Wohnhaus in Biwer
Fassadendeckung auf dem Dach
In einem kleinen luxemburgischen Dorf namens Biwer hat der Architekt Jean-Claude Welter für sich und seine Familie ein Wohnhaus fertiggestellt. Biwer ist eine von insgesamt 116 Gemeinden in Luxemburg und beheimatet 1.670 Einwohner, es liegt direkt hinter der deutschen Grenze auf der Höhe von Trier.
Gallerie
Das Wohnhaus schließt mit seinem Südgiebel an die bestehende Bebauung an und weicht mit seiner Straßenkante - den Nachbarn folgend - ein wenig aus der Flucht zurück. Der Baukörper bietet Wohnraum über zwei Vollgeschosse und ein ausgebautes Dach, er öffnet sich großflächig nach Norden bzw. Westen und verschließt sich gen Osten. Der zum Haus gehörende Garten liegt entlang der Wohnstraße, rückwärtig ist nur noch Platz für einen kleinen Hof. Etwas außermittig durchstößt eine Erschließung das gesamte Volumen. Sie ist sowohl zum Hof hin als auch in der Dachfläche vollständig verglast und damit sehr hell.
Die örtlichen Bauvorschriften gaben detaillierte Vorgaben bezüglich Material, Grundrissgestalt und Bauvolumen, durch die eingeschränkte Materialwahl hat sich der Architekt für eine Traditionelle Schieferdeckung auf dem Dach entschieden, welche jedoch neu interpretiert wurde. Auch der Grundriss zeigt eine klassische Raumaufteilung allerdings leicht verändert: So ist das eigentliche Wohnzimmer zweistöckig ausgebildet und - besonders auffallend - in der frei stehenden Giebelseite fand eine Verschiebung der Baufluchten statt. Eine großflächige Verglasung knickt zur Straße hin ab und durchstößt die verputzte Fläche der eigentlichen Gebäudekante in einem flachen Winkel.
Der Architekt plant ein zweites Gebäude im Garten zu errichten. Die frühere Grundstücksnutzung als Gärtnerei aufgreifend, wird ein gläsernes Volumen entstehen, das an die Tradition der Gewächshäuser anschließt. Beide Baukörper - Wohn- und Bürohaus - werden dann in einem architektonischen Zusammenhang zu lesen sein.
Schiefer
Die Gestaltung der Dachfläche
war für den Entwurf von besonderer Bedeutung: Sie sollte völlig
stufenlos und eben sein. Dafür adaptierte Welter eine Deckart, die
eigentlich als Fassade entworfen wurden - die symmetrische Deckung.
Die Technik ist denkbar einfach: für dieses Dach wurde die
Schieferfassade mit fast allen Bestandteilen der normalen
Fassadenunterkonstruktion auf die voll verschalte und mit
Kunststoffbahnen abgedichtete Dachfläche gelegt. Rund um jede
Platte sorgt eine etwa 1 cm breite Fuge bei der Fassade für eine
großzügige Belüftung. In die Schräge auf das 25° geneigte Dach
projiziert, läuft durch diese Fugen das Regenwasser hindurch. Die
im Steinraster aufgebauten Aluminiumtragwerke sind von Traufe bis First
linienförmig in die Kunststoffabdichtung integriert und verschweißt
worden.
Die grünen Schieferplatten sind 60 x 30 cm groß, 1 cm dick und wurden spaltrau belassen, sie sind an allen Kanten diamantgesägt. Ein Stein wiegt 4,95 Kilogramm. Das Flächengewicht der Schiefersteine beträgt damit pro Quadratmeter Fassade beziehungsweise Dach 27,5 Kilogramm. Für die Fassaden-Unterkonstruktion bedeutet diese nicht vorgesehene Nutzung eine andere statische Belastung. Deshalb überprüfte ein Ingenieurbüro die Statik und bescheinigte ihr eine ausreichende Tragfestigkeit.
Projiziert man die Fassadenkonstruktion nämlich auf ein
geneigtes Dach, ändert sich statisch nicht viel. Das Tragprofil
wird an der Fassade hauptsächlich auf Druck oder Zug belastet.
Durch Winddruck und Windsog kommen nur relativ geringe
Biegebelastungen hinzu. Kommt das Profil an einem Dach zum Einsatz,
wird - je flacher das Dach ist - die statische Biegebeanspruchung
aus Eigengewicht der Schiefersteine und etwaiger zusätzlicher
Schneelasten immer größer. Das Tragwerk ist zwar im Ursprung nicht
auf einen solchen Lastfall ausgelegt, doch das verwendete
Hohlkammerprofil verfügt über Leistungsreserven.
Die Schiefer wurden exakt so befestigt, wie es auch an der Fassade
vorgesehen ist: Mithilfe von Edelstahl-Befestigungsklammern, die
auf ein Doppelkammer-Tragprofil verschraubt sind. Die Tragprofile
sind bis zu drei Meter lang. Die flächige Wirkung des
Schieferdaches wird noch von den eben abschließenden
Zinkbekleidungen an Firsten und Ortgängen verstärkt.
Bautafel
Architekt: Jean-Claude Welter, bureau d'architecture, Grevenmacher
Projektbeteiligte: Hilbert, Steinfort (Rohbau und Außenanlagen); Annen, Manternach (Fenster); Peinture Steffen, Grevenmacher (Fassade); Weyer Holzbau, Tawern (Zimmermann und Dachdeckung); Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme, Mayen (Colorsklent, Farbschiefer)
Bauherr: Familie Welter-Kayser, Biwer
Fertigstellung: 2010
Standort: 3, rue Millescheck, 6834 Biwer
Bildnachweis: Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme, Mayen; Jean-Claude Welter, Biwer
Fachwissen zum Thema
Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme, Mayen | Kontakt 02651 955 0 | www.rathscheck.de