Umbau: Bürogebäude Bellerivestrasse 36 in Zürich
Verschattung durch Energie
Am Ufer des Zürichsees, umgeben von einem öffentlichen Park, steht das revitalisierte Bürogebäude Bellerivestrasse 36. Ursprünglich 1974 errichtet, präsentierte sich der Bau über Jahrzehnte hinweg als typischer Vertreter der Spätmoderne: etwas klotzig, mit seiner Bandfensterfassade durchaus elegant, aber zunehmend unzeitgemäß im Hinblick auf Energieeffizienz, Aufenthaltsqualität und stadträumliche Integration. Unter der Leitung des skandinavischen Büros C.F. Møller Architects in Kooperation mit Burckhardt Architektur wurde das Bestandsgebäude nun grundlegend modernisiert und in ein offeneres und vor allem klimagerechtes Bürohaus verwandelt. Eine Schlüsselrolle für den passiven sowie aktiven Energiehaushalt spielen künftig auskragende Überkopfverschattungen mit integrierten Photovoltaik-Modulen.
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Tragwerk und Hülle: Erhalt und Erneuerung in Balance
Das Gebäude basiert auf einem Stahlbeton-Skelettbau mit Flachdecken und tragenden Stützenachsen. Die bestehende Konstruktion wurde im Zuge der Sanierung weitgehend erhalten, punktuell verstärkt und technisch ertüchtigt. Die Gebäudehülle ersetzten die Planenden vollständig und führten sie als transparente, vorgehängte Konstruktion aus.
Der siebengeschossige Hauptbaukörper blieb in seiner Grundform erhalten, wurde jedoch um niedrigere, zurückgestaffelte Gebäudeflügel ergänzt. In Kombination mit den flach geneigten Vordächern erinnert die rechteckige Grundform mit abgestuften Volumen an Pagodenarchitektur. Diese folgt der Topografie des angrenzenden Parks und kaschiert die technische Grundidee geschickt. Auf den Dächern entstanden begrünte Terrassen, die als ökologische Ausgleichsflächen und Aufenthaltsbereiche genutzt werden.
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Innenräume: Holz, Licht und ein zentrales Atrium
Der Innenraum ist auf Nutzerkomfort und Aufenthaltsqualität ausgerichtet. Ein über alle Geschosse verlaufendes Atrium bildet das räumliche Zentrum und sorgt für Tageslicht, natürliche Belüftung und soziale Begegnung. Offene Treppenläufe und Treffpunkte fördern Kommunikation und Bewegung im Alltag. Ergänzt wird das Konzept durch eine gezielte Materialwahl: Holzoberflächen in den Liftkernen schaffen eine warme, haptische Atmosphäre – im bewussten Kontrast zur Hightech-Außenhülle.
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Sonnenschutz: Vordachsystem mit integrierter Photovoltaik
Für den Sonnenschutz der großflächigen Festverglasungen entwickelte das Architektenteam eine integrative Lösung: Ein umlaufendes, trapezförmiges Vordachsystem mit integrierten Photovoltaik-Modulen (BIPV) übernimmt gleichzeitig die Funktion der Verschattung, Energiegewinnung und Fassadengestaltung.
Die Vordächer sind rund 1,8 Meter tief auskragend und folgen dem Fassadenraster. Mit einem Neigungswinkel von 25 Grad sind sie nicht nur optimal auf den Sonnenstand ausgerichtet, sondern reduzieren auch effektiv die direkte solare Einstrahlung. Dadurch wird der Wärmeeintrag in die Innenräume verringert und Blendeffekte minimiert – ganz ohne konventionelle außenliegende Verschattungssysteme. Innenliegende Blendschutzsysteme und eine technikintegrierte Entlüftung zwischen Glas und Schutzebene ergänzen das System.
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Das Projekt erfüllt hohe Nachhaltigkeitsstandards und wurde mit LEED Platinum (Core and Shell) sowie dem Schweizer Minergie-Label ausgezeichnet. Statt eines ressourcenintensiven Neubaus wurde bewusst auf die Weiterverwendung der vorhandenen Tragstruktur gesetzt. Neben den ökologischen Dachflächen mit lokaler Bepflanzung spielen vor allem die energieerzeugenden Verschattungselemente eine zentrale Rolle.
Photovoltaik: Leistung, Technik und Wartung
Die PV-Module wurden vom Hersteller Megasol eigens für das Projekt gefertigt. Sie bestehen aus strukturierter Glas-Glas-Technologie mit einer champagnerfarbenen Siebdruckbeschichtung, die je nach Lichtverhältnissen changiert und die Aluminiumunterseiten der Vordächer farblich aufgreift. Die Module sind mit sogenannten Backrails mechanisch auf einer Stahlunterkonstruktion montiert, die sowohl die Vordächer trägt als auch die PV-Integration ermöglicht.
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Insgesamt wurden 1.723 Module auf einer Fläche von rund 3.690 m² installiert. Zusammen mit einer zusätzlichen Anlage auf dem Flachdach liefert das System eine Gesamtleistung von ca. 478 kWp, womit etwa 50 % des Strombedarfs des Gebäudes gedeckt werden. Überschüsse werden in das benachbarte Gebäude eingespeist; perspektivisch ist eine Speicherlösung vorgesehen. Die PV-Module sind auf eine Punktlast von 1 kN ausgelegt und können mithilfe von Skyworker-Einheiten gereinigt werden. Aufgrund ihrer strukturierten Oberfläche ist eine etwas höhere Reinigungsfrequenz zu erwarten als bei glattem Glas.
Bautafel
Architektur: C.F. Møller Architects mit Burckhardt Architektur, Zürich (lokales Architekturbüro)
Projektbeteiligte: Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein (Fassadenplanung); PZM, Zürich (Gebäudetechnik); Uniola, Zürich (Landschaftsplanung); IBG Engineering, St. Gallen (Elektroplanung); Gruner Wepf, Zürich (Tragwerksplaunung)
Bauherr*in: Allreal Generalunternehmung
Fertigstellung: 2024
Standort: Bellerivestrasse 36, Zürich
Bildnachweis: Mark Hadden (Fotos); C.F. Møller Architects (Pläne)
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