Kindertagesstätte Weiße Stadt in Oranienburg
Wartungsarmes Haustechnikkonzept mit Fernwärme und Nachtauskühlung
Ende der 1930er-Jahre entstand in Oranienburg nördlich von
Berlin die Werksiedlung Weiße Stadt nach Plänen der
Architekten Herbert Rimpl, der für den Gesamtplan verantwortlich
war, und Walter Tralau, der am Bauhaus Dessau studierte. Nördlich
des streng mit Zeilenbauten organisierten Quartiers wird
Oranienburg mit neuen Wohngebieten nachverdichtet. Im Rahmen dieser
Strukturentwicklungsmaßnahme entstand auch die Kindertagesstätte
Weiße Stadt nach Entwürfen von Knoche Architektur aus
Leipzig. Der zweigeschossige Holzständerbau über quadratischem
Grundriss definiert an der Erschließungsstraße zu den neuen
Wohngebieten einen Fixpunkt in der städtischen Struktur. Das
möglichst wartungsarme Haustechnikkonzept des Neubaus mit
Fernwärme, Photovoltaik und Nachtauskühlung soll einen hohen
Nutzungskomfort bieten.
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Die äußere Erscheinung der Kita wird durch eine mehrschichtige Fassade bestimmt. Hinter der äußeren Hülle aus schmalen, grau lasierten Lärchenholzleisten gibt es einen umlaufenden Laubengang, der als Übergangszone zwischen innen und außen fungiert. Die innere, thermische Hülle ist ebenfalls vertikal verlattet – unterbrochen von raumhohen, stehenden Fenstern und -türen. Die Holzkonstruktion ist im Inneren in Teilen sichtbar, etwa in Form der Deckenbalken; ergänzt um farbig lasierte Mehrschichtplatten, die die verschiedenen Gruppenbereiche kennzeichnen und somit die Orientierung für die insgesamt 106 Kita- und Krippenkinder erleichtern.
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Organisation in Gruppen
Im Erdgeschoss sind die vier Gruppen des Krippenbereichs sowie Verwaltungs- und Nebenräume untergebracht. Im Obergeschoss finden die älteren Kinder in den sechs Gruppenräumen der Kindertagesstätte Platz, die windmühlenartig um einen zentralen Sanitär- und Erschließungskern angeordnet sind. Zwei Gruppenräume teilen sich jeweils einen gemeinsamen Nebenraum und eine Garderobe. Ein Puppen- und Theaterraum soll Anregung für Rollenspiele schaffen, in einem Bastel- und Bauraum soll die Kreativität gefördert werden. Sogenannte Nesträume bieten wiederum geschützte Bereiche und Rückzugsorte. Außerdem gibt es einen großen Bewegungsraum sowie eine kindgerechte Küche zum gemeinsamen Kochen und Backen.
Einfache Rückbaubarkeit
Die Planung des Holzrahmenbaus erfolgte auf Basis digitaler 3D-Planungssoftware. Die Holz-Elemente wurden komplett vorgefertigt auf die Baustelle geliefert, sodass das Gebäude innerhalb weniger Wochen errichtet werden konnte. Es sind ausschließlich einheimische Hölzer verbaut (europäische Lärche und Eiche), die Fenster und Türen bestehen aus Nadelholz. Als Dämmmaterial kamen Holzfasern zum Einsatz. Die Bodenplatte besteht aus Recyclingbeton mit unterseitiger Dämmung aus Schaumglasschotter. Kunststoffe, Verbundkonstruktionen und lösungsmittelhaltige Beschichtungen wurden weitestgehend vermieden und durch einfach rückbau- und recycelbare Produkte auf der Basis natürlicher Materialien ersetzt.
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Umweltfreundliche Haustechnik
Der Neubau wird über einen Fernwärmeanschluss versorgt, dessen Wärme für die Fußbodenheizung (Vorlauftemperatur 42 °C), die Lüftungsgeräte sowie für die Warmwasserbereitung eingesetzt wird. Um den sommerlichen Wärmeschutz zu gewährleisten, ist das Gebäude mit einer Nachtauskühlung ausgestattet: Die kühle Außenluft tritt durch von der Gebäudeautomation gesteuerte, elektrisch öffenbare Fenster ein und strömt von dort durch geöffnete Türen in die Flure, wo sie schließlich von einem Dachventilator abgesaugt wird. So können rund 3.590 m² Luft pro Stunde ausgetauscht werden. Die Sanitärbereiche sowie die Küche verfügen über separate Lüftungsgeräte mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von 65 Prozent. Ein außenliegender Sonnenschutz, der über Schlüsselschalter in den Gruppenräumen als auch zentral über die Gebäudeautomation gesteuert werden kann, verhindert zudem einen übermäßigen solaren Wärmeeintrag im Sommer.
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Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage aus 30 PV-Modulen mit einer Fläche von 57 m² und einer Leistung von gut 11 kWp installiert. Der von ihr erzeugte Strom wird entweder direkt verbraucht oder ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Ein Stromspeicher ist nicht vorhanden, stattdessen dient das öffentliche Stromnetz als virtueller Speicher, aus dem der Strom auch wieder entnommen wird, wenn die PV-Anlage nicht genügend Energie liefert. -tg
Bautafel
Architektur: Knoche Architektur, Leipzig
Projektbeteiligte: IB Glosch, Berlin (Tragwerk); Dörner und Partner, Eberswalde (Haustechnik HLSE); Heinisch Landschaftsarchitekten, Weimar/Zwickau (Freianlagen); KA mit Dataconstruct, Dresden/Berlin (Brandschutz); KA mit ISG Bauphysik Dr. Blechschmidt & Reinhold, Chemnitz (Bauphysik)
Bauherr*in: Stadt Oranienburg, vertreten durch BIG Städtebau, Berlin
Fertigstellung: 2023
Standort: Dr.-Kurt-Schumacher-Str. 42, 16515 Oranienburg
Bildnachweis: Simon Menges, Berlin
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