Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg
Energiegewinnung aus städtischem Abwasser
Seit 2006 ist die Regensburger Altstadt
Unesco-Weltkulturerbestätte. Als neues Tor zu dieser fungiert das
Museum für Bayerische Geschichte, das die einstige Gassen-
und Platzstruktur auf dem Baugrundstück abbildet und mit seiner
introvertierten Kubatur städtebaulich eine Lücke zwischen der Donau
und dem historischen Stadtkern schließt. Das Ausstellungsgebäude,
mit dessen Entwurf die Architekten vom Frankfurter Architekturbüro
Wörner Traxler Richter 2013 in einem offenen Wettbewerbsverfahren
überzeugten, bietet Besuchern auf 5.100 Quadratmetern Nutzfläche
die Möglichkeit, sich über die jüngere Geschichte Bayerns von 1806
bis in die Gegenwart zu informieren.
Gallerie
Die prominente Lage des Neubaus
Die Außenwirkung der differenziert ausgestalteten, polygonalen
Kubatur wird von einer unregelmäßig rhythmisierenden, vertikalen
Fassadenstruktur aus grauen Keramik-Reliefplatten dominiert. Der
Baukörper ist introvertiert gestaltet und zeigt nur einige
großformatige Öffnungen, bei denen die Fassadenstruktur in
durchbrochener Form durch vertikale Keramikstäbe fortgeführt wird.
Nur an drei Stellen wird ein unverstellter Blick durch die Fenster
gewährt. Die markanteste mit einer Glasfläche von achtzig
Quadratmetern befindet sich an der Westseite im Obergeschoss mit
Blick auf den Dom. In Verbindung mit der südlich angrenzenden
Bavariathek, einem eigenständigen Baukörper, der als
multimedialer Ort für Forschung und Ausbildung dient, schließt
das Museum die Blockbebauung des Brüchnerquartiers am Donauufer
ab.
Historische Stadtstruktur wird in Grundriss und Außengestaltung abgebildet
Der Hunnenplatz, der sich zuvor auf dem Grundstück befand, wird
im Innenraum als 17 Meter hohes Foyer mit Glasdach neu
interpretiert. Es soll Altstadt und Donau visuell miteinander
verbinden und für Passanten kostenfrei zugänglich sein. Um eine
markante Eingangssituation und eine „Sogwirkung“ für Besucher zu
erzielen, drückt sich die flussseitige Fassade im Erdgeschoss nach
innen. Zwei weitere Eingänge befinden sich in Richtung Altstadt
sowie zum Donaumarkt im Osten.
Wo sich zuvor die Eschergasse befand, verläuft heute
innenräumlich die Erschließung zur Sonderausstellung, die ähnlich
einer Gasse beidseitig von geschlossenen Wandflächen begrenzt wird.
Nicht allein die Grundrissgestaltung, auch Höhenverlauf und Form
des mehrfach gefalteten Daches orientieren sich an der Silhouette
und den mittelalterlichen Strukturen der Altstadt.
Durchwegung und Ausstellungskonzept
Das Erdgeschoss beherbergt neben dem zentralen Foyer
stützenfreie Räumlichkeiten für Sonderausstellungen und
Veranstaltungen, Schauräume mit 360° Projektionsfläche, ein
Museumsshop sowie ein Wirtshaus. Die Dauerausstellung erstreckt
sich über das gesamte Obergeschoss.
Die Planung der Ausstellungskonzeption wurde vom Stuttgarter Büro HG Merz übernommen. Bereits vor Abschluss der Vorplanung wurde ein integriertes Konzept der Museographie entwickelt und in enger Abstimmung mit den Architekten in der Gebäudeplanung mitgedacht. So war etwa im Vorhinein klar, dass ein sieben Meter hoher Wandteppich aus dem Bayerischen Landtag ausgestellt werden sollte und ein entsprechend hoher Raum zur Verfügung stehen musste. Die Architektur wurde also speziell an die Exponate angepasst.
Fassadengestaltung aus Keramik-Reliefplatten mit vertikaler Struktur
Keramikplatten mit sechs unterschiedlichen Querschnitten
verleihen der Gebäudehülle ihre lebendige Wirkung. Für die
Befestigung der vorgehängten, hinterlüfteten Fassade wurde ein
System verwendet, das keine Montagereihenfolge vorgibt, was bei
unterschiedlichen Plattenformaten ein großer Vorteil ist. Durch die
Glasur wirkt die Oberfläche je nach Witterung unterschiedlich und
reflektiert subtil das einfallende Licht. Auch die gekämmten
Ziegelplatten der Bavariathek wurden eigens für den Bau
hergestellt.
Nutzung lokal verfügbarer, erneuerbarer Energien
Die Museumsnutzung stellt hohe Anforderungen an das Raumklima
mit einer konstanten Luftfeuchtigkeit zwischen 45 und 55 Prozent
sowie Raumtemperaturen zwischen 18 und 20 Grad Celsius im Winter
sowie 23 bis 25 Grad im Sommer. Dank eines innovativen
Energiekonzeptes unter Einbeziehung regenerativer Energien erreicht
das Gebäude dabei sogar Passivhausstandard.
Wärmepumpen mit Wärmetauscher nutzen das städtische Abwasser,
das ein konstantes Temperaturniveau aufweist, als Energiequelle. Im
Winter wird dem Abwasser Wärme entzogen und zum Heizen des Gebäudes
verwendet. Im Sommer hingegen wird die Wärme aus den Innenräumen an
das kühlere Abwasser abgegeben. Die Temperaturregulierung erfolgt
über aktivierte Bauteile des aus Stahl und Stahlbeton errichteten
Museums. Zur Sicherstellung einer gleichbleibenden Raumtemperatur
auch an besonders frostigen Tagen steht ein erdgasbetriebenes
Blockheizkraftwerk zur Verfügung, mit dem die
Zuluft
über Heizregister nacherwärmt werden kann.
Die Gebäudehülle ist hochwärmegedämmt und luftdicht, wodurch wenig Wärme durch die Wände diffundieren kann. Über das gläserne Foyerdach können zudem solare Gewinne genutzt werden, wobei im Sommer das Dach geöffnet und die Warmluft abgeführt werden kann. -si
Bautafel
Architekt: Wörner Traxler Richter, Frankfurt
Projektbeteiligte: HG Merz, Stuttgart (Ausstellungskonzeption); Moeding Keramikfassaden, Marklkofen (Keramikfassade)
Fertigstellung: 2019
Standort: Donaumarkt 1, 93047 Regensburg
Bildnachweis: Alexander Bernhard, Landshut; Frank Blümler, Frankfurt am Main; Ralph Timm; Wörner Traxler Richter, Frankfurt am Main
Fachwissen zum Thema
Baunetz Wissen Gebäudetechnik sponsored by:
Stiebel Eltron | Kontakt 0 55 31 - 702 702 | www.stiebel-eltron.de