Zentrale der Sächsischen Aufbaubank in Leipzig
Markanter Säulenwald für Sonnenschutz und mehr
159 schlanke, pilzköpfige Säulen strecken sich unweit der Kreuzung von Gerberstraße und Tröndlinring, nicht weit vom Leipziger Hauptbahnhof, rund fünf Geschosse in die Höhe. Mit diesem Entrée ist der neue Sitz der Sächsischen Aufbaubank (SAB) in Leipzig ist bereits von weitem nicht zu übersehen. Den 2021 fertiggestellten Neubau wurde vom Architekturbüro ACME entworfen, mit Sitz in London und Berlin.
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Bei der 1991 gegründeten SAB handelt es sich um die Förderbank des Freistaates Sachsen. Sie wickelt Zuschüsse und Darlehen für Wohnen, Bildung und Soziales ab. Im Jahr 2012 hatte der Landtag beschlossen, den Hauptsitz von Dresden nach Leipzig zu verlegen. Die Förderbank ist nicht die erste Nutzerin des ausgewählten Geländes: Die grünen Inseln und das Wasserspiel des steinernen Vorplatzes soll Bezug nehmen auf den Löhrs Garten, einer an dieser Stelle um 1777 nach Plänen von Johann Dauthe angelegten, privaten, jedoch öffentlich zugänglichen Parkanlage.
Von 1969 bis 2012 stand hier ein Verwaltungs- und Schulungszentrum des DDR-Kombinats Robotron, das auf Datenverarbeitung und Elektronik spezialisiert war. Der von den Leipziger Architekten Rudolf Skoda und Ulrich Quester entworfene, mit industriell vorgefertigten Elementen errichtete Bau war der zentrale Ausbildungsort für Computertechnik in der DDR. Von dem Gebäude sind vier denkmalgeschützte, von Arno Rink, Frank Ruddigkeit und Klaus Schwabe entworfene Wandreliefs übriggeblieben, von denen aktuell drei im Ausstellungsbereich des Neubaus besichtigt werden können.
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Zwischen Stadt und Gebäude vermitteln
Das Architekturbüro hatte 2013 den ausgeschriebenen Wettbewerb für den Neubau gewonnen. Die Jury lobte den Entwurf als „plastischen Stadtbaustein“. Umgeben ist der Neubau auf der einen Seite von den Resten der im 18. Jahrhundert entstandenen Blockstruktur, während auf der anderen Seite die Solitäre und weiträumigen Verkehrsflächen des autogerechten Städtebaus des 20. Jahrhunderts liegen. Die Planenden wollten in diesem Kontext ein Bindeglied schaffen, das zum Straßenraum hin klare Kanten bildet, ohne jedoch den Blockrand hermetisch zu schließen.
Anstatt das Bankgebäude also – wie bei historischen Beispielen oft der Fall – auf einen Sockel zu stellen, gibt es einen ebenerdigen, mit dem Stadtraum verschmelzenden Vorhof. Auch einen Säulenportikus gibt es nicht. Stattdessen bildet ein Kranz schlanker Betonstützen eine weichere Grenze zwischen Innen und Außen. So laufen die Fußgänger*innen, die sich vom Tröndlinring und der Gerberstraße nähern, nicht auf eine massive Fassade zu, sondern können durch die Säulen hindurch schreiten, die den großen, halb-öffentlichen Vorplatz definieren.
Der frei zugängliche Raum, von der SAB „Forum“ genannt, soll die Förderbank des Freistaates Sachsen repräsentieren. Die teilweise begrünte, teilweise topographisch geformte Hoflandschaft eignet sich für Picknicks und Konzerte, zum Verweilen und Spielen und soll auch großen, offiziellen Veranstaltungen Platz bieten. Zum Forum hob die Wettbewerbsjury hervor: „Die Arbeit stellt eine innovative, im Vergleich zu den anderen Projekten visionäre Lösung dar, die sich in einem markanten, unverwechselbaren Erscheinungsbild manifestiert. Besonders hervorzuheben ist die symbiotische Einheit aus Gebäude und Freiflächengestaltung.“
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Vielseitiges Erdgeschoss
Das L-förmige, fünfgeschossige Verwaltungsgebäude, das den Vorhof im Norden und Westen rahmt, besteht aus zwei Gebäudeflügeln. Diese sind in den unteren Geschossen voneinander getrennt, um eine Verbindung zum Waldstraßenviertel herzustellen. Im Erdgeschoss des westlichen Flügels liegen ein Konferenzbereich für ca. 50 Personen und ein Betriebsrestaurant, das zum Forum orientiert und abends der Öffentlichkeit zugänglich ist. Das Erdgeschoss des nördlichen Flügels beherbergt einerseits Rezeption, Empfang und Kundenberatungsräume der SAP. Hinzu kommen ein zum Forum gerichtetes Auditorium für 200 Gäste und zur Gerberstraße liegende Ausstellungsflächen.
In den Obergeschossen sind 500 Büroarbeitsplätze angesiedelt. Hier wurden verschiedene Module und Raumtypen wie Flex Office, Alkoven, Silent Room, Think Tank oder Open Space umgesetzt, die gemeinsam mit den Mitarbeitenden in Workshops entwickelt worden waren. Offene Treppen und Balkone zum Forum hin sollen die Kommunikation unter den Beschäftigten fördern. Die Tiefgarage fasst ca. 170 Pkws und 110 Fahrräder, für die auch Ladesäulen zur Verfügung stehen. Außerdem ist hier die komplette Gebäudetechnik untergebracht.
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Skelettbau und weiße Wanne
Ein Stahlbetonskelettbau mit aussteifenden Kernen ermöglicht eine große Flexibilität bei Ausbau und späteren Anpassungen. Die Spannweiten der Stahlbetonflachdecken wurden so gewählt, dass sie sich bei einer Stärke von 30 cm möglichst kostengünstig errichten ließen und und die Haustechnik kollisionsfrei eingebaut werden konnte. Die Sichtbetondecken tragen als sogenannte aktivierte Decken zur Kühlung der Innenräume bei.
Die Tiefgarage wurde wegen der Grundwasserstände vor Ort als weiße Wanne, sprich als wasserundurchlässiges Bauwerk ausgebildet. Als Gründung dient eine 80 cm dicke Stahlbetonplatte. In Bereichen wie dem Forum, wo das Untergeschoss nicht durch das Gebäude überbaut ist, entstehen durch den hohen Grundwasserstand Auftriebskräfte. Deshalb wurden in einem Teilbereich Zugankersysteme eingebaut und die Baugrube mittels 30 Meter tief in den Baugrund eingreifenden Dichtwände hergestellt.
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Schützende Stützen
Das Dach der Gebäudevolumen wurde in Ortbeton erstellt. Über den Rändern des Forums jedoch tragen die 22 Meter hohen Stützen ein Stahltragwerk, das von einem textilen Gewebe umhüllt ist. Zu den 159 Säulen, die den Vorhof einrahmen, kommen 92 weitere. Davon sind 68 freistehend sowie 24, die den Bau durchdringen. Sie sind nicht nur ein gestalterisches Element. Die Wettbewerbsjury ging davon aus, dass die Vielzahl der Stützen die Lärmbelastung durch die angrenzende Gerberstraße auf den Freiraum und das Gebäude reduzieren wird und dass die pilzförmigen, kapitellartigen Stützenköpfe, von den Architekturschaffenden Canopies genannt, wesentlich zur Beschattung der Fassaden und zur Reduktion des Kühlungsbedarfes beitragen werden. Zusätzlich tragen die innen hohlen Säulen zur Dachentwässerung und die Entrauchung der Tiefgaragen bei.
Zur Herstellung der Schleuderbetonstützen wurde im Werk vorgespannter Beton mit zwanzigfacher Erdbeschleunigung an die Schalwandung der längs rotierenden Stahlformen gepresst und hochverdichtet. Auf diese Weise wurde eine Wandungsstärke 10 cm erreicht, bei Durchmessern von 0,4 bis 1,1 Metern. Die vorgefertigten Bauteile wurden in einem Stück mit Schwertransportern auf die Baustelle geliefert, mit Hilfe von zwei Kränen aufgestellt und im Kellergeschoss verankert, mit sowohl gelenkig als auch biegesteif ausgebildeten Fußpunkten. Anschließend wurden die im Vorfeld auf der Baustelle zusammengebauten Canopies mit Hilfe eines Krans und eines Hubsteigers auf die Stütze montiert und biegesteif angebunden. Die Kapitelle weisen einen Durchmesser von 2,5 bis 5 Metern auf und bestehen aus einer Stahlkonstruktion, die mit einem PTFE-Glasfasergewebe bespannt ist. Einigen Säulen fehlt ein solches Canopy. Sie sind stattdessen mit einem schirmkragenartigen Fertigteil versehen, mit direktem Anschluss an die Dachrandfertigteile oder die Stahlbetondecke.
Bautafel
Architektur: ACME, London und Berlin
Projektbeteiligte (Auswahl): Hahn-Muno, Baunach (Bauleitung); Winter Beratende Ingenieure
für Gebäudetechnik, Düsseldorf (Haustechnik); knippershelbig, Stuttgart (Tragwerks- und Fassadenplanung), Vogt Landschaftsarchitektur (Freianlagen); Simons & Hinze Landschaftsarchitekten, Berlin (Ausführungsplanung); Müller BBM, Berlin (Planung Brand- und Shallschutz, Bauphysik), Bartenbach (Licht Design), Transsolar, Stuttgart (Energieberatung); Dachwerke J. Kürbs, Sulzbach (Dachabdichtung); Richard Bayer Betonsteinwerk, Blaubeuren (Terrazzo); Stahlbau Krippehna-Eilenburg, Zschepplin (Schlosserarbeiten); Franki Grundbau, Seevetal (Tiefbau); FUCHS Europoles, Neumarkt (Sulen, Canopies)
Standort: Gerberstraße 5, 04105 Leipzig
Bauherrschaft: Sächsische Aufbaubank - Förderbank
Fertigstellung: 2021
Bildnachweis: Strohhut Pictures (Fotos); ACME (Pläne)
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