MAAT in Lissabon

Dreidimensionale Fassadenfliesen zur Lichtlenkung

Lissabons Geschichte und Kultur ist geprägt von der Lage am Tejo, dem längsten Fluss der Iberischen Halbinsel. Dennoch ist das heutige Verhältnis der portugiesischen Hauptstadt zum Wasser ein schwieriges. Der Zugang zum Fluss ist an den meisten Stellen durch Gleise, Straßen oder Industriegebiete verbaut. Der im letzten Jahr eröffnete Erweiterungsbau MAAT (Museu de Arte, Arquitectura e Tecnologia) des Museums Central Tejo ist ein Versuch des Londoner Architekturbüros AL_A, die Menschen wieder ans Wasser zu bringen. 1990 ließ die EPD, ein Ableger von Portugals größtem Energieversorger, ihr eigenes, stillgelegtes Kraftwerk zu einem Museum umbauen. Als man sich 2011 entschied, das Programm auf zeitgenössische Kunst auszudehnen, wandte man sich an Amanda Levete von AL_A, für den Entwurf einer neuen Kunsthalle neben dem historischen Kraftwerksbau aus Backstein.

Gallerie

Der flache, organisch geschwungene und zweigeschossige Baukörper mit weit auslaufenden Dachflächen erinnert an einen Rochen, der sein breites Maul dem südlich gelegenen Tejo darbietet. Hier befindet sich im Obergeschoss der Eingang, der über einen Tunnel vom Dach kommend oder über eine von der Promenade heraufführende, geschwungene Rampe erschlossen wird. Das begehbare Dach ist als öffentlicher Platz mit tiefen, breiten Stufen sowie begrünten Flächen angelegt und bietet einen Panoramablick über das Mündungsdelta des Flusses. Es befindet sich auf einer Höhe mit dem nördlich, jenseits der Schienen und der vierspurigen Verbindungsstraße gelegenen Museumsquartier Belém. Eine voraussichtlich in 2017 fertiggestellte, sechzig Meter lange Fußgängerbrücke soll die Dachlandschaft schwellen- und nahtlos mit der Stadt verbinden.

Flussseitig kragt das Dach des MAAT in einer großen wellenförmigen Bewegung weit aus und verschattet so das darunterliegende Oberlicht und den Eingang. Breite Stufen entlang des gesamten Baukörpers führen zur Promenade und von dort bis hinab zum Wasser, wobei sie die konvexe Schwingung des Daches aufnehmen. Durch die große Freitreppe und die Promenade sind zusammen mit der begehbaren Dachfläche insgesamt 9.400 Quadratmeter öffentlicher Raum entstanden.

Betritt man das Museum, so landet man unmittelbar in einem ovalen, zweigeschossigen Galerieraum – mit seinen 1.200 Quadratmetern der größte des Museums. Eine Treppe und eine Rampe fassen den Raum ein und führen hinab ins Erdgeschoss, von wo aus der Rundgang durch die Ausstellung beginnt. Es gibt drei weitere Präsentationsräume, einen flexibel nutzbaren von 1.000 Quadratmetern, und zwei kleinere für Installationen oder Videoprojektionen. Die äußere Form des Gebäudes fortführend besitzen alle Räume gekrümmte Wandflächen.

Fliesen und Platten
An den Fassadenflächen des MAAT kommen 15.000 trapezförmige, cremefarben glasierte Fliesen in drei verschiedenen Varianten zum Einsatz: eine flache, eine dreidimensionale sowie eine Übergangsform. Mittig, am Scheitelpunkt der Dachauskragung sind je zwei Trapeze zu einem Hexagon zusammengesetzt, nach außen hin verschieben sich die Fliesenreihen zunehmend zueinander, um an den Rändern wieder zusammenzufinden.

Das changierende Raster in Kombination mit den drei Varianten erzeugt eine ausdrucksstarke, lebendige Oberflächentextur. Die Fliesen an der Unterseite der Dachauskragung zum Fluss hin reflektieren das von der Wasseroberfläche gespiegelte Licht abermals und werfen es durch das fledermausgaubenförmige Oberlicht in die tiefer gelegenen Räume. Da sich in Portugal kein Hersteller fand, der die komplexen Formen produzieren konnte, arbeiteten die Planer mit einem Familienunternehmen aus der Nähe von Barcelona zusammen.

Neben der Keramik weisen auch die anderen Oberflächenmaterialien einen Regionalbezug auf. Die rechteckigen, hellen Platten auf dem Dach sowie auf der großen Freitreppe vor dem Eingang sind aus Moleanos-Kalkstein, der etwa hundert Kilometer nördlich von Lissabon abgebaut wird und sich durch seine feinkörnige Struktur und hellbeige Farbe auszeichnet. Die aufgeraute Oberfläche der Platten soll für mehr Rutschfestigkeit sorgen. Der Moleanos wurde als Kopfsteinpflaster auch für die Promenade verwendet. Ergänzt wird er durch Lioz-Steine mit zartrosafarbenen Adern.

Bautafel

Architekten: AL_A, London
Projektbeteiligte: Alves Ribeiro, Lissabon (Generalunternehmer); Tecnoplano, Lissabon (Projektleitung); Afaconsult, Lissabon (Statik); Sotecnica, S. Julião do Tojal (Elektroinstallationen und Gebäudetechnik); Jofebar, Perafita - Matosinhos (Fassade); Ceràmica Cumella, Granollers, Barcelona (Fliesen)
Bauherr: Stiftung EDP, Lissabon
Fertigstellung:  2016
Standort: Lissabon, Portugal
Bildnachweis: Hufton+Crow, Hertford; Francisco Nogueira, Lissabon

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