Erweiterungsbau des Umweltbundesamts in Dessau

Vielfältig gedämmtes Plus-Energie-Gebäude

Vor dem Hintergrund wachsender Aufgaben im Bereich Forschung und Gesetzesvollzug und dem damit verbundenen Anstieg der Belegschaft, beschloss das Umweltbundesamt (UBA) 2008 seinen Hauptstandort in Dessau-Roßlau zu vergrößern. Nachdem bereits der von sauerbruch & hutton architekten entworfene Bestand 2009 das Deutsche Gütesiegel für nachhaltiges Bauen in Gold erhalten hatte, wollte das UBA auch mit dem Erweiterungsbau zeigen, wie die öffentliche Hand nachhaltiger bauen kann. Das 2023 fertiggestellte, von Anderhalten Architekten geplante Plus-Energie-Gebäude soll nicht nur Energie für den Eigenbedarf erzeugen, sondern auch einen Überschuss für die Liegenschaften.

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Photovoltaik-Fassade und Multi-Space-Flächen

Das Berliner Architekturbüro entwarf einen freistehenden, kompakten Solitär mit zwei Atrien, Solarpaneelen und extensiv begrüntem Dach. Er besetzt den Platz in der Biegung des amorphen Bestandsbaus und nimmt mit abgerundeten Kanten Bezug auf dessen Kurven. Prägend ist auch die Fassadenstruktur: Alternierend helle und dunkle Flächen – transparent, transluzent oder opak – bilden die Hülle. Sie wirkt wie gefaltet, wobei die opaken Flächen zu verschiedenen Himmelsrichtungen orientiert sind. Auf diese Weise vergrößerte sich einerseits die Fassadenoberfläche, zum anderen erzeugen die variierenden Licht- und Schattenflächen eine skulpturale Wirkung. Bei den dunklen Bekleidungselementen handelt es sich übrigens um Photovoltaikpaneele, die im 75-Grad-Winkel gekippt angebracht wurden.

In dem neuen Bürogebäude ist Platz für 111 Beschäftigte, die überwiegend in Einzel- und Doppelbüros arbeiten. Im Erdgeschoss befinden sich außerdem zwei große Tagungsräume für jeweils 40 bis 60 Personen. Zwei sogenannte Multi-Space-Flächen ergänzen das Büroumfeld: Wie im Hauptgebäude ist das Konzept im Neubau auf das Teilen der einzelnen Arbeitsplätze (Desk Sharing, verbunden mit mobilem Arbeiten) ausgelegt, sodass selbst bei weiterem Personalzuwachs in absehbarer Zeit zu kein Platzmangel zu befürchten ist.

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Strom und Wärme aus eigener Produktion

Mit 74,7 kWp Leistung ist die Gebäudehülle ein Kernstück des energetischen Konzepts. Zusammen mit den weiteren Photovoltaikmodulen auf dem Dach, die 57,4 kWp Leistung erbringen, erzeugen die 826 m2 Solarpaneelfläche insgesamt bis zu 130.000 kWh Strom pro Jahr. Überschüsse werden entweder innerhalb der Liegenschaft verwendet oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Eine 54-kW-Wärmepumpe mit über 32 Erdwärmesonden hilft, das geothermische Potenzial vor Ort zu nutzen, um die Decken des Gebäudes mittels Bauteilaktivierung im Winter aufzuheizen und im Sommer zu kühlen. Die Wärmepumpe wird mit dem natürlichen Kältemittel Propan betrieben.

Zum sommerlichen Wärmeschutz tragen außerdem die motorisch betriebenen Schwingflügelfenster bei, die ein natürliches Kühlen der Büros durch freies Lüften während der Nacht erlauben. In der Folge war keine weitere Klimatisierung der Arbeitsräume notwendig. Auch für die Lüftung sind die Fenster während der Übergangszeiten ausreichend. Im Sommer und Winter hingegen minimiert eine Lüftungsanlage mit effizienten Wärmetauschern Energieverluste beim Heizen bzw. Kühlen. Die beiden Atrien werden wiederum natürlich be- und entlüftet, über den Karmineffekt, den die Lüftungsöffnungen im Erdgeschoss und im Dach erzeugen.

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Für die Gebäudeleittechnik gibt es eine zentrale Steuerung, die auf Messdaten aus 15 Referenzräumen zurückgreift. In ihnen werden Lufttemperatur, relative Feuchte und CO2-Gehalt erfasst. Bei Bedarf lassen sich Sonnenschutz, Fensteröffnungen, Raumtemperatur und Lüftung ebenso über die in den Räumen angebrachten Tableaus bedienen. Die Beleuchtung – sparsame LEDs – reagiert auf Präsenz und Tageslicht. Um langfristig einen effizienten Betrieb zu sichern, werden die Anlagen über mehrere Jahre hinweg überwacht und ihre Steuerung angepasst. Der Primärenergiebedarf pro Quadratmeter und Jahr ist mit 32,8 kWh/(m2a) ausgewiesen und unterschreitet somit den Anforderungswert der EnEV 2009 um 76 Prozent.

Ziel: beispielhaftes Bauen

UBA-Präsident Dirk Messner betonte bei der Eröffnung, man wolle mit dem Neubau zeigen, „wie öffentliche Gebäude der Zukunft gebaut werden können, nämlich 100 Prozent klimaneutral und ressourcenschonend“. Dazu strebt das Bundesamt für seinen Neubau ein Gold-Zertifikat des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) an. Bei dem Verfahren werden gleichermaßen ökologische, ökonomische, soziokulturelle, technische und prozessuale Aspekte berücksichtigt, die jedoch unterschiedlich gewichtet werden dürfen. In Dessau liegt der Schwerpunkt im Bereich der ökologischen Qualitäten.

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Die Nachhaltigkeitsbestrebungen schlugen sich auch in der Materialwahl nieder: Der im Rohbau verarbeitete Beton besteht zu etwa 60 Prozent aus recyceltem Beton. Die Holzfenster, mit einer Aluminiumschale auf der Witterungsseite, besitzen eine Drei-Scheiben-Verglasung im Passivhausstandard. Emissionsarme und schadstofffreie Bauprodukte, wie etwa das Massivholzparkett aus Eiche und die Wandfarben, sollen zudem zu einer möglichst hohen Innenraumluftqualität beitragen. Auch hier spielen die Raumluftmessungen eine Rolle, da sie die Überwachung flüchtiger organischer Verbindungen ermöglichen.

Vielfältig gedämmt

Eine große Bandbreite unterschiedlicher Dämmstoffe kam zum Einsatz: So verwendete man Jute für Trockenbauwände, Schachtwände, Vorsatzschalen sowie Unterdecken und Deckenkoffer. Die Stärken der Jutefaserdämmung belaufen sich auf 40 bis 80 mm. Akustikwandverkleidungen und Brüstungsbekleidungen bestehen aus einer 60 mm dicken Schicht Hanf. Die Bodenplatte und die Außenwände im Untergeschoss erhielten 24 mm starke Dämmplatten aus XPS.

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Sowohl bei der Gefälledämmung als auch bei der vertikalen Dachdämmung setzte man auf Flachdach-Dämmplatten aus EPS, in Stärken von 180 bzw. 350 mm. Auch der schwimmende Estrich erhielt Trittschall- und Wärmedämmungen aus EPS, in Stärken zwischen 10 und 60 mm. Beim WDVS für die Attiken und das Treppenhaus verwendete man ebenfalls EPS, dort in Stärken von 180 bis 220 mm. Darüber hinaus wurde Mineralwolle in Stärken von 160 mm (horizontale Attika) und 280 mm (Fassade) verbaut.

Bautafel

Architektur: Anderhalten Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt, Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt (Bauverwaltung); Winter – beratende Ingenieure für Gebäudetechnik (Haustechnik); ST raum a. – Landschaftsarchitektur und Städtebau (Landschaftsplanung); Müller-BBM (Bauphysik); Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Monitoring)
Bauherr*in: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA), Bonn
Standort:
Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau-Roßlau
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: Berlin-Event-Foto.de/Peter-Paul Weiler (Fotos); Anderhalten Architekten (Pläne)

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