Markas Headquarter in Bozen
Luft von unten, Wärme und Kälte von oben
Das Stadtviertel Zentrum-Bozner Boden-Rentsch im Osten der Südtiroler Landeshauptstadt Bozen hat im Grunde zwei Gesichter, nämlich das der in ihren Ursprüngen mittelalterlichen Altstadt und, jenseits des Bahnhofs und der ausgeprägten Gleisanlagen, das des Gewerbegebiets Bozner Boden mit bunt gemischter, gestalterisch eher pragmatischer Bebauung. Am südlichen Ende dieses Gewerbegebiets hat ATP Architekten und Ingenieure für das Dienstleistungsunternehmen Markas ein neues Headquarter geplant, das als Hochhaus einen städtebaulichen Anker bietet. Die besondere Gebäudekonstruktion ermöglicht es, die unteren Stockwerke nur teilweise zu bespielen, dafür aber an dieser Stelle Räume zu schaffen, die ein natürliches Mikroklima erzeugen und somit für die gesamte Gebäudeklimatisierung eine gute Grundlage bilden.
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Inmitten der heterogenen Bebauung aus kleineren und größeren Bürobauten, Wohnhochhäusern und Gewerbehallen bot das zur Verfügung stehende Grundstück die städtebauliche Chance, einen weithin sichtbaren Eyecatcher in der Stadt zu errichten, der sowohl von der Brennerautobahn als auch von der Altstadt aus sichtbar ist. Den dazugehörigen Realisierungswettbewerb gewann das Team von ATP im Jahr 2016 mit dem Entwurf eines zwölfgeschossigen Büroturms, dessen gestaltprägende Fassadenkonstruktion maximale Freiheit auf den Geschossebenen bietet. „Unsere Grundidee war es“, erklärt Paul Ohnmacht, Head of Design bei ATP Innsbruck, „die maximal zulässige Bauhöhe von vierzig Metern sowie die insgesamt mögliche Kubatur im Entwurf mitzudenken, und trotzdem noch Kubaturressourcen für spätere Erweiterungen zu ermöglichen.“ So ist das Top-Down-Konzept entstanden, bei dem die Büro- und Arbeitsflächen sich in den oberen drei der insgesamt sechs Geschossen befinden und einen weiten Blick über die Stadt bieten. Die unteren drei Geschosse nennt ATP die Luftgeschosse, die aktuell als Erholungsflächen für die Mitarbeitenden und als künftige Raumreserven dienen.
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Klimaregulierendes Grün
Die konstruktive Grundlage dafür schafft ein außenliegendes Tragwerk mit V-förmig angeordneten Stützen aus dunkel eingefärbtem Sichtbeton, die eine massive, einprägsame Fassadenstruktur bilden. Die statische Ergänzung dazu bildet ein aussteifender Erschließungskern, der das Treppenhaus, die Fahrstühle sowie die Toiletten und Nebenräume aufnimmt. Die Büroflächen können somit (stützen-)frei bespielt werden, wodurch auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden, die aktiv am Planungsprozess beteiligt wurden, eingegangen werden konnte.
Durch die offen gehaltenen, unteren Geschosse entsteht zum Vorplatz hin eine freundliche Großzügigkeit. Hier finden sich Grünflächen mit Bäumen, die teilweise durch die Luftgeschosse hindurch wachsen und so ein spannendes Miteinander von Architektur und Natur bilden. Wasserbecken, die sich bereits innerhalb der Gebäudekonstruktion befinden und das verglaste Erdgeschoss wie ein Burggraben umfließen, dienen als mikroklimatischer Klimaregulator, indem sie den thermischen Komfort und die Luftqualität verbessern und durch adiabate Verdunstung für Abkühlung sorgen. So werden die unteren Geschosse mit der natürlich klimatisierten Außenluft des Erdgeschosses versorgt. Auf 14 Metern Höhe befindet sich außerdem ein offener, intensiv bepflanzter Grünraum als biologische Klimaanlage und Ruheoase für die Mitarbeitenden. Eine außenliegende Wendeltreppe verbindet diesen Garten mit dem darüberliegenden Kantinen- und Cafeteriabereich.
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Natürliche Wärme, Kälte und Frischluft
Um ganzjährig die Behaglichkeit in den Innenräumen bei gleichzeitiger Energieeffizienz zu gewährleisten, entwickelten die TGA-Ingenieur*innen von ATP eine Kombination aus zonenweise umschaltbaren Niedertemperatursystemen und einer kontrollierten, mechanischen Lüftung. Auf dem Dach befindet sich dafür eine Luft/Wasser-Wärmepumpenanlage, die sowohl Wärme- als auch Kühlenergie erzeugt. Die Wärme- und die Kälteübergabe an die Räume erfolgt über Heiz- und Kühlregister in den Lüftungsanlagen sowie über Heiz-/Kühldecken in den Geschossen. Zwischen Heizung und Kühlung kann räumlich kleinteilig geschaltet werden, wenn etwa während der Übergangszeiten einige Bereiche gekühlt und andere gleichzeitig beheizt werden müssen. Der maximale Heizleistungsbedarf des gesamten Gebäudes beträgt 380 kW.
Die Außenluftansaugung für die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung befindet sich am oberen Ende des Luftraums der intensiv bepflanzten und verschatteten Außenanlagen mit Wasserbecken, wo deutlich günstigere Luftansaugbedingungen herrschen als im Dachbereich. Dadurch ist die Zuluft bereits vorkonditioniert; für die Aufbereitung der für die Büroräume gewünschten Raumluftqualität wird also weniger Energie benötigt. In den Büros wird die Zuluft über gleichmäßig verteilte Fußbodenauslässe geführt, die Abluft wird zentral direkt an den inneren Schächten abgeführt. Aus geschlossenen Räumen ist die Abluftführung über in die Türen integrierte Überströmelemente gewährleistet.
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Die Kombination all dieser Maßnahmen hat das Erreichen der Klimahaus-A-Zertifizierung in Südtirol ermöglicht. Das Gebäude erhielt als erstes Gebäude Italiens außerdem die WELL-Gold-Zertifizierung für Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Zudem wurde das Headquarter mit dem German Design Award sowie den Austrian Green Planet Building Award ausgezeichnet, bei dem die Energieeffizienz und Versorgung mit erneuerbaren Energien im Mittelpunkt stehen. -tg
Bautafel
Architektur, integrale Planung und Gesamtprojektleitung: ATP architekten ingenieure, Innsbruck
Projektbeteiligte: KTB – Kauer Ingenieure, Bozen (Tragwerk); Bartenbach, Aldrans (Licht)
Bauherr*in: Markas, Bozen
Fertigstellung: 2019
Standort: Schlachthofstraße 61, 39100 Bolzano, Italien
Bildnachweis: ATP/Becker