Chadstone Shopping Centre in Melbourne
Frei geformtes Dach mit kaltgebogenen Isolierverglasungen
Das 1960 in Melbourne eröffnete Chadstone Shopping Centre war damals das größte Einkaufszentrum Australiens. Dem nicht genug, stieg die Nachfrage nach weiteren Verkaufsflächen so kontinuierlich, dass es um immer neue Bauten ergänzt wurde – seit den 1980er-Jahren sind die Architekturbüros Callison RTKL und The Buchan Group an dem Dauerprojekt beteiligt. Ihre letzte Erweiterung schlängelt sich in etwa v-förmig zwischen Bestandsbauten, mit einer organisch gewölbten Dachkonstruktion, die alle Blicke auf sich zieht.
Gallerie
Der Neubau, dessen Passagenstränge im Nordosten aufeinandertreffen, vereint auf zwei Geschossen etwa hundert neue Geschäfte, Gastronomie- und Freizeitbetriebe. Die obere Etage ist als Galerie konzipiert. Der gesamte Komplex wird überspannt von einer über 7.000 Quadratmeter großen Stahl-Glas-Konstruktion, die für reichlich Tageslicht sorgt. Mit einer Gesamthöhe von 31 Metern, bis zu 260 Metern Länge und einer maximalen Spannweite von 44 Metern, handelt sich es um ein komplexes Freiform-Schalentragwerk, das unter Anwendung computerbasierter 3D-Modelling-Software entwickelt wurde. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Stuttgart und Bath verknüpfte man kritische Faktoren wie die Dachform, die statische Struktur sowie die Biegung der einzelnen Glasscheiben und arbeitete sie über detailgenaue Renderings und Videoanimationen im Kontext aus.
Insgesamt 500 Tonnen Stahl in Form von 5.168 Stäben, 2.810 Stahlknoten und vier unterschiedlich geschweißten Profiltypen, außerdem 54 zweidimensional gebogene Randträger mit einer Länge von über zehn Metern wurden für die Gitterstruktur verbaut. Durch die großformatigen Abmessungen und die extremen klimatischen Bedingungen vor Ort ist über die gesamte Dachfläche eine Längenänderung von bis zu 135 Millimetern zu erwarten. Um eine statisch bestimmte und zwangsfreie Lagerung des Schalentragwerks zu gewährleisten, war für die gesamte Konstruktion ein gleitendes Auflager erforderlich.
Glas
Die eigentliche Dachfläche bilden insgesamt 2.672
Isolierverglasungen mit Abmessungen zwischen 0,60 und 5,70
Quadratmetern. Aufgrund der freigeformten Geometrie waren insgesamt
30 unterschiedliche Dreiecksscheiben und 2.642 unterschiedliche
Viereckscheiben erforderlich. Die dreidimensionale Form bedingte
zudem, dass jede Isolierverglasung eine individuelle sphärische
Krümmung aufweist. Diese wurde mit dem Kaltbiegeverfahren
realisiert, bei dem die zunächst ebenen Isolierverglasungen während
der Montage in die Unterkonstruktion gezwängt wurden. Die
Formgebung wird dabei über eine dauerhafte mechanische Fixierung
der Verglasung (Klemmhalter) aufrechterhalten, wobei die durch die
Krümmung der Verglasung resultierenden Rückstellkräfte in das
Stabtragwerk der stählernen Unterkonstruktion eingeleitet werden.
Da es sich um eine Zwangsbeanspruchung handelt, müssen die
resultierenden Eigenspannungen bei der statischen Dimensionierung
der Verglasung berücksichtigt werden. Im Gegensatz zum Warmbiegen
entstehen bei diesem Verfahren keine lokalen Verwerfungen der
Glasoberfläche, sodass eine sehr homogene Wirkung erreicht wird. Da
sich das Bauwerk in Australien befindet, war neben den üblichen
Einwirkungen auch der Widerstand gegenüber Hagel nachzuweisen, wie
es in dem Land vorgeschrieben ist.
Der Glasaufbau der betretbaren Isolierverglasungen beträgt von
außen nach innen 10 mm ESG (mit Sonnenschutzbeschichtung auf Pos. 2) /
16 mm SZR
(Argon) / VSG aus 2 x 6 mm TVG. Das Gesamtgewicht der Verglasungen
beträgt 400 Tonnen, wobei das Gewicht der einzelnen Verglasungen
zwischen 35 und 325 Kilogramm variiert.
Bautafel
Architekten: Callison RTKL, Baltimore (Entwurf); The Buchan Group, Melbourne (Ausführung)
Projektbeteiligte: Universität Stuttgart und Unversität Bath (3D-Modelling); Atelier One, London (Tragwerksplanung); Seele, Gersthofen (Stahl-/Glaskonstruktion)
Bauherr: Vincinity Centres, Melbourne
Fertigstellung: 2016
Standort: 1341 Dandenong Rd, Chadstone VIC 3148, Australien
Bildnachweis: Seele, Gersthofen; Vincinity Centres, Melbourne; Aaron Pocock
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