Studierendenhaus in Braunschweig
Wandlungsfähiger Baukasten
Große Fensterflächen, filigrane Tragstrukturen und reduzierte Materialien – das Studierendenhaus in Braunschweig erinnert an die Architektur der Case Study Houses und ruft zugleich Bilder moderner japanischer Wohngebäude hervor. Umgeben von Bäumen, Rasenflächen und dem angrenzenden Fluss Oker scheint der von Gustav Düsing und Max Hacke entwickelte Neubau abgegrenzt vom städtischen Leben, dabei befindet er sich nur wenige Meter vom Zentrum des Braunschweiger Universitätscampus.
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Unkonventioneller Wettbewerb
Der Entwurf für das 2023 eröffnete Gebäude entstand im Rahmen eines universitätsinternen Wettbewerbs, an dem das Berliner Architekten-Duo teilnahm, das zugleich an der Hochschule lehrte. Um ein Zeichen für die Nachwuchsförderung zu setzen, hatte sich die Architekturfakultät der TU Braunschweig entschlossen, lediglich ihre Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen an der Auslobung teilnehmen zu lassen. Dadurch erhofften sich die Beteiligten neue, mutige Ansätze, die nicht zuletzt durch die Nähe zum Studierendenalltag inspiriert sein sollten.
Auch die Jury wurde neu gedacht; so kam es zu einer Auswertung durch die Universitätsleitung, Vertreter*innen der Professorenschaft – beispielsweise durch den Berliner Architekten und Braunschweiger Professor Volker Staab – sowie die Studierenden selbst. Mit dem Wettbewerbsgewinn legten die Architekten den Grundstein für die Gründung ihrer eigenen Büros. Bis heute kollaborieren sie in unterschiedlichen Projekten miteinander.
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Demontier- und wiederverwendbar
Flexibilität und Kreislauffähigkeit sind der zweigeschossigen Super-Structure eingeschrieben. Die hybride Stahl-Holzkonstruktion ist lediglich verschraubt und kann so – ganz nach dem Prinzip „Design for Disassembly“ – einfach zusammengebaut und wieder demontiert werden. Somit funktioniert das Gebäude als Materiallager und kann im Falle eines Rückbaus vollständig wiederverwendet werden. Das filigrane Primärtragwerk basiert auf einem quadratischen Achsmaß von 3 x 3 Metern und besteht aus modularen Quadrathohlprofil-Trägern und -Stützen, die einen Querschnitt von nur 10 x 10 Zentimetern haben. Die Verbindungen sind zusammengesteckt und lassen sich daher zerstörungsfrei neu konfigurieren. Diese Konstruktionsweise kommt dem ständigen Wandel von Lehrmodellen mit möglichst viel Flexibilität nach.
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Offenes Raumkonzept
Der ursprünglich als Zeichensaal ausgeschriebene Lern- und Arbeitsort wurde von Beginn an als hierarchiefreie Multifunktionshalle geplant. Das offene Raumkonzept ist vielfältig und flexibel nutzbar und bietet gleichermaßen Platz für eigenständiges Lernen, Seminare, Gruppenarbeiten aber auch Entspannung. Zur Zonierung des Innenraums tragen etwa Treppen und gesonderte Zugänge bei. Aber auch schwere, schallschluckende Vorhänge in einem warmen Gelbton sorgen bei Bedarf für Privatsphäre. Um einen für alle gleichwertig nutzbaren Raum zu schaffen, verzichten die Architekten besonders im Erdgeschoss weitestgehend auf Verkehrsflächen. Im Obergeschoss schaffen Brücken und Lufträume Kommunikationsflächen, die sich besonders gut für die Gruppenarbeit anbieten.
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Herausforderungen für die Behaglichkeit
Während die Brandschutzanforderungen an den experimentellen Bau mit einer einfachen feuerbeständigen Beschichtung und genügend Notausgängen erfüllt werden konnten, sind es unter anderem bauphysikalische Anforderungen – etwa Raumluftqualität, Akustik und Wärmeschutz – die den Aufenthaltskomfort beeinflussen. Hierzu installierte man automatisierte Fensterflügel, die die Luftzufuhr steuern; zusätzlich sorgt ein rundes, öffenbares Oberlicht für einen Kamineffekt, dessen Luftzirkulation den Innenraum abkühlen soll. Teppichböden, abgehängte Dach- und Deckenelemente sowie absorbierende Oberflächen sorgen für den benötigten Schallschutz. Trotz durchlaufender Dämmebene und Fußbodenheizung scheint es allerdings im Bereich des Wärmeschutzes Nachrüstungsbedarf zu geben.
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Bautafel
Architektur: Gustav Düsing und Max Hacke, Berlin
Projektbeteiligte: iwb Ingenieure, Braunschweig (Bauleitung); Knippers Helbig, Stuttgart (Tragwerksplanung); Energydesign, Braunschweig (Technische Gebäudeausrüstung); Dehne, Kruse Brandschutzingenieure, Braunschweig (Brandschutz)
Bauherr*in: Technische Universität Braunschweig
Fertigstellung: 2023
Standort: Pockelsstraße 1, 38106 Braunschweig
Bildnachweis: Iwan Baan, Leonhard Clemens, Lemmart (Fotos); Gustav Düsing und Max Hacke, Berlin (Pläne)
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