitte die Treppe nach oben. Um den zentralen Treppenblock herum verläuft eine Sitzbank. Zur Küche hin fungiert sie als Teil des Essplatzes. Auf der Seite des Wohnbereichs ist sie Bücherregal. Auch die ersten zwei Stufen des Treppenaufgangs sind in das Einbaumöbel integriert.
Natürliche Baustoffe und Yoga mit Ausblick
Der Fußboden im Erdgeschoss wurde nach einer traditionellen Technik gefertigt: Er verfügt über eine mit Kasein, also Milcheiweiß, vergütete Lehmbeschichtung. Sie wird auf dem vorbehandelten Untergrund dünn aufgezogen und danach mit Öl und Carnuba-Wachs oberflächenbehandelt. So erhält der Boden eine fugenlose, geschmeidige Optik. Handgefertigte Fliesen und Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gehören ebenfalls zu dem auf Nachhaltigkeit basierenden Materialkonzept.
Ein offener Aufenthaltsbereich im Obergeschoss ist zugleich
Bibliothek und Arbeitsraum. Im Giebel werden hier Raumhöhen von bis
zu sieben Metern erreicht. Das Elternschlafzimmer verfügt über ein
eigenes Bad, welches in die Einbaumöbel integriert wurde. Kinder-
und Gästezimmer teilen sich ein gemeinsames Bad. Der Dachboden
beherbergt den Technik- und Abstellraum und soll genügend Platz für
Yoga-Übungen bieten. Von hier ergeben sich Ausblicke auf die
reizvolle Landschaft der Umgebung.
Dach: Historische Holznägel und Schnapsbrennerei
Die alte Scheune, bzw. der Stadel, war zum Ausbau nicht
geeignet, wurde aber zu einer kleinen Schnapsbrennerei
umfunktioniert, die als schwarzer Kubus in den Raum eingestellt
wurde. Dieser blieb ungedämmt, damit der Blick auf das historische
und handwerklich spektakulärere der beiden Dächer erhalten bleibt.
Der in Dachneigung liegende Stuhl wird hier durch
aussteifende Sparrendreiecke gebildet. Im Firstbereich sind sie
überblattet und mit Holznägeln verbunden. Dort eingelegt ist der
First.
Das neue Dach kommt mit weniger traditionellen Holzverbindungen
daher. Das mit roten Ziegeln eingedeckte Satteldach
des Neubaus entspricht in Firsthöhe und Dachneigung den umgebenden
Bestandsbauten.
Dachaufbau Neubau (von außen nach innen):
- 3 cm Dachdeckung Ziegel
- 4 cm Holzlatten
- 4 cm Konterlattung (Luftschicht)
- Unterdachbahn
- 20 cm Sparren mit vollgedämmt
- 10 cm Massivholzplatte
Bautafel
Architekten: Juri Troy Architects, Wien
Projektbeteiligte: Holzbau Kast, Gois (Zimmerei); Rathmanner, Neutal (Dachdecker); Baumeister Pfnier & Co., Deutschkreuz (Mauerwerk); Fensterbau Zech, Götzis (Fenster); Kattun Tischler, Wien (Türen, Möbel); Stangl, Burgenland (Außenputz); Stahlbau Boross, Oberpullendorf (Schlosserarbeiten und Schiebeläden); Christian Ludwig Stangl, Pöttsching (Trockenbau); Elgotec, Neutal (Eelektroinstallationen); Scheu, Neckenmarkt (Sanitär, Heizung, Lüuftung, Klima), Georg Bechter Licht, Langenegg (Lichtplanung/-ausstattung); Georg Ulrich, Satteins (Böden)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2018
Standort: Weingraben, Burgenland (Österreich)
Bildnachweis: Juri Troy Architects, Wien