Glasschaumplatten hinter gesprenkelter Keramikfassade
In der niederösterreichischen Marktgemeinde Prinzersdorf, nahe
St. Pölten, schienen die Tage für das dortige Rathaus gezählt. Der
Bau war in die Jahre gekommen: Es zog durch die Fenster, im Sommer
war es drinnen zu heiß, im Winter zu kalt. Außerdem gab es keine
barrierefreien Zugänge. Das 1973 fertiggestellte Gebäude stand kurz
vor dem Abbruch. Doch es kam anders: Im Jahr 2021 wurde das Rathaus
generalsaniert, nach Plänen der Wiener Architekt*innen Ernst
Beneder und Anja Fischer. Dank einer konsequenten
energetischen Ertüchtigung erfüllt es nun die heutigen Standards
für Verwaltungsgebäude.
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Sanfte Sanierung und Erweiterung
Zu Beginn standen mehrere Szenarien zur Diskussion. Deren
Spektrum reichte vom Neubau über die weitgehende Entkernung bis hin
zur sanften Sanierung. Letztere Option überzeugte schließlich
durch die kurze Bauzeit, die niedrigen Kosten und die Erhaltung der
architektonischen Vorzüge des Gebäudes. Die Arbeiten wurden in der
heizfreien Periode von April bis Oktober 2021 realisiert. Trotz
erschwerter Bedingungen durch die Corona-Pandemie und stark
steigender Preise für Baumaterial wurden Kostenrahmen und Zeitplan
eingehalten.
Die Originalsubstanz wurde auf den neuesten Stand gebracht und
um neue Bestandteile ergänzt, ohne Proportionen und Materialpalette
der Räume zu verfremden. So konnte die besondere Grundstruktur des
Gebäudes erhalten und der Kostenrahmen für die Maßnahme
geringgehalten werden. Ein Aufzug und eine außenliegende Rampe
wurden ergänzt sowie rollstuhlgerechte Sanitäranlagen geschaffen.
Die im Inneren stützenfreie Betonstruktur macht den Bestand sehr
flexibel, sodass sich die Raumgrößen problemlos anpassen ließen.
Zudem befand sich das Gebäude in einem guten Zustand. Bereits beim
Bau hatte man hochwertige Materialien verwendet, denen auch
jahrzehntelange Nutzung nichts anhaben konnte.
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Kleinod der Nachkriegsmoderne
Das Prinzersdorfer Rathaus fasst zusammen mit einer Kirche und
einem Bankgebäude einen kleinen Platz an der Hauptstraße des Ortes
ein. Das Ensemble gilt als Zeitdokument der späten
Nachkriegsmoderne in Niederösterreich. Jedoch steht lediglich die
zwischen 1961 und 1966 im spätexpressionistischen Stil errichtete
Kirche unter Denkmalschutz. Geplant vom ortsansässigen Architekten
Franz Habl steht der Rathausbau für den Aufschwung, den die
Gemeinde Anfang der 1970er-Jahre erlebte. Markant ist die
Tragkonstruktion mit den nach außen gelegten Stahlbetonstützen im
Raster von vier mal vier Metern. Dadurch gibt es weder Korridore
noch einen massiven Kern im Gebäude. Die Bandfenster und
Keramikplatten der Hülle verlaufen hinter dem Exoskelett. Die
durchgängige Fassade bietet beste Belichtung, sowohl an an den
Arbeitsplätzen als auch in den Sälen und Erschließungszonen.
Insgesamt zeichnet sich das Gebäude durch hochwertige
Materialien aus. Dies war einer der Gründe für die restauratorische
Herangehensweise beim Umgang mit der Substanz und beim Weiterbauen.
Besonderer Wert wurde darauf gelegt, prägende Elemente wie die
Fassaden und die Kupferdachdeckung beizubehalten. Im Innern erhielt
man die ursprünglichen Natursteinböden aus Travertin, Holztüren,
Wandvertäfelungen, Akustikdecken und Luster im Sitzungssaal sowie
die Haupttreppe mit ihrer Alu-Glasbrüstung.
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Als Referenz an das niederösterreichische Wappen finden
sich in zahlreichen Bau- und Ausstattungselementen des
Gebäudeensembles die blaue-gelbe Akzente wieder. Dazu gehören die
keramischen Fassadeplatten, die eigens für das Rathaus entwickelt
und von Hand gefertigt worden waren. Ihr Zustand war noch so gut,
dass sie lediglich mit einem Schwamm und gewöhnlichem
Spülmittel gereinigt wurden. Darüber hinaus waren ursprünglich
auch Böden, Fliesen, Wandfarben bis hin zu Teilen der Möblierung
wie Sofas oder Sessel in den Landesfarben gehalten – bis in die
1990er-Jahre. Im Zuge der Sanierung die Ausstattung ihre alte
Farbgebung zurück. Beispielhaft für dieses Vorgehen steht der
Sitzungssaal: Von der weißen Stuckdecke bis zum
Original-Teppichmuster und den gelben Sesseln, sieht hier alles
wieder aus wie bei der Einweihung des Rathauses.
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Bürgerservice und Poststelle im Erdgeschoss
Der Haupteingang befindet sich mittig in der Platzfassade. Von
hier führt eine neue Rampe nach links, zur nördlichen Stirnseite
des Gebäudes. Der dortige Seiteneingang ist rollstuhlgerecht und
über eine neu eingerichtete Terrasse außerdem mit dem angebauten
Aufzugsturm verbunden. Von diesen beiden Seiten wird eine eine
zentrale Halle betreten, in der eine breite, zweiläufige Treppe ins
Ober- und Untergeschoss führt.
Hinter Holzvertäfelungen liegen WCs, ein Aufenthaltsraum für
Mitarbeitende, der Raum des Amtsarzt und ein neues Wartezimmer.
Direkt gegenüber des Haupteingangs befindet sich die Poststelle.
Zur südlichen Stirnseite hin öffnet sich eine breite Glastür,
hinter der die Prinzersdorfer*innen an einem langen Empfangspult
alle wesentlichen Angelegenheiten des Bürgerservice erledigen
können. Entlang der Fensterfront befinden sich Büroarbeitsplätze in
hellem Birkensperrholz, die durch blaue Keramik-Pflanzwannen
voneinander getrennt sind. Zum Hauptplatz liegt ein mit
Glasstellwänden separierter Bereich für die Amtsleitung.
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Bibliothek und Jugendraum im Untergeschoss
Vor der Sanierung befand sich auch die Bibliothek im
Erdgeschoss. Sie wurde ins neu ausgebaute Untergeschoss verlegt, wo
sie zusätzliche Flächen und einen eigenen ebenerdigem Zugang
erhielt. An ihrem alten Platz im Erdgeschoss wurde die nachträglich
ergänzte Trennwand zum Amtszimmer entfernt. Nun sind der
ursprüngliche, großzügige Raumeindruck nach Süden hin und der
zentrale Zugang zum Amtszimmer wieder hergestellt.
Das vollständig wärmegedämmte Untergeschoss ragt einen Meter
über das Terrain hinaus und wird umlaufend durch ein schmales
Fensterband belichtet. Da das Gelände Richtung Nordosten abfällt,
ist das Geschoss zu dieser Seite hin ebenerdig. Hier liegen ein
Zugang und zwei Garageneinfahrten. Jene Bereiche, die besonders gut
mit Tageslicht versorgt sind, beherbergen jetzt den Jugendraum und
die Bücherei mit Empfang, Lounge und Kinderbereich. Die Räume der
Bücherei gliedern sich in einer Lounge, den Empfang, den Lese- und
den Kinderbereich. In den fensterlosen, hauptplatzseitigen Räumen
entstanden ein großer Abstellraum und ein Archiv (im ehemaligen
Schutzraum).
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Sitzungsräume im Obergeschoss
Auch im Obergeschoss gibt es eine zentrale Halle. An der
Südseite, mit Blick zur Hauptstraße und zum Platz, liegt der große
vertäfelte Sitzungssaal. Die Nebenräume schließen direkt an die
Halle an. Indem man das Bauarchiv in die Amtsräume umsiedelte,
konnte hier eine größere Teeküche mit separatem Lagerraum sowie ein
Serverraum eingerichtet werden. Die Sanitäranlagen wurden um ein
rollstuhlgerechtes WC ergänzt. Das Büro des Bürgermeisters wanderte
in das nordwestliche Eckzimmer, sodass an der Platzfassade ein
neues längsgestrecktes Sitzungszimmer entstand. Dieses eignet sich
bei Veranstaltungen im Sitzungssaal für die Unterstützung bei der
Bewirtung und als Rückzugsmöglichkeit. Ein Windfang verbindet die
Halle mit dem Aufzug und einem Balkon.
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Innendämmung mit Glasschaum
Die ungedämmten Bandfenster und deren Beschattung wurden
vollständig ersetzt, ohne dabei das Gebäude zu sehr zu verfremden
Die restliche Fassade sowie das Untergeschoss erhielten eine
Innendämmung mit recyclingfähigen, mineralischen
Glasschaumplatten. Damit konnten die außenliegenden schlanken
Stützen und die großformatigen Keramikplatten im Originalzustand
erhalten bleiben. Die Bauarbeitenden entfernten vorsichtig die
originalen Vertäfelungen, brachten dann die Dämmung an und
montierten dann wieder alle Holztafeln an Ort und Stelle. Das
Untergeschoss erhielt neben einer Wanddämmung auch eine
Bodenplattendämmung aus Glasschaumplatten, während die Dämmung des
Daches in Mineralwolle ausgeführt wurde.
Durch die Dämmung und den Einbau einer dezentralen
Lüftungsanlage soll bereits im ersten Jahr eine Einsparung von 40
Prozent des Energieverbrauchs erzielt werden. Darüber hinaus wurde
das Heizsystem, das ursprünglich mit Öl, später mit Gas betrieben
wurde, auf Nahwärme umgestellt. Weiterhin erneuerte man die
Elektroinstallationen und die EDV-Netzwerke und installierte
konsequent LEDs. Auf dem Dach befindet sich neu eine PV-Anlage, die
auch einige E-Tankstellen am Hauptplatz versorgt.
Bautafel
Architektur: Franz Hable, Prinzersdorf (Bestand); Arbeitsgemeinschaft Ernst Beneder und Anja Fischer, Wien (Sanierung und Erweiterung) Projektbeteiligte: Reinhard Schneider, Wien (Tragwerksplanung); Walter Leiler, Wien (Bauphysik); Agrob Buchtal, Schwarzenfeld (Hersteller Keramikplatten Bestand) Bauherrschaft: Marktgemeinde Prinzersdorf, vertreten durch Bürgermeister Ing. Rudolf Schütz, Prinzersdorf Standort: Hauptplatz 1, 3385 Prinzersdorf, Österreich Fertigstellung: 1973 (Bestand); 2021 (Sanierung und Anbau) Bildnachweis: Konrad Neubauer (Fotos); Arbeitsgemeinschaft DI Ernst Beneder und Dr. Anja Fischer (Pläne)
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