Mehrgeschossiger Büro-Holzbau in Zürich
Holzkonstruktion ohne Schrauben und Nägel, mit Mansard- und Tonnendach
Westlich der Züricher Altstadt ließ sich das Schweizer Medienunternehmen Tamedia am Ufer der Sihl seinen neuen Hauptsitz errichten. Die Pläne dafür stammen vom japanischen Architekten Shigeru Ban, der aufgrund seiner früheren Bauten aus den Werkstoffen Holz und Papier bewusst vom Bauherrn ausgewählt worden war. Der Neubau sollte eine optimale Raumausnutzung mit komfortablen Arbeitsplätzen für rund 480 Medienschaffende bieten, architektonisch ansprechend und nachhaltig sein, und dabei nur wenig mehr kosten als bei konventioneller Bauweise.
Gallerie
Das realisierte Gebäude ist auf einem fast dreieckigen Grundstück an der Werdtstraße Ecke Stauffacherquai platziert und orientiert sich in seiner Kubatur an der vorhandenen Bebauung mit deren Regelbauhöhen. Auch den im Stadtteil Außersihl üblichen Mansarddächern und dem erhöhten Erdgeschoss zollt das Bauwerk Tribut. Die neuen Flächen sind auf insgesamt sechs Ober- und zwei Kellergeschossen sowie zwei weiteren, auf einem nebenstehenden Altbau ergänzten Etagen untergebracht.
Von außen ist das Besondere dieses Firmensitzes nicht
unmittelbar zu sehen, kommt er doch erst einmal als Glasbau daher.
Erst bei näherer Betrachtung oder in der Nacht mit Innenbeleuchtung
wird der Skelettbau mit seinem Tragwerk aus Holz sichtbar. Neben
schmaleren Stützen trifft der Blick unweigerlich auf die starken,
tragenden Stützen aus Fichtenholz. Der Architekt Ban wählte bewusst
den Baustoff Holz: zum einen um ein gutes Arbeitsklima für die
Angestellten zu schaffen, zum anderen aus Gründen der
Nachhaltigkeit. Rund 2.000 m³ Fichte aus der Steiermark wurden zu
millimetergenau gefrästen Elementen vorfabriziert und danach vor
Ort montiert. Wie in der traditionellen japanischen Architektur
kommen diese ohne Leim, Schrauben oder Nägel aus. Für die
Lastübertragung und Bauteilverstärkung kommen Dübel aus
Buchensperrholz zum Einsatz. Dabei erinnert das sichtbare
Holztragwerk, das ohne Nachbehandlung und Anstrich auskommt, ein
wenig an eine Bastelei aus einem Modellbaukasten – nur, dass hier
äußerste Präzisionsarbeit am Werk war. Diese konnte laut Ban
aktuell nur in der Schweiz und der dort höchst entwickelten
Holzbau-Technologie verwirklicht werden.
Hinter der äußeren, lichtdurchlässigen Fassade befinden sich 3,20
Meter tiefe Zwischenbereiche, deren versetzte Plattformen sich im
Sommer komplett zu „Balkonen“ öffnen lassen. Sie bieten den
Mitarbeitern freien Ausblick über den Fluss und Platz für Lounges
und Besprechungen. Verbunden sind sie mit einer Treppe, die auch
die Stockwerke erschließt. Aufgrund einer zweiten, innen liegenden
Glasfassade entsteht ein Klimapuffer und damit ein natürliches
Ventilationssystem des Gebäudes, das durch Heizung und Kühlung
mittels Grundwasser auf fossile Brennstoffe verzichten kann.
Erschlossen wird das Gebäude an der Nordseite, von dort führt
der Eingang im EG in das hohe Foyer (mit Mezzanin). Über einen
Erschließungsblock gelangen die Mitarbeiter in die Regelgeschosse,
die mit großzügigen Büroflächen, kleinen Besprechungsräumen,
Küchen, Sanitärbereichen und Datenschränken ausgestattet sind.
Aus Brandschutzgründen sind mehrgeschossige Wohn- und Bürobauten
aus Holz immer noch selten, auch in Zürich waren lange
Verhandlungen mit den Behörden notwendig, ehe das Projekt
realisiert werden konnte. Der Architekt Shigeru Ban hält die
Bedenken gegen Holz für unbegründet, da dickes Holz ein schwer in
Brand zusetzendes Material ist. Vielmehr schützt im Brandfall die
verbrannte und verkohlte Oberfläche das Innere vor weiterem
Abbrennen. So errechnete man für das Tamedia-Gebäude die notwendige
Dicke des Holzes und fügte zusätzlich 4 cm hinzu. Diese können im
Fall des Falles verbrennen – und die Stützen blieben trotzdem
stehen. Aufgrund eines hohen Vorfertigungsgrads blieben die
Baukosten mit 50 Millionen Franken durchaus im gängigen Rahmen.
Dach
Beim Entwurf für den Neubau wurde die Form der umliegenden
Mansarddächer aufgegriffen. Biegesteife Rahmen bilden das
Dachtragwerk, deren Spannweiten sich auf 17,38 Meter belaufen. Die
Rahmen liegen auf Konsolen aus Buchensperrholzplatten, die in
Zangen der darunter befindlichen Geschossdecke verankert sind. Die
Innenstützen sind horizontal in einer Holzverbindung geführt und
dienen nicht der Lastableitung. In den biegesteifen Ecken des
Dachrahmens wurden die Verbindungen ebenfalls mit
Buchensperrholzplatten ausgeführt. An beiden Enden sind diese
geschäftet; das erzeugt eine harmonische Kraftüberleitung aus den
Trägern. Gleichzeitig erhöht es Tragfähigkeit und Steifigkeit der
Schubverbindung, wie Tests der Holzfachschule Biel belegten.
Die zweigeschossige Aufstockung des Nachbargebäudes
(Stauffacherquaistr. 8), die den Neubau ergänzt, ist Tonnendach
ausgebildet und setzt sich damit von der Form und konstruktiv vom
Dach des eigentlichen Neubaus ab.
Bautafel
Architekten: Shigeru Ban Architects Europe, Paris
Projektbeteiligte: Itten+Brechbühl, Bern (Generalplaner); Blumer-Lehmann, Gossau (Holzbau); HRS Real Estate, Frauenfeld (Generalunternehmer); 3-Plan Haustechnik, Kreuzungen, (Haustechnik); Creation Holz, Herisau (Beratung Gebäude-Engineering)
Bauherr: Tamedia, Zürich
Standort: Werdstr. 21, Zürich
Fertigstellung: April 2013
Bildnachweis: Didier Boy de la Tour, Paris; Shigeru Ban Architects Europe, Paris