Schulhäuser des Campus Rauner in Kirchheim unter Teck
R-Beton in Sichtbetonqualität
Abreißen und Neubauen sollte eigentlich keine Option mehr sein, oder etwa doch? In Kirchheim unter Teck mussten auf dem Campus Rauner einige Gebäude Platz machen für eine Cluster-Schule. Der dafür nötige Beton hatte teilweise bereits ein erstes Leben hinter sich. Den 2020 fertiggestellten Trakt planten a+r Architekten.
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Den örtlichen Schulcampus besuchen rund 850 Schüler*innen, aufgeteilt auf zwei- bis dreizügige Jahrgangsstufen. 2014 schrieb das städtische Hochbauamt den Wettbewerb für einen neuen Gebäudetrakt aus, der aktuellen Unterrichts- und Lernmustern die passenden Räume bieten sollte. Die bisherige Grundschule Rauner war ein raumgreifendes Konglomerat aus den 1960er-Jahren mit ein- bis zweigeschossigen Satteldachhäusern und verbindenden Korridorbauten. Drei der Häuser und ein Großteil der Korridorstruktur wurden abgerissen.
An ihrer Stelle steht heute ein deutlich kompakterer, dreigeschossiger Baukörper in Form eines breiten Us. Er wurde in zwei Abschnitten errichtet: 2018 bezog die neu entwickelte Gesamtschule Rauner das Lernhaus 1 im Westen, drei Jahre später die Teck-Realschule das Lernhaus 2 im Osten. Bis zum Herbst 2021 wurden schließlich noch die verbliebenen Bestandsbauten im Süden des Campus bei laufendem Betrieb saniert.
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Lernen im Cluster
Mit den Neubauten sollte aus dem Campus Rauner ein Ort für selbstorganisiertes Lernen und Miteinander werden. Statt für Frontalunterricht wurden die Räume für wechselnde Lernformen ausgelegt. Jeweils drei bis vier große Lern- und Kursräume bilden ein Cluster. Zwischen ihnen befinden sich kleinere, gemeinschaftlich genutzte Fachräume, die sogenannten Differenzierungsräume. Diese sind mit Einzelarbeitsplätzen oder Gruppentischen für vier bis acht Jugendliche ausgestattet. Jedem Cluster ist ein sehr geräumiger Flurabschnitt zugeordnet, der die Lernräume erschließt und zur multifunktionalen Lernzone werden kann. Außerdem bietet er Ausblick nach draußen, entweder in den begrünten Lichthof oder auf den nördlichen Pausenhof.
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Ein genauer Blick auf den Grundriss offenbart, dass diese Struktur anpassungsfähig ist – dank des Stahlbetonskeletts mit tragenden Stützen und leichten Trennwänden. Tragende Wände gruppieren sich vor allem um die Treppen herum oder liegen an den Engstellen der Flure. Die beiden Lernhäuser sind über ein großzügiges Foyer miteinander verbunden. Der hohe Raum mit Galerie im ersten Obergeschoss kann von beiden Schulen des Campus für Theateraufführungen und andere Veranstaltungen genutzt werden.
Von außen ist die Skelettstruktur nicht sichtbar, stattdessen wirken die Neubauten massiv. Die Fassaden erhielten ein Wärmedämmverbundsystem mit Mineralwolle und einen hellgrauen Besenstrichputz mit weißen Akzenten an den Ecken und zwischen den Fenstern. Im Innenraum dominiert ein brombeerfarbener Kautschuk-Fußboden. In der gleichen Farbe wurden auch die Stahlwangen der Treppen lackiert. Die Wände zeigen ebenfalls einen hellgrauen Anstrich oder aber Sichtbetonoberflächen. An einigen Stellen ist das Stützenraster ausgefüllt mit raumhohen Verglasungen in Holzrahmen. Lochplatten und Holzleisten an den Decken verbessern die Raumakustik.
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R-Beton: Auf die Korngröße kommt es an
Wer durch die Neubauten streift, wird vermutlich nichts Außergewöhnliches feststellen an den Betonoberflächen. Dabei wurden insgesamt 6.000 m³ ressourcenschonender Beton (R-Beton) für den Rohbau und die Sichtbetonbauteile verarbeitet. Dieser bestand zu rund 30 Prozent aus aufbereiteten mineralischem Bauschutt – 1.800 m3 Recyclingmaterial ersetzten Splitt und Kies. Seit 2014 ist der Einsatz von R-Beton bei kommunalen Bauvorhaben in Kirchheim vorgeschrieben.
Damit so homogene Oberflächen wie beim Schulcampus Rauner gelingen, darf der Recycling-Zuschlag nicht zu grob sein. Die Korngröße sollte unter 16 mm betragen. Das Material stellte ein erfahrenes, lokales Abbruch- und Recyclingunternehmen bereit. Auch der R-Beton selbst wurde in der Umgebung produziert, in Stuttgart und in Kirchheim selbst. Der Hersteller war bereits 2017 vom baden-württembergischen Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft ausgezeichnet worden. Seit 2023 unterstützt das Ministerium den Einsatz von R-Beton im Hochbau mit einem Förderprogramm. -ml
Bautafel
Architektur: a+r Architekten, Stuttgart und Tübingen
Projektbeteiligte: Ernst2 Architekten; München (Projektsteuerung); Wörner Architekten, Stuttgart (Bauleitung Hochbau); Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart (Landschaftsarchitektur) Institut für Hydrogeologie, Baugrunduntersuchungen und Umweltgeologie, Kirchheim unter Teck (Baugrundgutachter); CSZ Ingenieurconsult, Darmstadt (Statik, Brandschutz, Bauphysik, TGA); Sigler Ingenieure Nürtingen (Prüfstatik); Wolfer & Goebel, Stuttgart (Bauleistung Rohbau); Fink Duo, Nellingen (Verglasung, Fensterbau, Außentüren); Rossi Flachdachbau, Remseck (Dachdeckung, Dachabdichtung); Trauschke, Appenweier (Metall- und Stahlbau); Möbel Graf, Berglen - Oppelsbohm (Tischlerarbeiten, Innentüren), Elektro Hofecker, Tannhausen (Elektroinstallation); Speidel, Göppingen (Installation Gebäudetechnik), Holcim (Süddeutschland), Dotternhausen (Hersteller R-Beton); Heinrich Feeß, Kirchheim unter Teck (Herstellung Recycling-Gesteinskörnung)
Bauherr*in: Stadt Kirchheim unter Teck
Fertigstellung: 2020
Standort: Limburgstraße 71, 73230 Kirchheim unter Teck
Bildnachweis: Marcus Ebener (Fotos); a+r Architekten, Stuttgart und Tübingen (Pläne)
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