Stadtbibliothek in Rottenburg am Neckar
Einschalige Wand mit hochwärmegedämmtem Ziegel
Bei jedem Entwurf sehen sich Architekten mit der Frage konfrontiert, auf welche Weise sie das zu planende Objekt in Bezug zu seiner Umgebung setzen – harmonisch einfügen oder einen spannungsreichen Kontrast evozieren? Dass zuweilen beides zugleich möglich ist, zeigt der Neubau der Stadtbibliothek in Rottenburg am Neckar nach Plänen von Harris + Kurrle Architekten.
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Städtebaulich behutsam eingebettet
Rottenburg liegt im Landkreis Tübingen und kann als Römer- und Bischofsstadt auf eine lange Geschichte zurückblicken. Das Baugrundstück liegt am nördlichen Rand der historischen Altstadt gegenüber des bischöflichen Palais. In Anlehnung an das benachbarte Bestandsgebäude in der Oberen Gasse entwickelten die Architekten einen schmalen, geknickten Baukörper mit kupfergedecktem Satteldach auf asymmetrischem Grundriss. Städtebaulich entsteht zwischen dem fünfgeschossigen Bibliotheks- und dem Bestandsbau eine verwinkelte Gasse, die sich in den mittelalterlichen Stadtgrundriss wie selbstverständlich einfügt. Fehlende Dachüberstände, die großen quadratischen und unregelmäßig über die Fassade verteilten Fensteröffnungen sowie der Verzicht auf jeglichen Fassadenschmuck setzen jedoch einen größtmöglichen Kontrast zu den teils barocken Fassaden der Nachbarschaft. Erschlossen wird das grau verputzte Gebäude an der östlichen Längsseite, wo ein keilförmiger Einschnitt im Erdgeschoss den Eingang markiert.
Raumprogramm
Im Parterre befindet sich das Foyer mit dem Tresen für die Ausleihe und Rückgabe der Bücher. Daran schließt ein öffentliches Café an, das sich in den Sommermonaten über zwei große Schiebetüren zur Königstraße öffnen lässt und dann zum Straßencafé mit Tischen entlang der Fassade wird. Es dient aber zusammen mit dem Foyer auch als Veranstaltungsraum. Dafür können die drei raumhohen Glastüren zwischen beiden geöffnet werden, sodass ein großer zusammenhängender Saal entsteht. In den vier Obergeschossen befinden sich die verschiedenen Bibliotheksbereiche mit Leseecken. Die tiefen Fensterlaibungen sind als zusätzliche Sitz- und Lesenischen ausgebildet. Geprägt werden die Innenräume durch hellen Terrazzo, Weißbeton, Putz und weiß lackiertes Holz.
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Das Energiekonzept der Stadtbibliothek beruht vor allem auf passiven Maßnahmen: eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle, ein maßvoller Fensteranteil mit Sonnenschutzverglasung sowie Sichtbetondecken als natürliche Speichermassen. Die Belüftung des Cafés und der Medienräume erfolgt über eine Lüftungsanlage mit optimierter Wärmerückgewinnung und adiabater Kühlung (Verdunstungskühlung).
Nachhaltig Bauen: Hochwärmegedämmte Mauerziegel
Der Neubau ist eine massive Ziegelkonstruktion mit Stahlbetondecken und aussteifenden Stahlbetonwänden. Die 46 cm starken, monolithischen Außenwände wurde mit hochwärmegedämmten Mauerziegeln umgesetzt, sodass sich folgender Wandaufbau ergibt: 1,5 cm Innenputz, 42,5 cm Ziegelmauerwerk, 1,5 cm Grundputz als 10 mm Leichtputz mit 5 mm bewehrtem Unterputz. Abschließend wurde eine 5 mm dicke Schicht getönter Oberputz als Besenstrichputz aufgebracht und zweifach beschichtet. Dies verleiht der Fassade eine besondere Haptik und Tiefe.
Besenstrichputz
Die Fassadengestaltung mit verputztem Mauerwerk entspricht der ortstypischen Materialität, die Ausführung als Besenstrichputz verleiht der Stadtbibliothek jedoch eine eigenständige, moderne Note. Sonderbauteile aus Beton für z. B: Stürze, Decken und Stützen wurden mit Ziegelsonderelementen verkleidet, so dass ein einheitlicher Putzgrund vorhanden war und die Rissgefahr minimiert werden konnte.
Auf ein Wärmedämmverbundsystem konnte bei dem einschaligen Wandaufbau verzichtet werden, da die erforderliche Wärmedämmung durch die Füllung der Hohlziegel mit Mineralwolle gewährleistet wird. Die Maße der Mauerziegel sind 24,8 x 42,5 x 24,9 cm mit einer Rohdichteklasse von 0,75 bei einer Druckfestigkeitsklasse 10. Die Wärmeleitfähigkeit λ des Ziegels beträgt 0,10 W/mK. -kr
Bautafel
Architektur: Harris + Kurrle Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Göppel Strittmatter Hallig, Ludwigsburg (Bauleitung); Schmid | Treiber | Partner, Leonberg (Landschaftsarchitektur); Engelsmann Peters, Stuttgart (Statik); Heimann Ingenieure, Lörsch (Haustechnikplanung); Reck+Gass, Horb am Neckar (Prüfstatik); Edgar Fuchs, Kirchentellinsfurt (Küchenplanung); Planungsgruppe Kuhn, Sindelfingen (Brandschutzplanung); TEB, Vaihingen/Enz (Thermische Bauphysik); IGE Weyersberg, Bietigheim-Bissingen (Si-Ge-Koordination); Wellhäußer, Rottenburg am Neckar (Vermessung); Wienerberger, Hannover (Hintermauerziegel)
Bauherr/in: Stadt Rottenburg am Neckar
Fertigstellung: 2017
Standort: Königstraße 2, 72108 Rottenburg am Neckar
Bildnachweis: Roland Halbe, Stuttgart; Harris + Kurrle Architekten, Stuttgart
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