Zahnklinik St-Charles in Longueuil
Absturzsichernde Isolierverglasungen mit statisch wirksamer Verklebung
Der Gang zur Zahnpraxis ist für viele mit Unbehagen verbunden – rund 19 % aller Menschen in Deutschland leiden unter chronischer Angst vor dem Besuch des Facharztes. In solchen Situationen kann der Kontakt zur Natur Abhilfe schaffen, denn er senkt nachweislich den Stress, denen Angstpatient*innen in diesen Momenten ausgesetzt sind. Darauf baut der Entwurf der zahnärztlichen Klinik St-Charles im kanadischen Longueuil von Studio Jean Verville architectes auf: Raumhohe Glasfronten und die offene Grundrissorganisation erlauben während der Behandlung in den lichtdurchfluteten Räumen einen ungestörten Blick in die grüne Umgebung.
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Das 2022 fertiggestellte zweigeschossige Klinikgebäude mit einer Nutzfläche von 2.600 Quadratmetern liegt inmitten von Wohn- und Gewerbegebieten auf einem seit Jahren brachliegenden Grundstück. Die Kubatur setzt sich zusammen aus zwei gestapelten und um 90 Grad zueinander verdrehten Ebenen. Dabei überkragt das erste Obergeschoss den rückseitig anschließenden Parkplatz. Dominierend ist der Werkstoff Glas, der als transparente Trennfläche zwischen Innen- und Außenraum fungiert und die Sonneneinstrahlung in die Innenräume maximiert. Zusammen mit dem strahlend-weißen Innenausbau wird damit eine beruhigende und angenehm-helle Atmosphäre geschaffen. Wichtig ist zudem die visuelle Durchlässigkeit von Glas, die einerseits den Blick in die natürliche sowie urbane Umgebung erlaubt und andererseits Interaktionen mit Passanten fördert.
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Moderne Behandlungsräume mit Blick ins Grüne
Im Erdgeschoss findet sich der Empfang, Büro- und Umkleideräume sowie verschiedene technische Einrichtungen für den zahnmedizinischen Betrieb. Der Empfangs- und Warteraum mit vielen Sitzgelegenheiten ist offen gestaltet und wird konstruktiv von schmalen Stützen in regelmäßigem Raster getragen. Von hier führt eine weiße Metalltreppe mit grauem Stufenbelag ins Obergeschoss; die Absturzsicherung besteht aus einem weißen Metallgitter. Ein großzügiger Deckendurchbruch verbindet die Geschosse auch visuell miteinander und bildet einen offenen und informellen Kommunikationsort aus. Die Grundrisse im Obergeschoss sind so organisiert, dass die 25 Behandlungsräume entlang der Fassade aufgereiht den Blick nach Außen genießen. Sie sind alle mit modernsten Geräten ausgestattet. Zudem gibt es einen kieferorthopädischen Bereich mit zwölf weiteren Behandlungsplätzen sowie Beratungsräume, eine Radiologie, Technik- und Abstellräume, ein Labor und weitere Büros.
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Die Farbe Weiß bestimmt innen wie außen die architektonische Gestaltung: Mobiliar, Deckenuntersichten, Leuchten sowie die Fassaden- und Deckenkonstruktion fügen sich einheitlich dieser Dominanz. Lediglich der glänzende graue Terrazzoboden und die Behandlungsstühle mit camelfarbenen Polstern brechen durch ihre dezenten Farbnuancen mit dieser Monochromie. Durch die sichtbaren konstruktiven Elemente wie die gekreuzten Unterzüge an der Decke, das Metallgitter als Absturzsicherung sowie die Fensterkonstruktion erlangt der Innenraum eine komplexe Tiefe und Dynamik. Mit dem einfallenden Tageslicht entsteht dadurch ein spannungsvolles Schattenspiel, das zur außergewöhnlichen Atmosphäre der Praxis beiträgt.
Geringe Energieverluste dank Low-E-Glas
Die Gebäudehülle ist als Vorhangfassade in Pfosten-Riegel-Bauweise ausgebildet. Die Aufteilung der einzelnen Fassadenfelder folgt dabei einem einheitlichen Fassadenraster von ca. einem Meter, wobei die regelformatigen, ausfachenden Festverglasungen eine Höhe von etwa 2,50 Meter aufweisen. Diese sind als absturzsichernde Zweifach-Isolierverglasungen aus Weißglas ausgebildet, sodass die übliche grünliche Eigenfarbe von Floatglas vermieden wird. Durch die Ausbildung raumhoch verglaster Fassadenflächen wird die natürliche Tageslichtnutzung bis in tiefe Gebäudebereiche möglich. Um Energieverluste über die hohen Glasflächenanteile zu minimieren, kam sogenanntes Low-E-Glas zum Einsatz.
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Statisch wirksam verklebte Isolierverglasungen
Die Vertikalverglasungen sind in der Fassadenkonstruktion über eine Structural Glazing Verklebung befestigt. Bei diesem konstruktiven System wird das Eigengewicht des Glases über mechanische Glasträger entlang der unteren horizontalen Glaskante abgetragen. Gegenüber Windsogbeanspruchung erfolgt der Lastabtrag hingegen ohne sichtbare Anpressleisten ausschließlich über die statisch wirksame Randverbundverklebung der Isoliergläser und den darin befestigten Eindrehhaltern – die in der endgültigen Einbausituation optisch verschwinden. Damit ist die Tragstruktur außen nicht sichtbar, sodass im Ergebnis eine äußerst glatte, ungestörte Fassadenansicht entsteht. Zum Schutz gegenüber atmosphärischer Beanspruchung ist der Glasfalz mittels Wetterversiegelung flächenbündig mit der Glasebene verschlossen.
Bautafel
Architektur: Studio Jean Verville architectes, Montréal
Projektbeteiligte: Solidem - Michel Chapdelaine, Beloeil (Generalunternehmer); Geniex, Montréal (Tragwerksplanung); InGang Design, Longueuil (Tiefbau); Lumentruss, Montréal (Beleuchtung); Mire Électrique, Saint-Jean-Sur-Richelieu (Elektrotechnik); Arcopel acoustique Ltée, Montréal (Akustikdecke); Ébénisterie du Franc Bois inc., Repentigny (Schreinerei); Revêtements Métalliques Fortin Inc, Repentigny (Fassadenkonstruktion); Vitrelam Inc., Châteauguay (Glashersteller)
Bauherr/in: Dr. Anh Tuan Nguyen, Longueuil
Fertigstellung: 2022
Standort: 520 Rue Saint-Charles O suite 1, Longueuil, QC J4H 2L6, Kanada
Bildnachweis: Maxime Brouillet; Studio Jean Verville architectes
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