Umbau des Evangelischen Seminars in Maulbronn
Leben und lernen in mittelalterlichen Mauern
Im Herzen der Kleinstadt Maulbronn, gelegen im Nordschwarzwald,
befindet sich die gleichnamige Zistersienserabtei. Obwohl die
herausragende Architektur des im 12. Jahrhundert gegründeten
Klosters seit 1993 unter dem Schutz der UNESCO steht, dient der
Komplex keineswegs nur als Museum. Während das Gros der Anlage
heute durch kommunale Einrichtungen, etwa durch Stadtverwaltung und
Gemeinderat, genutzt wird, beherbergt der Komplex zugleich auch das
Evangelische Seminar Maulbronn. Im Zuge einer Sanierung durch den
Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg beim Amt
Pforzheim, sind die Räumlichkeiten dieser traditionsreichen
Internatsschule so umfassend wie behutsam erneuert worden.
Gallerie
Zu den einstigen Zöglingen der elitären Bildungsanstalt zählen neben Johannes Kepler und Friedrich Hölderlin auch Hermann Hesse. Der Schriftsteller und Nobelpreisträger verarbeitete seine unglückliche Jugend in Maulbronn in der Erzählung Unterm Rad, in seinem Opus Magnum Das Glasperlenspiel findet sich die Schilderung einer Lehranstalt für ausgewählte Zöglinge. Mittlerweile wird am Seminar zwar längst koedukativ gelehrt, der Zutritt aber erfolgt noch immer über das sogenannte „Landexamen”, in dem 25 Schülerinnen und Schüler für jeden Jahrgang ausgewählt werden.
Wer die Prüfungen besteht und aufgenommen wird, wohnt und lernt fortan in der einstigen Klausur, der früheren Klostermühle oder im Jagdschloss, das der Herzog von Württemberg im 16. Jahrhundert auf dem Areal errichten ließ. Die verschiedenen Wohnflügel erhielten im Zuge der Sanierung neue Sanitärräume und Teeküchen. Dabei wurden die Zimmer mit einem eigens entwickelten, modularen Möbelsystem aus geöltem Eichenholz ausgestattet, das auch in den Aufenthaltsräumen Verwendung gefunden hat. Der Speisesaal wurde ins Erdgeschoss verlegt, um alle Schülerinnen und Schüler aufnehmen zu können. Ganz im Osten der Anlage ist ein Küchenneubau mit einer Fassade aus Metallpaneelen errichtet worden.
Die Unterrichtsräume sind im Obergeschoss der früheren Klausur
untergebracht – so etwa im einstigen Dormitorium der
Priestermönche, das sich vom Chor der Klosterkirche nach Norden
erstreckt. Jenseits der Bibliothek, die das Obergeschoss des
nördlichen Querhausflügels einnimmt, sind längs eines Korridors die
Arbeitsräume aufgereiht. Am entgegengesetzten Ende des Ganges, der
das sogenannte „Herrendorment“ seiner Länge nach durchzieht, finden
sich ebenso Unterrichtsräume wie auf der nördlichen Seite des
Kreuzgangs. Prominent liegt der große Hörsaal im Obergeschoss des
Brunnenhauses – geradewegs über dem Wahrzeichen des Klosters mit
seinen drei ineinanderlaufenden Schalen.
Brandschutz: Differenziertes Vorgehen
Vor besondere Herausforderungen wurde die Planungsabteilung
durch die notwendigen Brandschutzmaßnahmen gestellt. So machten die
unterschiedlichen Maßnahmen nicht nur ganz spezifische und teils
verschiedenartige Vorgehensweisen erforderlich; auch galt es,
innerhalb der durch die Denkmalauflagen eng gesetzten Grenzen neue
Fluchtwege anzulegen. Zu einer überraschenden Lösung gelangte man
dabei im Falle des Jagdschlosses: Statt eine Außentreppe als
zweiten Fluchtweg vorzusehen, wurde an der Stelle einer längst
abgebrochenen Stiege eine neue, eingehauste Treppe errichtet. Das
bislang genutzte Stiegenhaus aus den Siebzigerjahren konnte somit
zum neuen Fluchttreppenhaus bestimmt werden.
Weitaus komplizierter nahm sich die Situation im einstigen
Herrendorment aus, hatte es dort bislang noch gar keine
durchgehende Erschließungsstruktur gegeben, wie sie von
behördlicher Seite gefordert wurde. Durch die Umplanung des
Erdgeschosses konnte jedoch Platz für einen neuen Erschließungskern
samt Aufzug geschaffen werden. Zwar weisen die neuen Treppen nicht
die in den Schulbaurichtlinien geforderte Laufbreite von 1,20 m
auf; doch konnte von behördlicher Seite auch die schmalere Stiege
akzeptiert werden, nachdem eine Evakuierungsberechnung gezeigt
hatte, dass das Gebäude innerhalb einer halben Stunde evakuiert
werden kann. Da aber der erste Rettungsweg durch die als „Lichthof” bezeichnete
Halle führt, die im Brandfall möglicherweise nicht mehr zu
passieren wäre, wurde in den oberen Geschossen eine alternative
Fluchtroute durch die innenliegenden Räume geschaffen, die
ebenfalls zum Treppenhaus führt. Zusätzlich wurde die Halle mit
ergänzenden Öffnungen zum Rauch-Wärme-Abzug ausgestattet.
Jeder Brandabschnitt des Klausurbereichs wurde mit
Trockenleitungen versehen, die Räumlichkeiten flächendeckend mit
Brandmeldern ausgestattet. Dabei kamen neben
herkömmlichen, auf die Brandmeldeanlagen geschalteten Rauchmeldern
auch linienförmige Melder zum Einsatz – insbesondere dort, wo eine
Befestigung an der Decke aufgrund ihrer Wölbung oder der lichten
Raumhöhe nicht möglich war. In der Klosterkirche wurde ein
Rauchansaugsystem installiert.
Bautafel
Architektur: Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Pforzheim
Projektbeteiligte: Tragwerksplanung Büro für Baukonstruktionen, Karlsruhe (Statik); Eser, Dittmann, Nehring & Partner, Tamm (Gebäudetechnik); Ingenieurgesellschaft Jergler, Rheinstetten (Elektroplanung); Ingenieurbüro Schuster & Partner, Walzbachtal; Forschungsstelle für Brandschutztechnik, KIT Karlsruhe; Ingenieurbüro AGB, Karlsruhe (Brandschutzgutachten); Fritz Massong, Frankenthal; Thomas Walter Nachrichtentechnik, Ilsfeld; Imtech Deuttschland, Karlsruhe; Siemens, Karlsruhe (Brandmeldeanlagen)
Bauherr/in: Land Baden-Württemberg
Standort: Kloster 12-17, 75433 Maulbronn
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Dirk Altenkirch, Karlsruhe; Sohl Media, Kirchberg/Jagst; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Pforzheim
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