Markthalle und Viaduktbögen in Zürich

Ein gefaltetes Dach in EPDM-Folie gehüllt

Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert hatte die Eisenbahn einen entscheidenden Einfluss auf die städtebauliche Entwicklung Zürichs. Zunächst fuhren die Züge über Bahndämme, die allerdings eine Barriere für die Ausdehnung des Quartiers nordwestlich des Züricher Hauptbahnhofs darstellten und es von dem Gewerbegebiet im Norden trennten. 1894 wurden die Dämme schließlich durch das Aussersihler Viadukt ersetzt, was die Verbindung der beiden genannten Areale möglich machte. Nach über 100 Jahren in Betrieb musste das denkmalgeschützte Bauwerk 2003 saniert werden. Im Jahr darauf wurde durch die Schweizerische Bundesbahnen und die Stadt Zürich ein Architekturwettbewerb ausgelobt, aus dem die Arbeitsgemeinschaft EM2N Architekten mit Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten als Sieger hervor ging. Das Konzept sah vor, das Viadukt in eine Kultur-, Arbeits- und Freizeitmeile zu integrieren und dadurch die angrenzenden Außenräume aufzuwerten. Die neuen Einbauten sollten dabei kostengünstig und zurückhaltend sein.

Gallerie

Seit der Errichtung des Viadukts war die Nutzung seiner Bögen durch Kleingewerbe geprägt. So war es naheliegend diese Flächen wieder für Läden, Ateliers, Cafés sowie soziale und kulturelle Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Auf 500 Meter Länge ist das Infrastrukturwerk nun von einer stadträumlichen Barriere zu einem durchlässigen und verbindenden Element geworden. An seiner Verzweigung, wo es sich in das Wipkinger- und Letten-Viadukt teilt, entstand in diesem Zusammenhang die erste Markthalle in Zürich. Von der nordöstlich gelegenen Limmatstraße her erschlossen, bietet sie auf einer Fläche von insgesamt 1.000 m² Platz für Marktstände, ein Restaurant und mehrere Läden.

Das bestehende Bruchsteinmauerwerk bildet weiterhin das charakteristische Merkmal des Viadukts. Die neuen Ladeneinbauten nehmen sich dagegen bewusst zurück. Sie sind eingeschossig unter dem niedrigeren Letten-Viadukt, das von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden kann (siehe Abb. 1), unter dem höheren Wipkinger-Viadukt, das weiterhin für den Personen- und Güterverkehr genutzt wird, zweigeschossig ausgebildet. Drei Aufgänge verbinden den Fußgänger-Hochweg mit den angrenzenden Außenräumen auf Straßenniveau.

Im Erdgeschoss öffnen sich die Läden zu beiden Seiten durch große, durchgehende Fensterfronten. Eingestellte Galerien werden durch Oberlichtkuppeln mit einem Durchmesser von 220 cm belichtet. Aufgrund der durch die Züge erzeugten Vibrationen musste die Konstruktion der Galerie-Einbauten von dem Tragwerk des Viaduktes abgekoppelt werden. Die Stahlbeton-Bodenplatten wurden auf einem Raster aus erschütterungsdämmenden Nocken aufgeständert, die die Vibrationen dämpfen. Die Galerien sind mit einem Rundstahl von der Decke abgehängt und liegen fassadenseitig auf einem Winkel aus Flachstahl auf, der an einem Sturz aus Stahlbeton befestigt ist (siehe Abb. 8).

Dach
Das markanteste Merkmal der gesamten Anlage bildet das gefaltete Dach der Markthalle, das den Raum zwischen dem Wipkinger- und dem Letten-Viadukt überdeckt. Seine unterschiedlich hohen, auf- und absteigenden Segmente strukturieren das Dach und die Halle im Inneren. Das Tragwerk ist eine Mischkonstruktion aus Stahl und Holz. Fachwerkbinder aus HEB 160-Stahlprofilen sind jeweils zwischen die Mauerwerkspfeiler der beiden Viadukte gespannt. Diese werden durch vorgefertigte Holztafelelemente mit integrierten 400/180 mm BSH-Trägern verbunden. Insgesamt ruht das Dach auf einer Stahlkonstruktion, die auf dem Boden der Markthalle lagert.

Die Dachhaut sowie Teile der Fassade sind mit 1,6 mm dicker Ethylen-Propylen-Terpolymer-Kautschuk (EPDM) Folie verkleidet und mit Klemmhaltern fixiert. An der Fassade der Markthalle ist die Folie mit einer 30 mm dicken Mineralwolleschicht unterfüttert und ebenfalls mit Klemmhaltern fixiert, wodurch ein charakteristischer Kissenpolstereffekt entsteht.
 
Transparente Oberlichtkuppeln mit einem Durchmesser von 180 cm belichten die Markthalle. Einige der Oberlichter sind als RWA-Kuppeln mit 130 cm Durchmesser ausgeführt und lassen sich im Brandfall öffnen. Der dreischalige Aufbau, bestehend aus einer klaren Polykarbonatscheibe und zwei Schichten aus 3 mm dicken, klaren, wärmereflektierenden Acrylglasscheiben, weist einen U-Wert von insgesamt
1,3 W/m²K auf. Von innen ist die Decke mit 2 x 12,5 mm Gipskartonplatten verkleidet. Ein Boden aus hydrophobiertem Hartbeton mit integrierter Fußbodenheizung rundet den schlichten Innenraum der Markthalle ab.

Bautafel

Architekten: EM2N Architekten, Zürich
Projektbeteiligte: b+p Baurealisation, Zürich (Bauleitung), WGG Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich (Tragwerksplanung), Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten, Zürich (Landschafsarchitektur), Consultair, Zürich (Haustechnik), IBG B. Graf Engineering, Winterthur (Elektroplanung), Real, Thun (Oberlichtkuppeln), Contec, Uetendorf (Dachhaut)
Bauherr: Stiftung PWG, Zürich
Fertigstellung: 2010
Standort: Limmatstraße 231, Zürich
Bildnachweis: Ralph Hut, Zürich; Roger Frei, Zürich; Antje Quiram, Stuttgart

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