Umbau und Sanierung: Palast der elektrischen Betriebe in Prag
Dem Tonerdezement auf der Spur
Die Moldau teilt Prag in zwei Hälften und gehört mit der
Karlsbrücke, einigen ufernahen Museen sowie mehreren grünen
Flussinseln zu den Anziehungspunkten der Stadt. Auch ein mit weißen
Fliesen verblendeter Palast befindet sich unweit des breiten
Stroms. Prunkvolle Gemächer befanden sich in dem Bau aus den
1930er-Jahren jedoch nie. Heute sitzen Leute aus der Werbebranche
im Palast der elektrischen Betriebe – auf Tschechisch
Palác elektrických podniků. Dass dort wieder
gearbeitet werden kann, ist der mühevollen Sanierung unter Leitung
der TaK Architects zu verdanken.
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Weiße Flächen, fein komponierte Kuben, klare Kanten,
großformatige Fenster und Übereckverglasungen – die dem
Funktionalismus zugerechnete Architektur entwarfen einst Adolf Benš
und Josef Kříž. Von 1930 bis 1935 wurde gebaut, dann konnten die
Mitarbeitenden der Städtischen Verkehrsbetriebe und der Behörde für
Elektrizität ihre Büros beziehen.
Die Hauptansicht ist heute einem weiträumigen Straßenknoten
zugewandt, von dem eine Brücke mit vier Auto-, zwei Straßenbahn-
und vier Fahrradspuren über die Insel Štvanice hinweg in die
Südhälfte der Stadt führt. Das Immobilienunternehmen CPI Property
Group übernahm den Palast am Verkehrsknäul im Jahr 2014. Auf der
Webseite des Bürohauses werden „Inspirational offices oozing First
Republic elegance“ versprochen, von denen in einigen aktuell
Werbetexter*innen und Webdesigner*innen arbeiten.
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Vielgliedriger Büropalast
Der – einem Renaissance-Schloss gleich – symmetrische
Komplex verfügt über ein zentrales, repräsentatives Atrium. Bis zum
vierten Obergeschoss erstreckt sich der beeindruckende, von
Galerien gesäumte Raum, den eine kleinteilig gerasterte
Beton-Glas-Decke überspannt. Darüber befinden sich zwei weitere
Geschosse. Der Palast ist überwiegend als Stahlbetonskelettbau
errichtet worden. Die freien Grundrisse waren durch leichte
Trennwände in einzelne Büros unterteilt worden – rechts vom Atrium
für die Städtischen Verkehrsbetriebe, links für die Behörde für
Elektrizität. Die ursprünglichen Parzellen sind im Zuge des Umbaus
weitgehend in Großraumbüros umgewandelt worden.
Weitere Arbeitszimmer befinden sich in den zwei T-förmig
anschließenden, fünfgeschossigen Seitenflügeln. Rückwärtig schließt
ein kammartig strukturierter, dreigeschossiger Trakt mit drei
Lichthöfen an. Zur Straße hin sind zwei Flachbauten in die T-Form
des Hauptbaukörpers eingeschoben, deren Schaufenster einst
Haushaltsgeräte präsentierten. Darüber fasst ein umlaufend
verglastes, hervorstehendes Galeriegeschoss die Gebäudeecken,
während jeweils ein großzügiges Atrium die Mitte ausfüllt.
Das Gebäude wurde mit – für die Verhältnisse der 1930er-Jahre –
modernster Technik ausgestattet, darunter eine Warmluftheizung.
Neben einer guten Klimatisierung der Zellenbüros hatte auch die
Erholung des fahrenden Personals einen hohen Stellenwert, das in
den oberen Geschossen eine Kantine, Ruheräume und Terrassen
vorfand. Im Untergeschoss des straßenseitigen Gebäudeteils
ergänzten ein Vortrags- und ein Kinosaal sowie große
Ausstellungsflächen das Raumangebot. Während des Umbaus wurde das
Untergeschoss unter dem kammartigen Bürotrakt um eine große
Parkgarage erweitert.
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Sanierung mit jahrlanger Vorarbeit
Bei der Umgestaltung des Palasts standen die Planer*innen vor
der Herausforderung, das Gebäude zugleich denkmalpflegerisch zu
behandeln, statisch zu sichern und heutigen Anforderungen an
Arbeitsräume, technische Anlagen und Brandschutz anzupassen.
Besonders wichtig waren dabei die Sanierung der Betonfundamente und
die Erneuerung der charakteristischen, jedoch kaum dämmenden
Gebäudehülle.
Den Maßnahmen ging eine jahrelange Untersuchung und Suche nach
Lösungen für die Mängelbehebung und den Umbau des Palasts voraus.
Die Mitarbeitenden von TaK erstellten zusammen mit Studierenden
eine Art Gebäudepass, für den sie in zehnjähriger Kleinarbeit alle
Bauteile erfassten und bewerteten, damit möglichst viele von ihnen
wieder zum Einsatz kommen konnten. Zusätzlich war das
Architekturbüro auf die Arbeit von Fachleuten für Baugeschichte,
Restauration, Bauwerksversagen und Baumaterialien angewiesen sowie
auf die Analysen der involvierten Baustofflabore.
Im Zuge der statischen Beurteilung des Bestands wurden der
Stahlskelettbau und die Fundamente getrennt betrachtet. Eine
Sichtprüfung der tragenden Bauteile ließ keine statisch relevanten
Schäden erkennen, sodass davon ausgegangen wurde, dass die
Tragfähigkeit für eine erneute Büronutzung ausreichend sein würde.
Bei den Umbauten musste darauf geachtet werden, schwere Trennwände
innerhalb der Deckenfelder sowie zusätzliche Belastungen durch neue
technische Anlagen zu vermeiden.
Ein größeres Problem stellte hingegen die Ertüchtigung der
Fundamente dar. Aus historischen Unterlagen war bereits bekannt,
dass für deren Bau neben dem herkömmlichen Portlandzement auch
Tonerdezement verwendet wurde. Der aus heutiger Sicht ungeeignete
kalziumaluminathaltige Beton ist hier einer Umgebung mit
schwankendem Grundwasserspiegel ausgesetzt. Die Feuchtigkeit kann
Hydratationsprozesse beschleunigen, die die molekulare Struktur des
Betons verändern. Die Folge: Die ursprüngliche Festigkeit sinkt
drastisch und die Fundamente werden porös.
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Sorgfältiges Bestandsstudium als Planungsgrundlage
Um herauszufinden, welche der über 280 Punkt- und
Streifenfundamente des Palasts besonders gefährdet waren, wählte
das Architekturbüro einige von ihnen für eine detaillierte Analyse
aus. Mit der Untersuchung wurde das Klokner-Institut der
Technischen Universität in Prag beauftragt, das sich auch der
Fassadenverkleidung widmete.
Insgesamt wurden 106 Kernbohrungen entnommen, davon 28 aus den
Fundamenten, die Tonerdezement enthalten. Die übrigen enthielten
Zement
auf Portlandklinkerbasis, also reinen Portlandzement oder
Mischzement. Die Kernproben wurden in das Prüflabor des
Klokner-Instituts gebracht, wo das Gefüge des Betons beschrieben,
fotografisch dokumentiert und anschließend einer zerstörenden
Druckfestigkeitsprüfung unterzogen wurde. Die Standorte der
einzelnen Kernbohrungen und die Ergebnisse der Prüfungen sammelten
die Mitarbeitenden des Instituts in einem detaillierten
Gutachten.
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Die ermittelten Würfelfestigkeiten der tonerdezement- wie der
portlandzementhaltigen Betone schwankten stark. Schließlich wurde
für den Tonerdezementbeton die Festigkeitsklasse C8/10 festgelegt und für den
Portlandzementbeton C20/25.
Nachdem der bedenkliche Zustand der Fundamente festgestellt
worden war, wurde ein Arbeitsplan aufgestellt. Die sukzessive
Beprobung und die sofortige Laborauswertung dienten den
Geotechniker*innen und Statiker*innen als Planungsgrundlage.
Schließlich wurden alle ursprünglichen Fundamente durch
Tiefgründungen mit Mikropfählen gestützt.
Bautafel
Architektur: Adolf Benš und Josef Kříž (Bestand) TaK Architects (Umbau und Sanierung) Projektbeteiligte: Technical design: AED Project; Building STATICS (Statik/Tragwerksplanung); Lubomír Guziur (Heizung und Kühlanlagen); František Kubec (Belüftungstechnik); IKKO, Bohuslav Kouba (Installationen); ACDC, Jiří Schaffer, Ivana Kadlecová (Starkstromanlagen); Forgys, Ivo Tříska (IT); RM Plan, Ing. Vladimír Píša (Sicherheitstechnik /BMS); František Chuděj, Pavol Ondruš (Brandschutz); Klokner Institute – Czech Technical University, Prag (Untersuchung Betonfundamente und Fassade) Bauherr*in: CPI Property Group Standort: Bubenská 1, Bezirk 7-Holešovice, 170 00 Prag, Tschechien Fertigstellung: 1935 (Bestand); 2020 (Umbau und Sanierung) Bildnachweis: KIVA (Fotos); TaK Architects (Pläne)
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