Wohngebäude der Internatsschule Schloss Hansenberg in Geisenheim
Vorgefertigter Holzbau im Plus-Energie-Standard
Bis zu 250 Meter hoch sind die Weinberge rund um den Ort Geisenheim im hessischen Rheingau. Oberhalb des Stadtkerns liegt am rechten Rheinufer auch das Anwesen der Internatsschule Schloss Hansenberg. Rund drei Hektar umfasst das Gelände auf einem Hügel, auf dem beidseitig des historischen Haupthauses aus dem 19. Jahrhundert nach und nach weitere Gebäude entstanden: ein langer schmaler Riegel westlich des Schlosses mit den Unterrichtsräumen und dem Haupteingang; auf der anderen Seite, im Nordosten, acht dreigeschossige, zum Teil in Holzrahmenbauweise errichtete Wohnhäuser, für etwa 220 Jungen und Mädchen aus drei unterschiedlichen Jahrgangsstufen. Im Jahr 2014 erhielt das Schulgelände ein weiteres Wohnhaus nach Plänen der Architekten Drexler Guinand Jauslin aus Frankfurt.
Gallerie
Der neue, flache zweigeschossige Holzbau fasst die bestehende Wohnhausgruppe im Nordosten auf einer Länge von rund 22 Metern. Er beinhaltet vier Wohneinheiten für insgesamt 12 Kinder, einen Arbeitsraum für Lehrer sowie einen Ruheraum für Schüler. Die Architekten gaben dem Baukörper eine klare Orientierung: Gen Südwesten öffnet er sich mit großen Verglasungen und raumhohen Türelementen, und auch die Haupterschließung mit Treppe und Laubengang sind auf dieser Seite angeordnet. Die übrigen Fassaden sind überwiegend geschlossen; in die Südostfassade ist ein Feld aus Solarthermie-Kollektoren integriert.
Die Geschosse gleichen sich mit je zwei Wohneinheiten pro Etage.
Die kleinere Einheit für zwei Schüler besteht aus einem gemeinsamen
Schlaf- und Arbeitszimmer, einem Wohn- und Essbereich mit
integrierter Küchenzeile sowie einem kleinen Bad mit WC,
Waschbecken und Dusche. Die größere Einheit für vier Personen
schließt südlich daran an. Hier ist der Wohn- und Essraum
beidseitig flankiert von Schlaf- und Arbeitsräumen; außerdem gibt
es ein Bad mit zwei Duschen und zwei Waschbecken sowie ein
separates WC. Ganz im Süden der Etagen dient jeweils ein großes
Zimmer als Ruhe- bzw. Arbeitsraum.
Nachhaltig Bauen
Das Wohngebäude ist als Passivhaus konzipiert, mit dem Ziel, den
Plus-Energie-Standard zu erreichen. In der Jahressumme soll demnach
rechnerisch mehr Energie erzeugt, als im Betrieb (Heizung,
Warmwasserbereitung, Lüftung, Beleuchtung) verbraucht werden. Die
technische Vorraussetzung dafür schaffen eine Wärmepumpe,
Photovoltaik und fassadenintegrierte
Solarthermie-Kollektoren. Es handelt sich um Hybrid-Kollektoren,
die gleichzeitig die Solarstrahlung und die Außenluft als
Wärmequelle nutzen. Eine flach aufgeständerte PV-Anlage auf dem
Dach (17 kWp) erbringt nach Abzug des Verbrauchs einen jährlichen
Überschuss von 12.500 kWh Leistung.
Sämtliche Außen‐ und Innenwände sowie das Dach sind aus vorgefertigten, unbehandelten Lärche-Massivholzplatten (aus regionaler Forstwirtschaft) konstruiert. Die Holzbauteile haben gute Wärmedämmeigenschaften, auf eine zusätzliche Dämmung konnte verzichtet werden – möglich wird dies durch die leimfreie Verbindung der Vollholzelemente. Feinste Luftbläschen zwischen den einzelnen Holzlagen unterbrechen die Wärmeleitung und führen zur hohen Dämmfähigkeit der massiven Wand. Die Fertigung mithilfe moderner CNC-Technik ermöglichte besondere Geometrien mit Hohlräumen in den Bauteilen, die die Dämmleistung weiter optimieren. Auch das Gewicht ließ sich durch die Bildung interner Luftschichten reduzieren. Die außenliegende Erschließung über Laubengänge reduziert einerseits die zu beheizende Fläche; andererseits entsteht damit ein nutzbarer Außenraum.
Die Bodenplatte wurde als Holzkonstruktion auf
Streifenfundamenten ausgeführt. So ließen sich der Betonanteil, der
Primär-Energie-Inhalt und die CO2-Emmissionen senken. Zur Senkung
der Wärmeverluste wurde der Hohlraum unter der Bodenplatte mit
Glasschotter ausgefüllt. Ein weiterer Vorteil dieser Konstruktion
ist, dass sie rückbaubar ist. Das Gebäude ist mit
3-fach-Wärmeschutzverglasungen (U-Wert 0,6 W/m²K) ausgestattet. Der
Wärmedurchgangskoeffizient der Außenwand beträgt
0,12 W/m²K und für das Dach und die Bodenplatte jeweils 0,10 W/m²K.
Die großen Fensterflächen gen Südwesten ermöglichen passive solare
Gewinne in hohem Maße – vor Überhitzung der Innenräume schützen
Dachüberstände. Auf eine Klimaanlage konnte verzichtet werden. Die
kompakte Bauweise des Wohnhauses und die Aufteilung der Räume
stellen eine effiziente Flächennutzung dar; Hüllfläche
und Volumen stehen in einem ausgewogenen, energetisch
wirkungsvollen Verhältnis (siehe A/V-Verhältnis).
Bautafel
Architekt: Drexler Guinand Jauslin Architekten, Frankfurt am Main
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Cremers, Idstein (Tragwerksplanung); Zimmerei Harth, Ingelheim (Holzbau); Pfeil & Koch Ingenieure, Köln/Stuttgart (Haustechnik)
Bauherr: Land Hessen
Fertigstellung: 2014
Standort: Hansenbergallee 11, 65366 Geisenheim
Bildnachweis: Hans Drexler, Frankfurt a. M.
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