Imagine Montessori Schule in Paterna
Lernen in Beziehung zur Landschaft
Am Übergang zwischen Stadt und Natur liegt die neue Imagine Montessori Schule im spanischen Paterna, rund zehn Kilometer nordwestlich von Valencia. Zwischen Wohnbauten und der Schlucht Barranc de l’En Dolça reagiert der Baukörper in besonderer Weise auf seinen Standort: Statt zur Stadt öffnet sich der Haupteingang in Richtung Schlucht. Der Weg dorthin wird über Holzstege, die durch einen Pinienwald führen, inszeniert. Leitmotiv des Entwurfs des ortsansässigen Büros Gradolí & Sanz Arquitectes war es, die Natur selbst zur Lehrerin zu machen.
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Raumkonzept ohne Frontalunterricht
Das zweigeschossige Gebäude entwickelt sich in einem sanft geschwungenen S, das zwei Höfe definiert: einen Eingangshof im Westen und einen Spielbereich im Osten. Jeder der insgesamt zehn Klassenräume ist zur angrenzenden Landschaft hin ausgerichtet, was eine ständige visuelle Verbindung mit der Natur ermöglicht. Klassische Elemente des Frontalunterrichts wie Tafel oder Lehrerpult gibt es nicht. Stattdessen wird der Außenraum – insbesondere die Vegetation der Schlucht und des Waldes – zum zentralen pädagogischen Bezugspunkt.
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Die Lernräume sind in fünf Funktionsbereiche untergliedert: Sinneswahrnehmung, praktische Alltagskompetenzen, Sprache, Mathematik sowie Kultur- und Sachkunde. Sie werden über einen Vorraum mit Garderobenbereich betreten. Kindgerechte Details wie niedrige Türbögen, Rückzugsnischen, Emporen oder bodentiefe Fensterplätze prägen das gesamte Gebäude. Zentrales Verbindungselement ist ein breiter Erschließungsraum, der ein Ort des Zusammenkommens, Arbeitens und Spielens sein soll. Nach außen werden die Klassenzimmer durch überdachte Balkone erweitert.
Vier große, über das Dach hinauswachsende, vertikale Licht- und Luftschächte mit öffenbaren Oberlichtern verbessern die natürliche Belichtung, sorgen für thermischen Auftrieb und erlauben Blickbezüge zwischen den Ebenen.
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Gestaltprägendes Ziegelmauerwerk
Der Baukörper besteht fast ausschließlich aus Ziegeln und Holz. Die 60 cm starken Außenwände wurden aus roten Hochlochziegeln aufgemauert, die sowohl statisch als auch klimatisch wirksam sind. Dabei ist der Ziegel nicht nur Konstruktions-, sondern zugleich auch Sichtmaterial: Er ist sowohl außen als auch innen unverputzt belassen und prägt mit seiner Farbe, Materialität und der gerillten Oberfläche den Charakter des Schulbaus.
Die Ziegelsteine wurden im schleppenden Läuferverband vermauert. An einigen Wänden besteht außerdem jede zweite Reihe aus deutlich schmaleren Steinen, sodass sich ein abwechslungsreiches Verbandsmuster ergibt. Die bewusste Sichtbarkeit von Fugenbildern, Unebenheiten und Farbnuancen verleiht dem Gebäude eine rohe, materialauthentische Ästhetik. Doch nicht nur die Wände bestehen aus dem mineralischen Rohstoff: Im Erdgeschoss werden die Räume zudem von gewölbten Decken aus Tonsteinen überspannt.
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Holz ergänzt den Ton als zweiter prägender Baustoff. Es findet sich in der Dachkonstruktion, in Fensterrahmen, Türblättern sowie Trennwänden und Möbeln. Beton wurde auf die Gründung beschränkt, Stahl lediglich punktuell für Geländer oder schlanke Stützen eingesetzt.
Technik verstehen
Abgehängte Decken, Installationshohlböden oder verkleidete Schächte gibt es nicht. Leitungsführungen bleiben offen sichtbar – mit pädagogischem Mehrwert: Die Kinder können die technische Funktionsweise ihres Schulgebäudes nachvollziehen.
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Als klimatische Pufferzone dient das begrünte Dach, das sich in geschwungenem Verlauf bis zum Boden absenkt. Es schützt vor sommerlicher Überhitzung, verbessert die thermische Trägheit des Gebäudes und verbindet das Volumen visuell mit seiner Umgebung.
Natur als Lernort
Auch die Außenräume sind integraler Bestandteil des pädagogischen Konzepts. Der Spielbereich im Osten, die Terrassen im Westen und der Pinienwald jenseits der Schlucht bilden eine durchlässige Übergangszone zwischen gebauter und gewachsener Umwelt. Auf klassische Sportplätze wurde verzichtet. Stattdessen ist das Gelände mit seinen natürlichen Höhendifferenzen als bespielbare Landschaft gestaltet: mit Rutschen, Rampen, Kletterwänden, Höhlen und Verstecken.
Die Gestaltung zielt nicht auf gepflegte Grünanlagen, sondern auf eine möglichst direkte Naturerfahrung. So begegnen den Kindern im Jahresverlauf Pinienzapfen, Pilze, Wildkräuter und andere jahreszeitliche Phänomene: Bei Starkregen wird die Schlucht zum temporären Wasserlauf – und zum Beobachtungsobjekt im Freiluftklassenzimmer.
Bautafel
Architektur: Gradolí & Sanz Arquitectes, Valencia
Projektbeteiligte: J. Luis Vilar / María Navarro / Daniel López (Architekten); Francisco Vallet (Kostenplanung); Adolfo Alonso (Tragwerksplanung traditionell); Albura Wood & Concept, Madrid (Tragwerksplanung Holz); Martí Cots, Barcelona (Metallbau); Cercaa, Barcelona (Ziegelgewölbe); Morata, Madrid (Holzfenster außen); DISBEA showlutions, Barcelona (Innenausbau Holz); Zero Consulting, Barcelona (Haustechnik Phase 1, BREEAM-Beratung Phase 1); GME, Barcelona (Haustechnik Phase 2); Cosmo Stil, Barcelona (Lichtplanung); GBCE, Madrid (Green Building Beratung); Silens Acústica, Barcelona (Akustikberatung); GM Paisajistas, Madrid (Landschaftsarchitektur Phase 1); Drawfield, Madrid (3D-Visualisierungen); Grupo Valseco, León (Generalunternehmer)
Bauherr*in: Zubi Educational Real Estate, Valencia u.a.
Fertigstellung: 2024
Standort: C. Melissa, 46, 46980 Paterna, Valencia, Spanien
Bildnachweis: Mariela Apollonio
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