Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne in Glashütte
Zwei Neubauten mit Walmdächern und
Gallerie
Die sächsische Kleinstadt Glashütte ist ein traditionelles
Zentrum der deutschen Uhrmacherkunst. Auch das bereits 1845 als
Familienbetrieb gegründete Unternehmen A. Lange & Söhne hat dort
seinen Sitz und blickt auf eine lange, wechselvolle Geschichte
zurück. Nach der Enteignung 1948 wurde es in einen staatseigenen
Betrieb der DDR überführt, konnte aber nach dem Ende der deutschen
Teilung von einem Urenkel des Firmengründers wiederbelebt
werden.
Die angestammten Manufakturbauten aus dem frühen 20. Jahrhundert
waren inzwischen zu klein geworden und entsprachen nicht mehr den
heutigen Anforderungen, deshalb wurde 2007 ein Wettbewerb
ausgelobt, aus dem das Basler Architekturbüro Jessenvollenweider
als Sieger hervorging. Für die Erweiterung schlugen die Planer zwei
neue Gebäude vor, die insgesamt 5.400 m² Produktionsfläche bieten.
Sie setzten auf architektonisches Understatement anstatt auf
bauliche Effekthascherei und entwarfen zwei rechteckige Baukörper
mit Schiefer gedeckten Walmdächern – ein breites, dreigeschossiges
Haus für die Arbeit an den Maschinen sowie ein schlankes,
fünfgeschossiges für die Handarbeit. Die Geschosshöhen entsprechen
denen des Altbaus. Beide Häuser sind parallel zu ihren Längsachsen
leicht versetzt, aber dicht nebeneinander platziert und mit einer
Treppenhalle verbunden. Die Verknüpfung zum Bestandsbau schafft
eine glasverkleidete Brücke auf Höhe des zweiten
Obergeschosses.
Die Gebäudehülle aus präzise sandgestrahlten und scharfkantig
geschalten Betonfertigteilen mit Weißzementzuschlag vermittelt den
Eindruck einer Putzfassade. Große Fensteröffnungen mit sehr
schlanker Rahmenansicht prägen die Nord-, West- und Ostfassaden der
Bauten. Dies gilt ebenso für die Südseite des flachen Hauses; das
Atelier hingegen verfügt an dieser Seite nur über je zwei schmale,
vertikale Fenster pro Geschoss. Eine Art Kassettierung der
Wandfläche bewahrt auch hier die klare, regelmäßige Struktur,
welche die anderen Fassaden auszeichnet.
Die gewählte Positionierung des neuen hohen Ateliers berücksichtigt
die spezifischen Bedingungen des Ortes, insbesondere des engen
Talquerschnitts. Dieser hält die flache Morgensonne über weite
Teile des Jahres von der Ostseite fern und sorgt dafür, dass über
deren gesamte Länge eine blendarme Belichtung gegeben ist. Den
Ateliers ist darüber hinaus nach Osten eine schmale Raumschicht
vorgelagert. Diese vereint mehreren Funktionen: Sie wirkt als
Pufferraum für den Druckausgleich der Reinräume und schützt sie vor
Feinstaubeintrag über die Fassadenfugen. Weiterhin fungiert sie als
Klimapuffer und sorgt dafür, dass die Ateliers im Hochsommer, wenn
die Sonnenstrahlung doch in das Gebäude gelangt, nicht
überhitzen.
Die Innenräume sind zeitlos und schlicht stilvoll gestaltet: Die
Oberflächen von Wand und Decke erhielten einen einfachen
Gipsglattstrich; die Böden der Ateliers und der Werkstätten sind
mit Kautschuk belegt, während für die öffentlichen Bereiche und das
Atrium ein Betonterrazzo gegossen und anschließend geschliffen
wurde. Die Produktionsbereiche für schwere Maschinen sind mit einem
beschichteten Hartbetonbelag ausgestattet.
Dach
Die schiefergedeckten Walmdächer korrespondieren mit der
Haustypologie des Tals und bilden ein Ensemble mit den bestehenden
Nachbarn. Jeweils zwei Kamine akzentuieren die Dachflächen. Im
Dachraum der beiden Häuser ist die Technikzentrale untergebracht,
damit diese nicht der Gefahr von Hochwassern durch die Müglitz
ausgesetzt ist. Über Lüftungsgitter am First erfolgt die
Zu- und Abluft der Lüftungs- und Kühlungsanlage. Dadurch entstehen
kurze Wege in der Leitungsführung, was diese sehr effizient
gestaltet. Zugleich verschwinden gebäudetechnische Aufbauten
unauffällig unter dem Walmdach.
Dachaufbau (von außen nach innen):
- Schiefereindeckung, genagelt
- Unterdeckbahn diffusionsoffen
- Holzwerkstoffplatte BFU 100 G, 10 mm
- Brettschichtholzträger BSH GR24H 400 x 140 mm,
- dazwischen Mineralwolle (0,04W/m²K), 400 mm
- Holzwerkstoffplatte OSB 20 mm, Fugen dampfdicht verklebt
Bautafel
Architekten: jessenvollenweider, Basel
Projektbeteiligte: Beusterien + Eschwe Architekturbüro, Berlin (Bauleitung); Zilch + Müller Ingenieure, München / Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel (Bauingenieure); Innius GTD, Dresden / Waldhauser + Hermann, Basel (Haustechnik); Ingenieurbüro Heilmann, Pirna (Brandschutz); Müller BBM, Berlin (Bauphysik); Geoenergie Konzept, Freiberg (Geotermie); Peter Suter, Basel (Kunst am Bau); BGJ Geithner, Ziethen (Betonwerksteinfassade); Hans Timm Fensterbau, Berlin (Fenster, Passerelle); Tischlerei Fischer, Erfurt (Innenausbau); Foerg & Weisheit, Niederwürschwitz (Terrazzoböden); Oskar Fritz, Berlin (Metallbau)
Fertigstellung: 2015
Bauherr: Lange Uhren, Glashütte
Standort: Ferdinand-A.-Lange-Platz 1, 01768 Glashütte
Bildnachweis: jessenvollenweider, Basel