_Geneigtes Dach
Sektrüttelhaus in Langenlois
Rütteln unterm Satteldach
Das Traditionsweingut Bründlmayer liegt rund 70 km westlich von Wien, donauaufwärts unweit der Mündung des Flusses Kamp. Seine Weingärten verteilen sich auf den Hügeln rund um die Weinstadt Langenlois. Seit Sommer 2019 bereichert ein schlichter Baukörper mit zwei Satteldächern und sakral anmutendem Innenraum die Anlage: Im neuen Sektrüttelhaus findet die sogenannte Remuage statt, also das mehrwöchige Rütteln der Flaschen von Hand, das die Grundvoraussetzung für die traditionelle Flaschengärung von kristallklarem Schaumwein ist. Realisiert wurde der Nutzbau von Planern des Büros CP Architektur aus Wien.
Gallerie
Schlichter Nutzbau mit historischem Vorbild
Notwendig geworden war der Neubau, da Schaumwein in den letzten
Jahren in Österreich einen regelrechten Boom verzeichnet hat. Die
gesteigerte Produktion des Guts erforderte zusätzlichen Platz. Die
Außenwände sind verputzt und an der östlichen Giebelseite mit weiß
gestrichenem Klinker verkleidet. Das Dach ist mit roten Tonziegeln
gedeckt. Neben dem Hauptgeschoss gibt es einen Keller. Zusammen
kommen die zwei Ebenen auf 373 Quadratmeter Nutzfläche. Während der
Keller als Sektlager dient, bleibt das komplette Obergeschoss dem
Rüttelvorgang vorbehalten. Die Konstruktion wurde in
Fertigteilbauweise aus Betonhohlwandelementen erstellt.
Der vorgesehene Bauplatz lag am tiefsten Geländepunkt in unmittelbarer Nachbarschaft zur eingeschossigen ländlichen Wohnbebauung. Um sich der Höhe des Bestands anzupassen, wurde der Neubau partiell in den natürlichen Hang eingegraben. Auf diese Weise konnte das Gebäudevolumen dezent gehalten und die natürliche Temperierung durch das Erdreich genutzt werden. Auch orientierten sich die Planer damit an der Typologie traditioneller Presshäuser, in denen Gärbottich und Weinpresse untergebracht sind. Ihr Bodenniveau liegt zumeist leicht unterhalb des Terrains.
Sakraler Touch und Eichenholz
Die Südfassade erhielt eine Pflanzwand aus vertikalen
Eichenholzschwertern als Rankgerüst. Zwischen diesen kann mit der
Zeit ein dichter klimatischer Puffer aus Weinreben emporwachsen.
Optisch nehmen die hölzernen Pflanzschwerter Bezug auf die Gestalt
der Sektrüttelpulte, die in drei langen Reihen im Innenraum zu
finden sind. Hierbei handelt es sich um vertikale Eichenholzbohlen
mit Lochbohrungen. In diese werden die Flaschen kopfüber
eingesteckt und regelmäßig gedreht. So setzt sich während der
Flaschengärung Hefe im Flaschenhals ab, die dem Sekt ohne den
zeitaufwendigen Vorgang eine natürliche Trübung verleihen würde. In
einem späteren Arbeitsschritt wird die Hefe entfernt.
Gemäß seiner Funktion als Arbeitsstätte und Lager gestalteten die Planer den Innenraum reduziert. Ebenso wie bei den Rankgerüsten im Außenbereich griff man auf das Material der Sektrüttelpulte zurück. Dieses taucht in Form einer sägerauen Eichenholzverkleidung an den Dachuntersichten wieder auf. Sowohl die großzügigen Deckenleuchten als auch die Längsdielen der Giebelverkleidung wecken Assoziationen an sakrale Räume. Dazu trägt auch die mittige Säulenreihe bei, welche den Raum in zwei „Schiffe“ teilt. Der sakrale Raumeindruck ist durchaus beabsichtigt, da er zu der meditativen Arbeit des Sektrüttlers an diesem Ort passt.
Um den Energieaufwand für die Gebäudekühlung möglichst gering zu halten, führte man die erdberührenden Wände im Untergeschoss ungedämmt aus. Die oberirdisch gelegenen Wände verfügen über eine Kerndämmung mit expandiertem Polystyrol (EPS), besser bekannt als Styropor bekannt. Das Dach ist vollgedämmt mit Mineralwolle. Im Sinne eines verminderten Wärmeeintrags verfügt das Gebäude nur über zwei kleine Fenster. Diese befinden sich auf der Ostseite in den Giebelfassaden. Von dort aus kann man den Raum, zum Beispiel bei Führungen von außen einsehen, ohne dafür jedes Mal die Tore auf der gegenüberliegenden Fassadenseite öffnen zu müssen.
Dach: Weniger Volumen durch doppeltes Satteldach
Um die erforderliche Grundfläche zu erzielen und das Gebäude
trotzdem relativ niedrig und kleinteilig erscheinen zu lassen,
teilte man das Dach in zwei parallele Satteldächer, welche an der
Schauseite in zwei leicht zueinander versetzten Treppengiebeln
enden. Auf diese Weise erweckt man den Eindruck, bei dem einen
handele es sich um zwei nebeneinanderstehende Pressehäuser, die mit
der Hofstruktur historisch gewachsen seien. Die beiden
Sparrendächer haben eine Neigung von von 30 °.
Dachaufbau (von außen nach innen):
- 3,00 cm Tonziegel naturrot
- 3,00 cm Dachlattung
- 5,00 cm Hinterlüftung (Konterlattung)
- 0,08 cm Unterdachbahn diffusionsoffen
- 2,50 cm Vollholzschalung Schnittholz Fichte rau, lufttrocken
- 22,0 cm Sparren dazw. Mineralwolldämmung
- 8,0 cm Mineralwoll-Unterdämmung/Lattung
- 0,02 cm Dampfsperre
- 5,00 cm Lattung (Installationsebene)
- 2,50 cm horiz. Eichenholzschalung sägerau
Bautafel
Architektur: Christian Prasser, CP Architektur, Wien
Projektbeteiligte: Retter & Partner, Krems (ÖBA/Bauphysik/Statik); Held & Franke Baugesellschaft, Loosdorf (Generalunternehmer); Hans Drascher, Wien (Zimmerei/Dachd./Spengler); Svoboda Fensterbau, Krems (Bautischler); Putz & Fassaden, Hördorf (Putz); Metalltechnik Puchegger, Oberndorf (Schlosser); Elektro Stradinger, Krems (Elektrik); MRS-Dworschak Kältetechnik, Schweinern (Klimatechnik)
Bauherrschaft: Weingut Bründlmayer
Standort: Zwettlerstraße 23, 3550 Langenlois, Österreich
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Philipp Kreidl, Wien
Fachwissen zum Thema
Initiative Steildach/Dachkult, Augsburg | www.dachkult.de