Erweiterungsbau für Landesregierung in Bozen
Erstes öffentliches Passivhaus in Italien
Um Büroräume für die Südtiroler Landesregierung zu schaffen, wurde ein ehemaliges Postgebäude direkt am Bozener Bahnhof umgebaut und grundlegend saniert. Das ursprüngliche Haus aus dem Jahr 1954 erhielt nach dem Abtragen des 1975 aufgestockten Dachgeschosses zwei weitere Stockwerke und verfügt damit über insgesamt fünf Etagen. Im Erdgeschoss befinden sich Räume für Besprechungen und Ausstellungen, darüber sind in vier Bürogeschosse die Abteilungen Raumordnung, Natur und Landschaft, das Rechtsamt der Raumordnung sowie das Ressort Raumordnung, Umwelt und Energie untergebracht.
Gallerie
Das Bestandsgebäude zeichnete sich durch ein kompaktes Volumen mit regelmäßiger Lochfassade aus. Dieses Gestaltungsprinzip wurde von dem Bozener Architekt Michael Tribus auch für die Aufstockung aufgenommen und weitergeführt. Im Kontrast zu der schlichten Formensprache steht jedoch die abwechslungsreiche Gestaltung der Fensterlaibungen, die eine lebendige Gesamterscheinung bewirkt. Während das Gebäude durch seine blockartige Form nach außen eine Einheit darstellt, soll das Spiel der Fensteröffnungen eine individuelle Abbildung der dahinter arbeitenden Personen transportieren. Funktionell entsteht durch die vertikale Ausbildung schräger Fensterlaibungen die Möglichkeit, einer differenzierten lichttechnischen Bearbeitung der Geschosse. So wird der Einfall des Tageslichts in den unteren Geschossen durch die Laibungsöffnung nach oben erhöht. In den Obergeschossen hingegen bleibt die obere Laibung geschlossen, um eine größtmögliche Verschattung des Fensters zu erreichen.
Der Einsatz von Sonnenschutzgläsern in der äußeren Schicht der Passivhausfenster gewährleistet den Schutz vor sommerlicher Überhitzung und bietet den von den Nutzern gewünschten erhöhten Schallschutz. Von besonderer Bedeutung war der relativ geringe Anteil der Fensterflächen an den Gesamtfassadenflächen von 16 %, sodass auf einen kostenintensiven außen liegenden Sonnenschutz verzichtet werden konnte. Das Gebäude ist das erstes öffentliches Passivhaus Italiens.
Wärmedämmung/Energiekonzept
Die Laibungsvariationen entstanden mithilfe eines 35 cm starken
EPS-Wärmedämm-Verbundsystems. Das Konzept sieht entweder gerade, um
60 cm oder um 120 cm geöffnete Laibungen vor, was durch
kostengünstig vorgefertigte Dämmkeile realisiert wurde. Trotz der
schrägen Fensterlaibungen besteht die Möglichkeit, den Fensterstock
zu überdämmen, sodass sich kein Tauwasser an Wärmebrücken bilden kann. Zusammen mit den
3-Scheiben-Verglasungen und den wärmegedämmten Fensterrahmen
beträgt der U-Wert der Außenwände 0,08 W/m²K. Durch diesen
hervorragenden Wert konnten unvermeidbare Schwachstellen am
Fundament oder Fluchttreppenturm ausgleichen werden.
Das Gebäude erreicht den Passivhausstandard, auf ein herkömmliches Heizungssystem kann deshalb verzichtet werden. Die für die Behaglichkeit der Landesangestellten erforderliche Restwärme sowie Restkühlung im Sommer wird durch eine ohnehin vorhandene Komfortlüftungsanlage bereitgestellt. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Frischluftzufuhr und erlaubt gleichzeitig eine individuelle Nachheizung oder -kühlung. Die notwendige Heizanlage ist allerdings nicht größer als die eines Einfamilienhauses.
Die Wärmerückgewinnungsanlage des zentralen Lüftungsgeräts arbeitet mit einer Wärmebereitstellungseffizienz von 90%. Die Temperierung der Zulufttemperatur übernimmt eine nachgeschaltete Wärmepumpe, die im Sommer durch Abkühlung der Frischluft für eine Entfeuchtung sorgt. Die Zulufttemperatur wird im Winter mit 22°C, im Sommer mit 18°C bis zu den Büros geleitet, wo sie mittels Konvektoren individuell nachbeheizt werden kann. Die Nachheizung ist aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtung und der damit verbundenen Temperaturunterschiede der einzelnen Büros notwendig. Sie erzeugt aber - aufgrund der Tatsache, dass die erforderliche Energie aus der Abwärme der Wärmepumpe gewonnen wird - keinen zusätzlichen Energieaufwand.
Die Energiekosteneinsparung ergibt für das Expostgebäude mit 7 kWh/m²a und 4.100 EUR Heizkosten nach der Sanierung verglichen mit 220 kWh/m²a vor der Sanierung eine Heizkosteneinsparung von 86.000 EUR/a. Gegenüber dem gesetzlich vorgeschriebenen Standard mit 70 kWh/m²a, wurden Mehrkosten von ca. 130.000 EUR für die Passivhaussanierung errechnet. Die Heizenergiekosten für ein Gebäude nach diesem Standard betragen etwa 25.000 EUR pro Jahr, sodass sich die investierten Mehrkosten innerhalb von 5 Jahre amortisieren.
Bautafel
Architekt: Michael Tribus Architecture, Bozen
Bauherr: Autonome Provinz Bozen-Südtirol
Baubeteiligte: Zimmerhofer / Sand in Taufers (Baumeisterarbeiten); Wolf Artec, Natz-Schabs (Tischler-, Fenster- und Glaserarbeiten); Schmidhammer, Bruneck (HLS-Planung); Electro Obrist, Felthurns (Elektroplanung)
Fertigstellung: 2006
Standort: Rittnerstraße 4, 39100 Bozen
Bildnachweis: Ludwig Thalheimer, Rene Riller, Bozen
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