Kunst- und Kulturzentrum in Fuzhou
Keramik in jahrhundertealter Tradition
Die Stadt Fuzhou an der Südostküste Chinas auf halber Strecke zwischen Hongkong und Schanghai zählt zu den bedeutsamsten Hafenstädten des Landes und versammelt zudem die wichtigsten Universitäten und Behörden der Provinz Fujian. Mit sechs Millionen Einwohnenden ist die Population zwar fast doppelt so hoch wie in Berlin, dennoch gehört die Stadt für chinesische Verhältnisse eher zu den kleineren Großstädten. Mit einem neuen Kunst- und Kulturzentrum – direkt am Fluss Minjiang gelegen – soll das kulturelle Image der Stadt Fuzhou und des neu entwickelten Stadtteiles Mawei New Town gestärkt werden.
Gallerie
Die schnell wachsende Stadt hatte 2013 einen Wettbewerb ausgelobt, den das in Schanghai und Helsinki ansässige und erst 2010 gegründete Büro PES-Architects für sich entschied. Der Entwurf ist inspiriert von den Blütenblättern des Jasmin – die Blüte selbst ist das Wahrzeichen der Stadt. Was auch deshalb bedeutsam ist, da Symbolik in China eine große Rolle spielt. Fünf unterschiedlich große, blütenblattförmig geschwungene Baukörper verteilen sich in lockerer Reihung in dem umgebenden Park. Eine luftig-leicht wirkende Fassade aus weißen Keramikelementen verbindet sie zu einer optischen Einheit. Die Bauten beherbergen ein Multifunktionstheater mit 700 Sitzen, ein Opernhaus mit 1.600 Sitzen, einen Konzertsaal mit 1.000 Sitzen, ein Kunstmuseum und ein Kino. Eine unterirdische Einkaufspassage mit Zugang zum U-Bahnhof sowie eine gemeinsame, öffentliche Terrasse auf dem Dach der Lobbybereiche verknüpfen die einzelnen Gebäude und Nutzungen miteinander. In drei kleineren, blütenblattförmigen Volumina direkt an der Wasserkante sind ein Café sowie technische Räume zum Betrieb einer Schleuse untergebracht.
Durch die Aufteilung in kleinere Einheiten erhält der Komplex einen menschlichen Maßstab und erleichtert zudem die Orientierung. Zwischen den großen und kleinen „Blütenblättern“ befindet sich die Jasmin Plaza, von der aus die Gebäude erschlossen werden. Im Inneren hat jedes eine halböffentliche, geschwungene Galerie, die der Krümmung der Fassaden folgt. So wirkt die Architektur im Innenraum ebenso organisch wie von außen. Unter anderem kam für die Gestaltung der Innenräume auch Bambusholz zum Einsatz. So wurde dieses etwa für die Ausgestaltung des Multifunktionstheaters verwendet sowie für die Gewölbe über den Galerien.
Keramik in jahrhundertealter Tradition
Vor der thermisch wirksamen Glasfassade umhüllen weiße Keramikfliesen und -lamellen die Baukörper. Die 42.250 je 1,75 Meter langen Lamellen haben einen linsenförmigen Querschnitt, der die Formensprache der Architektur aufgreift, und sind schräg angeordnet, sodass sie einen erheblichen Teil der Beschattungsleistung übernehmen. Dafür wurde der optimale Abstand und Winkel zwischen den Elementen per Computer errechnet. An anderen Fassadenflächen kamen flache, quaderförmige Fliesen zum Einsatz.
Auch in den Innenräumen von Opernhaus und Konzerthalle setzten die Verantwortlichen Fliesen ein. Entwickelt wurden sie in Zusammenarbeit mit dem taiwanesischen Keramikkünstler Samuel Hsuan-yu Shih, der sich dafür von der Machart des weißen, chinesischen Porzellans, das auch für Ying-Vasen verwendet wird, inspirieren ließ. Für den Opernsaal entwarf er 13 unterschiedliche, kleine Fliesen in floralen Formen in mehreren warmen Grautönen, die zu einem 3.000 Quadratmeter großen, zusammenhängenden Muster aus Jasminzweigen zusammengesetzt wurden. Sie umfließen die gesamten Wandflächen, einschließlich aller Wölbungen und Rundungen. Aufgrund ihrer Kleinteiligkeit und der somit sehr unebenen Oberfläche, die die Klangwellen bricht, statt sie nur zu reflektieren, war der Einsatz des schallharten keramischen Materials in dem Raum überhaupt möglich. Darüber hinaus unterstützt die komplexe, doppelt gekrümmte Geometrie des Opernsaals ein optimiertes Klangerlebnis.
Für die Ausgestaltung des Konzertsaales stand ein
Pfingstrosenmuster aus der Yuan-Dynastie Pate. Dieses wurde in
weiße, trapezförmige und teils dreidimensionale Fliesen mittels
einer CNC-Fräse eingraviert und zu einer modernen Grafik
uminterpretiert. Die vielen Linien erfüllen hier den gleichen Zweck
wie die Fugen im Opernsaal; sie brechen den Schall und
unterstützten das Klangerlebnis während der Konzerte.
-sas
Bautafel
Architektur: PES-Architects, Schanghai und Helsinki
Projektbeteiligte: Vahanen, Espoo (Statik); Kahle Acoustics, Ixelles/Elsene und Akukon, Helsinki (Akustikplanung); a·g Licht, Köln (Beleuchtung); Climaconsult Finland, Espoo (Klimatechnik); Maisemasuunnittelu Hemgård, Helsinki (Landschaftsgestaltung)
Bauherr/in: Fuzhou New Town Development Investment Group
Fertigstellung: 2018
Standort: Mawei New Town, Fuzhou, China
Bildnachweis: Marc Goodwin; Zhang Yong; Virgile Simon Bertrand; PES-Architects, Schanghai und Helsinki