Neue Synagoge in Mainz
Hochglänzende Terrakotta-Stäbe spielen mit dem Lichteinfall
Knapp 72 Jahre nach der Zerstörung der Hauptsynagoge hat die Jüdische Gemeinde der Stadt Mainz ein neues Gotteshaus. Im Jahr 1999 wurde ein Wettbewerb initiiert, den das Schweizer Architekturbüro Manuel Herz mit seinem Entwurf für sich entscheiden konnte. Das Büro bezog sich bewusst nicht auf den zerstörten Vorgängerbau, denn dieser wurde 1938 geschändet und anschließend gesprengt.
Gallerie
Die alte Hauptsynagoge in der Mainzer Neustadt bestand aus einem
Zentralbau im Stile des römischen Pantheon und zwei Nebentrakten im
typischen Mainzer Barock. Auf dem Grundstück der alten Synagoge
entstand an der früheren Hindenburgstraße, heute umbenannt in
Synagogenplatz, der markante, einprägsame und unverwechselbare
Neubau. Der vielfach gezackte, gefaltete und changierende Baukörper
steht hinter einer Reihe dorischer Säulen, die noch an die alte
Synagoge erinnern. Die einzelnen fragmentierten, zersplitterten
Baukörper haben die Form hebräischer Buchstaben, welche sich zu dem
jüdischen Segenswort „Qadushah“ (für Heiligung und
Erhöhung) zusammenfügen. Zum Gebäudekomplex gehören u.a. ein
Kindergarten, eine Verwaltung und Jugendräume. So soll das
Glaubenshaus zum Einen eine Heilung des Ortes verkörpern, zum
Anderen aber auch an die Geschichte des Judentums, insbesondere die
der zerstörten Hauptsynagoge, erinnern.
Fliesen
und Platten
Die Fassade der neuen Synagoge scheint ein endloses Geflecht aus
zahllosen, glänzenden Stäben zu sein, welches die markante und
abstrakte Gestalt des Gebäudes bekräftigt. Die geriffelten Elemente
der Oberfläche ordnen sich in konzentrischen Rahmen um die
unregelmäßig eingeschnittenen Fenster. So entsteht eine
Dreidimensionalität und Tiefe der rippenartigen Fassadeoberfläche,
die die Plastizität der perspekivisch angeordneten Muster der
Fassadenelemente verstärkt.
Die vorgehängte, hinterlüftete Keramikfassade schimmert in den unterschiedlichsten Grüntönen bis hin zu glänzendem Schwarz. Die einzelnen, glasierten, profilierten und extrudierten Keramik-Elemente sind unterschiedlich lang und treffen in stumpfen und spitzen Winkeln aufeinander und wurden passgenau für diesen Bau hergestellt. Sie wurden zweifach gebrannt und sind somit witterungs- und frostbeständig. Zudem lassen sich die einzelnen Fassadenelemente austauschen und ersetzen. Durch die grünlich-transparente, hochglänzende Glasur, welche auf einem terracottafarbenen Grundscherben aufgetragen wurde, entsteht ein undefiniertes Farbenspiel je nach Lichteinfall.
Mitten im Zentrum der Mainzer Neustadt schimmert nun ein
markantes dekonstruktivistisches Gebäudeensemble. Für diese
unkonventionelle keramische Fassade wurde Manuel Herz mit dem
Deutschen Fassadenpreis 2011 ausgezeichnet.
Bautafel
Architekten: Manuel Herz Architekten, Basel
Projektbeteiligte: Arup, Düsseldorf (Tragwerksplanung), Degen und Rogowski, Herzogenrath (Fassadenunterkonstruktion und Montage), NBK Ceramic, Emmerich (Hersteller der Keramikelemente Terrart-Baguette), Keramikwerkstatt Niels Dietrich, Köln (Planung der Keramikfassade)
Bauherr: Jüdische Gemeinde Mainz
Bebaute Fläche: 1.200 m²
Baukosten: 5 Mio. EUR
Fertigstellung: Sommer 2010
Standort: Hindenburgstraße 44, 55118 Mainz
Bildnachweis: NBK Ceramic, Emmerich