Xinjin Zhi Museum in Chengdu
Vorhang aus Fliesen an Drahtseilen
Die chinesische Lehre des Taoismus hat ihren Ursprung im vierten Jahrhundert vor Christus und bewegt sich zwischen Philosophie und Religion. Ihre Essenz in Worte zu fassen, ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich; der Begriff Tao bedeutet soviel wie Weg oder Pfad, aber auch Prinzip. Ein Gebäude, das mit seinen Räumlichkeiten und einer Ausstellung das Wesen des Taoismus vermitteln soll, errichteten Kengo Kuma & Associates mit dem Xinjin Zhi Museum. Gelegen am Fuße des Berges Laojunshan, gehört es zum Kreis Xinjin der Megacity Chengdu in Zentralchina.
Gallerie
Die japanischen Architekten konzipierten den Weg durch das viergeschossige Gebäude als eine spiralförmige Bewegung von vorne nach hinten, aus der Bewegung zur Ruhe, vom Dunkeln ins Helle. Über ein Basisgeschoss betreten Besucher das Haus im Norden und gelangen in eine große Ausstellungshalle an der Südseite. Der Rundgang führt an der Ostseite zur nächsten Ebene innerhalb und außerhalb des Gebäudes – eine umlaufende Plattform, die im Süden als Wasserbecken ausgeführt ist. Die Besucher können den Rampen und Treppen im Museum bis zur obersten Aussichtsebene (einem Vorlesungssaal) folgen. Oder sie treten auf der Plattform ins Freie, flanieren über die Außenanlagen und gelangen über eine große Freitreppe zur nächsthöheren, äußeren Ebene an der Ostseite.
In jede Himmelsrichtung schließt das Museum mit unterschiedlichen Höhen an seine Umgebung an und korrespondiert mit den variierenden Levels des Bestandes. Seine tragende Struktur aus Stahlbeton, teilweise ergänzt durch durch Stahlträger, wird außen durch große Verglasungen oder geschlossene Flächen mit metallischer Verkleidung gefasst. Das auffallendste, charakteristische Merkmal dieses vielschichtig-verschlungenen Baukörpers aber ist seine wie einen Vorhang erscheinende Fassade: An Drahtseilen befestigte, gebogene keramische Fliesen umhüllen ihn wie ein locker gewebtes Netz, mal gewunden, mal abgewinkelt oder auch vertikal gespannt.
Fliesen und Platten
Die Fliesen, die der Fassade an drei Millimeter starken Drahtseilen
vorgehängt sind, erzeugen ein vielfältiges Licht- und Schattenspiel
im Innen- und Außenraum. Sie verhindern das Eindringen direkter
Sonnenstrahlen in die Ausstellungsbereiche und sorgen stattdessen
für zartes Licht und variierende, kleinteilige Schatten. Vom Wind
bewegt, sollen sie eine Atmosphäre ähnlich einem Garten erzeugen,
durch den die Besucher flanieren.
Die keramischen Module sind durchweg 180 mm hoch und 10 mm dick, ihre Höhe differiert von 320 über 390 bis zu 450 mm. Sie sind aus lokalen Materialien und wurden auf traditionelle Weise in der Region hergestellt – damit entsprechen sie auch der taoistischen Wertschätzung einer natürlichen Balance. Um sie so leicht wie möglich erscheinen zu lassen, sind sie über kleine Löcher an vier Ecken mit Drahtschlaufen (1mm Durchmesser) und Spannschellen an den Drahtseilen befestigt und hängen vertikal versetzt, sodass sie die Wirkung eines Windspiels bzw. Netzes erzeugen.
An der Eingangsfassade im Erdgeschoss hingegen sind die im
Querschnitt als Kreissegment ausgebildeten keramischen Elemente
nicht locker-luftig aufgehängt, sondern stoßen, jeweils im Wechsel
nach innen und außen gebogen, dicht aneinander. Und an der
zurückversetzten Südseite des Teehauses im zweiten Obergeschoss
liegen sie wie gestapelt horizontal übereinander – allerdings
an einem Drahtgitter befestigt, ohne sich gegenseitig zu berühren.
-us
Bautafel
Architekten: Kengo Kuma & Associates, Tokyo
Projektbeteiligte: Oak Structural Design Office (Statik); P. T. Morimura & Associates, Tokyo (Gebäudetechnik)
Bauherr: Fantasia group, Shenzhen
Fertigstellung: 2011
Standort: Xinpu Road, Sichuan Chengdu, China
Bildnachweis: Kengo Kuma & Associates, Tokyo