Fabrikumbau in Gent
Industriearchitektur in Reihenhausoptik
Viele innerstädtische angesiedelte Firmen sehen sich bei anhaltendem wirtschaftlichen Erfolg gezwungen, den Betrieb in Gewerbeparks am Stadtrand zu verlegen – nicht unbedingt, weil es ihr Wunsch ist, sondern in der Regel, weil der bisherige Standort räumlich keine Expansion ermöglicht. Das in die Jahre gekommene Firmengebäude der Ryhove VZW, einer Verpackungsfirma in einem Wohngebiet in der belgischen Stadt Gent, musste vergrößert und den heutigen Erfordernissen angepasst werden. In einen Neubau „auf der grünen Wiese“ zu ziehen, widerstrebte dem Unternehmen jedoch, das seit 55 Jahren als gemeinnütziger Betrieb tätig ist. Unter den Angestellten sind viele Menschen mit Behinderung beschäftigt, denen ein Umzug erspart werden sollte. Mit der Modernisierung des alten Firmengeländes wurde das ortsansässige Planungsbüro Trans Architectuur beauftragt.
Gallerie
Effiziente Raumdisposition
Der Bestand auf der 2.000 Quadratmeter großen Anlage wurde
abgerissen und ein U-förmiger Neubau mit zentralem Innenhof
errichtet. Durch eine vollkommen neu organisierte
Produktionslogistik und eine neue Tiefgarage wurde viel Fläche
hinzugewonnen, die Arbeitsabläufe gewannen an Effizienz. Die größte
Herausforderung für das Architektenteam war dabei, die Vergrößerung
des Industriebetriebes so umzusetzen, dass sie in dem umgebenden
Wohngebiet nicht als Störfaktor wirkte. Deshalb entschloss man
sich, bei der Kubatur des Gebäudes die in der Umgebung
vorherrschende Reihenhaustypologie aufzugreifen. So teilte man die
zur Straße weisende Fassade in Abschnitte auf, die eine maximale
Breite von 5 Metern vorweisen und der Breite der benachbarten
Wohnhäuser entsprechen. Auch die Form des traufständigen
Statteldachs der Reihenhäuser wurde fortgeführt.
Das Gebäude wurde aus standardisierten, vorgefertigten Elementen errichtet. Betonpfeiler und Sandwich-Elemente aus Metall und Brettsperrholz fügen sich zu einem Neubau zusammen, dessen Erscheinungsbild die Architekten und Architektinnen zwischen dem eines urbanen Hauses und dem einer Vorortsiedlung verorten. Trotz seiner Schlichtheit in Materialität und Kubatur wirkt das Gebäude einladend. Großzügige Fensterflächen sorgen für Transparenz nach außen und für viel Helligkeit in den Büros und Produktionsstätten.
Dach: Satteldach mit Kontext
Die Dachkonstruktion ist eine Referenz an die umgebende Wohnarchitektur, die von Satteldächern geprägt ist. So verfügt auch der Neubau zur Straße hin über ein einfaches Satteldach, welches sich in den Dimensionen an den Nachbargebäuden orientiert. Zum Hof hin findet sich die Satteldachtypologie in verdreifachter Form, sodass die die giebelständige Fassade Potenzial besitzt, zum Unternehmenssignet zu werden. Im Hofbereich dient das Dach auch dazu, Teile des neu entstandenen zentralen Ladebereichs vor Witterungseinflüssen zu schützen.
Während man sich in der Form auf die umgebenden Ziegeldächer bezog, wählte man als Deckungsmaterial Wellblech als Bezugspunkt zur industriellen Nutzung des Gebäudes. Im Gebäudeinnern vermittelt der freie Blick auf die von Trägern aus Holz und Metall gestützte Dachkonstruktion, die ebenfalls mit Holz verkleidet ist, eine angenehme Arbeitsatmosphäre und ein Gefühl von räumlicher Großzügigkeit.
Die Tragkonstruktion der Satteldächer besteht aus Fachwerkträgern mit Spreizen (Luftstützen), um die gesamte Breite des Bürotraktes zu überspannen. Für den breiteren Ladebereich werden die Fachwerkträger zusätzlich unterspannt. Die Brettsperrholzplatten liegen auf den Fachwerkträgern, wie bei einem Massivdach und bilden die Unterkonstruktion für die Dachdämmung und Dachhaut. Einzelne Sparren werden bei diesem Dachaufbau nicht mehr benötigt.
Dachaufbau von außen nach innen:
- Wellblechplatten mit
Polyurethan-Hartschaum (PUR)-Dämmung,
auf Brettsperrholzplatten - Dachrinne: gefaltete Aluminiumplatte 25 cm
- Abtropfkante Zink
- Fachwerkträger sichtbar aus Brettsperrholz (115 und 140
mm)
Bautafel
Architektur: Trans Architectuur / Stedenbouw, Gent
Bauherrschaft: Ryhowe VZW, Gent
Standort: Koningsdal 24, 9000 Gent, Belgien
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Stijn Bollaert, Gent