Kindertagesstätte in Marburg
Plusenergiestandard durch gebäudeintegrierte PV-Anlage
In einem weitläufigen Parkareal entstand im 19. Jahrhundert in Marburg eine Nervenheilanstalt nach englischem Vorbild mit kleinen Pavillonbauten. Der denkmalgeschützte bauliche Bestand der psychiatrischen Klinik wird seit einigen Jahren neu strukturiert und kürzlich um eine Kindertagesstätte ergänzt. Mitten im Grünen in einer Lichtung am Hang sticht der Neubau des Darmstädter Büros opus Architekten mit einer markant gefalteten, schwarz glänzenden Fassaden- und Dachlandschaft deutlich heraus und schließt dennoch auf zeitgemäße Weise an den Reformgedanken der Anlage an.
Gallerie
Form und Gestalt des zweigeschossigen Gebäudes folgen im Wesentlichen den beiden Ansprüchen, hier eine Tagesstätte für 50 Kinder unter drei Jahren zu schaffen und den Plusenergiestandard zu erfüllen, also mehr Energie zu produzieren als für den eigenen Betrieb benötigt wird. Hierzu dienen in erster Linie die großflächig in das Dach und die nach Westen weisende Fassade integrierten Photovoltaik-Paneele, deren Ausrichtung mit den Faltungen auf einem maximalen Sonneneinfall hin angelegt sind. Nach Osten ist das Erdgeschoss in den flachen Hang hinein gegraben, sodass von beiden Ebenen ein direkter Zugang auf die Wiesen des Park möglich ist: ebenerdig nach Westen und aus dem Obergeschoss nach Osten. Die nach Osten auskragende Dachfläche verschattet die raumhohen Verglasungen oben und das insgesamt nach Westen auskragende Obergeschoss verschattet die Verglasungen darunter. Einen zusätzlichen Sonnenschutz bieten vertikale Markisen und mit motorisch betriebenen Rollos lassen sich die Fenster bei Bedarf auch verdunkeln.
Der Eingang liegt im Süden in der Flucht des hier mittigen Spielflures. In den Hang eingegraben liegen die Nebenräume, die Küche und ein Personalzimmer, die teilweise durch einen Hof belichtet werden. Nach Westen orientiert sind ein Mehrzweckraum und zwei der insgesamt fünf Gruppenräume, die mit je eigenen Ruhezonen, Spielemporen und Bädern ausgestattet sind. Die drei Gruppenräume im Obergeschoss sind nach Osten gerichtet; alle haben einen direkten Ausgang ins Freie.
Die Gestaltung und Materialisierung der Innenräume ist strapazierfähig und bunt. Während auf dem Boden graues Linoleum liegt und die Innenwände teilweise mit Dreischichtplatten aus Fichtenholz verkleidet wurden, sind die meisten Wand- und Möbeleinbauten aus beschichteten Holzwerkstoffen in Grün und Gelb.
Gebäudetechnik
Zu einer jährlich positiven End- und Primärenergiebilanz der
Kindertagesstätte trägt zum einen die gut gedämmte Gebäudehülle bei
und zum anderen die optimal ausgerichteten und großflächig in Dach
und Fassade integrierten 354 Photovoltaik-Module. Die schwarz
glänzenden Glas-Glas-Module sind maßgefertigt, nahtlos
aneinandergefügt und füllen die ihnen zugedachten Flächen der
äußere Gebäudehülle exakt aus. Die Module aus monokristallinen
Siliziumzellen und schwarz beschichteten Leiterbahnen haben eine
Leistung von 55 kWp auf einer Fläche von 365 Quadratmetern.
Die Anlage liefert jährlich rund 41.000 kWh Strom und deckt damit den Strombedarf der Küchen- sowie aller anderen Elektrogeräte ab, der bei rund 12.000 kWh liegt. Weitere 25.000 kWh an elektrischer Energie werden zum Kühlen und Lüften sowie zur Beleuchtung, Warmwasseraufbereitung und Beheizung benötigt. So erfolgt die Be- und Entlüftung des Gebäudes an milden Tagen über raumhohe Lüftungsklappen, die mit ihren Lamellen in der Fassade erkennbar sind. Für einen zusätzlichen Luftaustausch sorgt ein Dachfenster über der zentral angeordneten Treppe.
Im Winter wird die frische Zuluft über eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ins Gebäude geleitet. Dazu
wird die Luft nördlich des Hauses angesaugt und über Weitwurfdüsen
in die Gruppenräume eingeblasen. Diese Art der Zufuhr verhindert
ein unangenehmes Zuggefühl im Kopfbereich der Kinder. In den
Schlafräumen und Bädern wird die Luft wieder abgesaugt. Damit es
sich in der kalten Jahreszeit in den Räumen auch schön spielen
lässt, wurde eine Fußbodenheizung eingebaut. Die bereitgestellte
Wärmeenergie stammt von einer Luft-Wasser-Wärmepumpe. Sie deckt den
recht geringen Wärmebedarf des Gebäudes mit einer Leistung von 25
kW ab und erwärmt das Heizwasser auf eine Vorlauftemperatur von
35°C. Eine weitere Wärmepumpe übernimmt die Trinkwassererwärmung.
-kt
Bautafel
Architekten: opus Architekten, Darmstadt
Projektbeteiligte: ee concept, Darmstadt (Energiekonzept); Office for structural design, Frankfurt/Main (Tragwerksplanung); Plan4Life, Biebertal (HLS-Planung); Schaub & Kühn, Marburg (Elektroplanung); Köhler, Fernwald (Landschaftsplanung); Ertex Solar, Amstetten (Photovoltaik); MHZ, Leinfelden-Echterdingen (Blendschutz und Gelenkarmmarkisen)
Bauherr: Magistrat der Stadt Marburg
Fertigstellung: 2014
Standort: Cappeler Straße 68, 35039 Marburg
Bildnachweis: Eibe Sönnecken, Darmstadt
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