Victorian Tunnelling Centre in Chadstone
Modellscheiben im Tunnelquerschnitt
Der Tunnelbau gehört zu den komplexesten und anspruchsvollsten Aufgaben im Bauwesen. Daher wurde im australischen Chadstone das Victorian Tunnelling Centre (VTC) errichtet, in welchem lokale Fachkräfte im bergmännischen Vortrieb sowie dem maschinellen Tunnelbau aus- und weitergebildet werden. In enger Zusammenarbeit mit der Bauherrin, Rail Projects Victoria - eine Projektgruppe der Behörde für Verkehrsinfrastruktur des Bundesstaates Victoria, entwickelten Grimshaw Architekten aus Melbourne für diesen Zweck ein Gebäude, das nach rein funktionalen Gesichtspunkten entstand und dadurch eine außergewöhnliche Gestalt annimmt.
Gallerie
Im Wesentlichen ist das VTC als konventionelle Stahlkonstruktion ausgebildet, durch die im Innenraum eine stützenfreie und effiziente Nutzung ermöglicht wird. Während die Stirnseiten sowie die Rückseite des quaderförmigen Baus mit gewöhnlichen opaken Sandwichpaneelen verkleidet sind, ist die Schauseite als Industriefassade aus siebenschichtigen Polycarbonatstegplatten umgesetzt, die über die Gebäudehöhe von 10 Metern an einem Stück gefertigt wurden.
Tunnelbau für Ausbildungszwecke simuliert
Auffälligstes Merkmal sind die zwei massiven Tunnelteile, die einige Meter aus der glatten, transluzenten Fassade herausstechen. Während einer der Tunnel als Eingangselement mit raumhoher Glasfassade vorgesehen und mit orangefarbenen Aluminiumblechen ausgekleidet ist, fungiert der zweite von außen sichtbare Tunnel – ein Nachbau eines maschinell aufgefahrenen Tunnels – als Schulungsobjekt für den Betrieb.
Im Innenraum verborgen liegt zudem ein drei Fahrspuren breiter, bergmännischer Tunnel im Maßstab 1:1. Technisches Highlight der Einrichtung ist ein 80 Tonnen schwerer und in Deutschland gefertigter Schneidkopf einer Tunnelbohrmaschine (TBM) – ein äußerst komplexes und schweres Maschinenteil, das an der Spitze einer TBM liegt. Daneben wurden Mehrzweckräume zur Ausbildung von Ingenieuren sowie Tunnelschacht- und Betonauskleidungssimulatoren errichtet. An allen Simulatoren können reale Szenarien erprobt werden.
Glasfassade in Tunnelröhren
Laut Planungsvorgabe sollte die Fassadenkonstruktion im Eingangstunnel möglichst einfach, kosteneffizient und schnell zu realisieren sein. Daher wurden sie als stählerne Pfosten-Riegel-Fassaden ausgebildet. Bedingt durch die runde Geometrie sind alle ausfachenden Isolierverglasungen als Modellscheiben ausgebildet. Die maximalen Abmessungen (b x h) betragen 1.040 mm x 3.220 mm. Aufgebaut sind die Gläser (von innen nach außen) aus 2 x 6 mm Einscheibensicherheitsglas (ESG), 12 mm Scheibenzwischenraum (SZR) und 6 mm ESG. Nach innen ist die Fassade als festverglaste Glaswand ausgebildet. Diese ist ebenfalls als Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgebildet, wobei die Ausfachung in dem gleichen Raster mit monolithischen ESG-Scheiben (10 mm) erfolgte.
Sommerlicher Wärmeschutz
Bereits bei Entwurf und Ausrichtung des Neubaus wurden die grundlegenden Prinzipien der Sonneneinstrahlung für die südliche Hemisphäre beachtet - daher sind die opaken Stirnseiten des Baus nach Ost-West und die Längsseiten nach Nord-Süd ausgerichtet. Dadurch wird der natürliche Tageslichteinfall maximiert und der solare Wärmeeintrag minimiert, um eine Überhitzung der Innenräume in den Sommermonaten zu vermeiden; die opaken Stirnfassaden sind darüber hinaus mit Pflanzen versehen. Eine Sonnenschutzbeschichtung auf Position 4 der Glasfassaden in den Tunneln reduziert die solaren Wärmeinträge zusätzlich.
Bautafel
Architektur: Grimshaw, Melbourne
Projektbeteiligte: Aurecon, Melbourne (Tragwerksplanung, Fassadenplanung, Bauphysik, Brandschutz, usw.); Danpal, Auburn (Polycarbonatplatten); Kingspan, St Marys (Blechpaneele)
Bauherr/in: Holmesglen TAFE, Rail Projects Victoria
Fertigstellung: 2020
Standort: Drummond Street / Ecke Rae Street, VIC 3148 Chadstone, Australien
Bildnachweis: Derek Swalwell; Grimshaw, Melbourne
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