_Beton
Verwaltungsgebäude in Aitrach
Raummodule in Sandwichhülle
Ein Gebäude mit Vorgeschichte: Der Vorarlberger Architekt Jochen Specht hatte zunächst nur Ausschau nach einem Betonfertigteilhersteller gehalten, der Raumzellen produzieren kann, in die sich auch die Haustechnik integrieren lässt. Beim Unternehmen Marbeton in Aitrach wurde er fündig. Dieses begeisterte sich im Gegenzug für die Idee, einen Prototyp für kostengünstige Wohnbauten auf der Basis von Raumzellen zu entwickeln.
Gallerie
Mit einem entsprechenden Konzept schaffte es das Team im Rahmen des Wettbewerbs „Smart Price Houses“ der IBA Hamburg 2013 bis in die Finalrunde. Als einige Jahre später bei Marbeton der Neubau eines Verwaltungsgebäudes anstand, nutzte man die Chance, das damals erarbeitete Prinzip mit leichten Modifikationen in die Praxis umzusetzen.
Zentrales Nervensystem
Leitgedanke des Entwurfs ist die Aufteilung in dienende und
bediente Räume. Erstere bilden – als Zellen ausgeführt – das
Rückgrat des Gebäudes und beherbergen unter anderem die WCs,
Nebenräume und Teeküchen. Zudem sind alle horizontalen und
vertikalen Leitungen der Haustechnik hier angeordnet.
Auf den beiden Längsseiten der aneinandergereihten Module lagern sich hingegen die bedienten Räume an. Diese Flächen sind zwar in einzelne Räume unterteilt, die Trennwände können aber bei Bedarf mit überschaubarem Aufwand angepasst werden. Alle Lasten werden über die Raumzellen und die Außenwände abgeleitet.
Verstecktes Innenleben
Durch die Vorfertigung – und die benachbarte Lage des
produzierenden Werkes – konnte der Rohbau des Gebäudes in nur
wenigen Wochen montiert werden. Auch die Technik wurde so weit wie
möglich in die Bauteile integriert: Heizung und Kühlung des
Gebäudes etwa erfolgt über die Bauteilaktivierung der Decken.
Zusätzlich ließ das Planungsteam in einigen Räumen eine
Fußbodenheizung im Estrich
verlegen. Versorgt werden die Systeme über eine Erdwärmepumpe.
Beton: Aus dem Werk und vor Ort gefertigt
Raumzellen, Sandwichelemente, vorgefertigte Deckenplatten,
Doppelwände und Ortbeton:
Für das Verwaltungsgebäude wurde Beton auf viele verschiedene Arten
verarbeitet. Fundamente und erdberührte Kellerwände ließ das
Planungsteam dabei in Ortbeton ausführen beziehungsweise als
vorgefertigte Doppelwandelemente verwirklichen, die mit Beton
ausgegossen wurden. Abgedichtet wurde konventionell nach dem
Prinzip der Schwarzen Wanne.
Raumzellen
Unter dem Untergeschoss befindet sich ein Kriechgang, der der
horizontalen Leitungsführung beziehungsweise der Zusammenführung
aller haustechnischen Installationen dient. Darauf sitzen die
Raumzellen, die in einem Stück und mit einer Technik hergestellt
wurden, die an den Fertiggaragenbau erinnert. Bei Marbeton steht
dafür eine im Boden versenkbare, quaderförmige Stahlschalung zur
Verfügung, mit der sich die Module betonieren lassen. Im
gewünschten Abstand werden davor die äußeren Schalungselemente
positioniert. Da die Zellen mit offenen Decken ausgeführt werden
sollten, wurden sie verkehrt herum produziert. Einlagen aus Stahl,
Holz oder Styropor lassen Durchbrüche sowie Fenster- und
Türöffnungen entstehen.
Sandwichelemente
Die Außenhülle des Gebäudes besteht aus
Stahlbeton-Sandwichelementen. Diese sind circa 44 cm dick, mit
einer etwa 8 cm starken äußeren und einer 18 cm starken tragenden
inneren Schicht mit dazwischenliegender Dämmung. Betoniert wurden
sie liegend in einer Wanne, wobei die Sichtbetonfläche zuerst
gegossen wurde. Bei den anthrazitfarbenen Elementen wurde der Beton
mit einem Zuschlag
aus dunklen Farbpigmenten versehen. Bei der Montage entstehen – der
Bauweise entsprechend – circa ein Zentimeter starke Elementfugen,
die sorgfältig mit Silikon abgedichtet wurden.
Fertigteildecken
Auch bei den Decken handelt es sich um Fertigteile, die für die
Bauteilaktivierung vorkonfektioniert wurden. Sie reichen jeweils
von dem Auflager in den Außenwandelementen bis zur Raumzellenwand.
Verbindungen der Heiz- und Kühlschläuche über den Modulkern hinweg
verbergen sich im Zwischenraum zwischen der Unterseite der
Raumzellen und der abgehängten Decke, mit Ausnahme des
Treppenhauses und des Aufzugsschachts. -chi
Bautafel
Architektur: Architekt Jochen Specht, Dornbirn
Projektteam: Jochen Specht, Maximilian Goes
Projektbeteiligte: Marbeton Fertigteilbau, Aitrach (Tragwerksplanung); kto engineering, Bad Grönenbach (HKLS-Planung); Kettner & Baur, Memmingen (Elektroplanung)
Bauherrschaft: Marbeton Fertigteilbau, Aitrach
Standort: Oberhauser Weg 22, 88319 Aitrach
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Adolf Bereuter, Dornbirn; Architekt Jochen Specht, Dornbirn
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