Ersatzneubauten für den Lüssihof in Zug
Große Dachüberhänge mit Sprengwerken
Es ist kein leichtes Unterfangen, eine Gebäudegruppe mit zwei denkmalgeschützten Wohngebäuden aus dem 17. Jahrhundert zu verändern. Beim historischen Lüssihof im schweizerischen Zug bestand dennoch der Wunsch, eine alte Remise und eine Militärbaracke aus den 1960er Jahren durch Neubauten zu ersetzen.
Gallerie
Intensive Diskussionen mit Stadtbildkommission und Denkmalpflege
führten zu dem Ergebnis, dass Erneuerungen und Änderungen „unter
Erhalt von Charakter und Erscheinungsbild des Hofes“ ausdrücklich
gestattet wurden. So konnte das Team von Graber Pulver Architekten
aus Zürich zwei Bauten mit neuen Funktionen – eine Schreinerei mit
Restaurationsatelier und eine Heizzentrale mit Büros und
Fahrzeugunterstand – realisieren.
Dabei wurden die beiden neuen Gebäude, analog zu den
Bestandsbauten, entlang der historischen Verbindungsstraße zwischen
Lüssiweg und Göblistrasse aufgereiht. Allein für die Schreinerei,
welche die alte Militärbaracke ersetzt, war wegen der größeren
Gebäudeabmessungen und aufgrund der Geometrie der Parzelle eine
neue Ausrichtung erforderlich. Diese verbesserte zugleich die
Qualität der Flächen zwischen den Gebäuden, weil die Zufahrt zu den
beiden Ergänzungsbauten verbreitert wurde. Es entstand genügend
Raum für einen Ablade- und Abbindeplatz der Schreinerei und der
Abstand zur Landwirtschaftszone wurde vergrößert.
Trotz der geforderten Einbindung in den Kontext der historischen Gebäudegruppe gelang es dem Architektenteam, den beiden neuen Bauten ein eigenes, prägnantes Gesicht zu verleihen: Die geschickte Anordnung, die prägnante Dachgeometrie mit markanten Dachüberständen und ein voluminöser Kamin an der Remise stiften Identität. Aber auch das traditionelle Baumaterial Holz in zeitgenössischer Anwendung trägt zum eigenständigen Charakter der Neubauten bei.
Neben gestalterischen Aspekten waren Vorgaben hinsichtlich der betrieblichen Abläufe bei der Planung zu beachten. So war bei beiden Bauten der stützenfreie Dachraum eine Prämisse der Bauherrschaft. In der Remise/Heizzentrale sollten ein hoher Büro- und Aufenthaltsbereich und über der Schreinerei ein Atelier mit Dachoberlichtern für die Restauration von historischen Holzmöbeln entstehen. Dementsprechend entwickelte man die Dachkonstruktion als Zwei-Gelenk-Rahmen mit biegesteifer Firstausbildung.
Architektonisch prägend und gleichermaßen funktional sind die zwei großen, rautenförmigen Fensteröffnungen, die man in die Giebelseiten des Ateliers einfügte. Sie sorgen für Helligkeit im Innenraum und ermöglichen weite Ausblicke in die Landschaft des Zugerlandes. Nachts gewähren sie, wie überdimensionale Schaufenster, Einblicke in den schiffartigen Dachraum.
Das charakteristische Element der Remise ist der Betonkamin, der
sich aus dem hohen Sockel nach oben entwickelt. Er schafft einen
Bezug zu den erdgeschossigen, weiß getünchten Sockeln des
Bestandes. Als Referenz diente hier das sogenannte Ofenhaus –
Heizzentrale und prägender Gebäudetyp zahlreicher historischer
Gebäudeanlagen der Region.
Aus Dachelementen, Geschossdecken, Unterzügen, tragenden
Wandscheiben und Stützen besteht das Holztragwerk der beiden
Neubauten. Die Scheiben leiten Horizontallasten aus Wind- und
Erdbebeneinwirkungen in die aussteifenden Wände ein. Vertikale
Deckenlasten über den Erdgeschossen werden punktuell über Stützen
abgetragen. Die Innen- und Außenwände sind ins Tragwerk
integrierte, gedämmte Holzrahmenbauwände, während die Decken aus
Hohlkastenelementen gefertigt sind.
Die Fassaden wurden als offene, horizontale Schalung in Weißtanne ausgeführt, was eine präzise konstruktiv-entwerferische Konzeption und eine genaue Detailplanung – insbesondere im Bereich der Übergänge zu wasserführenden Schichten – erforderte. Untergeschosse, Sockel und Kamin führte man in Beton mit einfacher Bretterschalung aus. In ihnen befinden sich Lager, Technikräume und der Holzschnitzelspeicher. Die Holzschnitzelheizung in der Heizzentrale und die rund 60 qm große PV-Anlage auf dem Restaurationsatelier liefern Energie für die Gebäudegruppe.
Dach
Dächer und Geschossdecken sind als Scheiben ausgebildet. Als
Rahmenkonstruktion sind die Steildächer konzipiert. Die räumliche
Anforderung eines stützenfreien Dachraumes für beide Gebäude führte
zu einer Dachkonstruktion aus Zwei-Gelenk-Rahmen mit biegesteifer
Firstausbildung, die in enger Zusammenarbeit von Architekten und
Holzbauingenieur entwickelt wurde. Alle Holzbauteile sind aus
Brettschichtholz und bleiben sichtbar. Das Dach ist mit einer
Aufdachdämmung gedämmt.
Der Dachüberstand ist als Aufschiebling auf die eigentliche
Dachkonstruktion gesetzt. Die unverkleidete Schwelle wird mit
Sprengwerken auf der Wandkonstruktion abgestützt. Beide neuen
Dächer wurden – analog zu den Bestandsgebäuden – mit den
regionaltypischen Ton-Schindeln gedeckt. Klempnerarbeiten wurden in
Kupfer ausgeführt.
Bautafel
Architekten: Graber Pulver Architekten, Zürich
Projektbeteiligte: Widmer Partner Baurealisation, Zug (Bauleitung); Hans Abicht, Zug (Haustechnik); Pirmin Jung Ingenieure, Rain (Holzbauingenieur/Bauphysiker/Akustiker); Speri & Bütler, Cham (Elektroplaner); Gruner Berchtold Eicher, Zug (Verkehrsplaner); Landis Bau, Zug (Baumeister); Dr. von Moos, Zürich (Geologie); Xaver Keiser, Zug (Zimmermannsarbeiten); Keiser Fensterbau, Oberwil bei Zug (Fenster); Holzatelier Keiser, Zug (Schreinerarbeiten); Sidler Zug, Oberwil bei Zug (Plattenbeläge); Hannes Nussbaumer Malergeschäft, Baar (Maler)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2017
Standort: Lüssiweg 49/51, 6300 Zug
Bildnachweis: Graber Pulver, Zürich / Fotograf: Georg Aerni, Zürich; Graber Pulver, Zürich