Verwaltungsgebäude Südwestmetall in Esslingen
Heizung und Kühlung durch Grundwasserwärmepumpe und Bauteilaktivierung
Die Neue Weststadt ist mit einer Fläche von über 13 Hektar das bedeutendste Revitalisierungsprojekt der Stadt Esslingen am Neckar. Auf dem Areal des früheren Güterbahnhofs und einer Industriebrache entsteht ein gemischtes Quartier mit 600 Wohnungen, Geschäften und Büros. Am äußersten westlichen Rand des Geländes haben die Esslinger Architekten Katrin Kussinna und Hansjörg Schwarz mit ihrem Planungsbüro fritzen 28 ein neues Verwaltungsgebäude für den baden-württembergischen Arbeitgeberverband Südwestmetall realisiert.
Gallerie
Die Ausgangslage für die Planer war alles andere als ideal. Das
zwickelförmige Grundstück, auf dem sich der Neubau befindet, wird
im Süden vom Neckar und Bahngleisen, im Norden durch eine viel
befahrene Ausfallstraße und steil aufragende Weinberge begrenzt.
Von letzteren ließen sich die Planer beim Entwurf des 4.000
Quadratmeter großen Stahlbetonskelettbaus inspirieren. Die
einzelnen Ebenen des polygonalen Gebäudes ahmen die typische
Terrassenstruktur der Weinberge nach und vermitteln so zwischen
Natur und der strengen Blockstruktur der östlich angrenzenden
Bebauung. Mal rücken die Geschosse ein, mal kragen sie aus, was auf
den vier Stockwerken zu ganz unterschiedlichen Grundrissen führt.
Zur westlichen Gebäudespitze hin sind die Versprünge am stärksten
ausgeprägt, auf der gegenüberliegenden Seite hingegen nur
leicht.
Die geschwungene Struktur setzt sich im großzügigen Atrium im
Inneren des Neubaus fort, das alle Etagen über einen Luftraum und
eine breite Treppe verbindet. Es dient als Foyer, Empfang,
Treffpunkt und Veranstaltungsraum und soll den kommunikativen Zweck
des Verwaltungsgebäudes betonen. Denn das ist nicht nur ein
Bürobau, sondern wird von den Verbandsmitgliedern der Bezirksgruppe
Neckar-Fils von Südwestmetall auch als Beratungsstelle, für
Seminare und Konferenzen genutzt.
Im Erdgeschoss befindet sich ein Vortragssaal für einhundert Personen, in den beiden Etagen darüber reihen sich Büros mit großen Fensterfronten aneinander. Gläserne Trennwände ermöglichen von jedem Standpunkt aus den Blick nach draußen. Zusammen mit dem Luftraum ergeben sich überraschende horizontale wie vertikale Sichtachsen und Raumbezüge. Das Gebäude gründet auf einer Tiefgarage, deren sichtbare Teile ebenso wie das Dach begrünt sind. Die Innenausstattung ist einfach und schlicht. Es dominiert die Farbe Weiß und das warme Braun des geölten Bambusparketts.
Gebäudetechnik
Der Bauherr wünschte sich für das Gebäude ein zukunftsweisendes Energiekonzept. Regenerative Wärme für die Heizung bezieht der Bau über eine Wasser/Wasser-Wärmepumpe aus einem Grundwasserbrunnen. Ferner ermöglicht der Brunnen in der warmen Jahreszeit eine aktive Kühlung. Eine thermische Bauteilaktivierung, bei der wasserdurchströmte Rohre in den Betondecken verlegt sind, sorgt ganzjährig für behagliche Temperaturen in den Büros. In den Wintermonaten fließt warmes Wasser durch die Rohrregister. Besteht im Sommer Kühlbedarf, wird kaltes Wasser eingeleitet. Die Dreifachverglasung der Fenster, ein außenliegender Sonnenschutz sowie die Beleuchtung auf LED-Basis reduzieren die Kühllast zusätzlich. Auf abgehängte Decken wurde mit Ausnahme der Sekretariate und dem Veranstaltungssaal, wo sie aus akustischen Gründen notwendig sind, verzichtet. In die Massivdecken sind außerdem Akustikabsorber integriert, die eine gute Raumakustik garantieren, wobei die Funktion der Decke als thermisch aktiviertes Bauteil mit glatter Deckenuntersicht erhalten blieb.
Als Beleuchtung kommen LED-Leuchten mit einem Strombedarf von umgerechnet nur sechs Watt pro Quadratmeter Nutzungsfläche zum Einsatz, die sich nutzerorientiert und tageslichtabhängig steuern lassen. Das Licht der einzelnen Leuchtengruppen aktiviert sich dank Sensoren selbstständig. Herkömmliche Lichtschalter sind größtenteils überflüssig. Steh- und Deckenleuchten kommunizieren über den Funkstandard Zigbee miteinander. Meldet der Präsenzsensor in den Deckenleuchten den Eintritt einer Person, schaltet sich die Leuchte verzögerungsfrei ein. Zugleich leitet sie ein Funksignal an die Stehleuchte am Arbeitsplatz, die dann auf fünfzig Prozent Leistung hochfährt. Ändert sich der Anteil des Tageslichts im Raum, so registriert dies der Sensor der Stehleuchte. Er regelt entsprechend der Soll-Lichtstärke nach und passt auch die Deckenleuchte an. Über Sensortasten an der Stehleuchte können die Mitarbeiter darüber hinaus die Beleuchtung jederzeit individuell ändern. Im Atrium aufgehängte LED-Lichtscheiben setzen die Designsprache des Gebäudes konsequent fort.
Das Gebäude verfügt in allen Räumen über eine mechanische Lüftung mit Wärmetauscher, die durch manuell zu öffnende Fenster ergänzt wird. Durch die Lage an einer stark befahrenen Bundesstraße und der Bahnlinie schied eine reine Fensterlüftung wegen der schlechten Luftqualität und des hohen Lärmpegels aus. Die mechanische Grundlüftung erfolgt über eine Quell-Lüftung aus Hohlraumböden, die Absaugung der verbrauchten Luft über das Atrium.
Bautafel
Architekten: fritzen 28 Architekten Kussinna & Schwarz, Esslingen
Projektbeteiligte: Schneck, Schaal, Braun – Ingenieurgesellschaft Bauen, Tübingen (Tragwerksplanung); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Energiekonzept); Transplan Technik-Bauplanung, Stuttgart (Fachplaner HLSE)
Bauherr: Südwestmetall Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg, Bezirksgruppe Neckar-Fils, Esslingen
Fertigstellung: 2016
Standort: Mettinger Straße 137, 73728 Esslingen am Neckar
Bildnachweis: Dieter Blum, Düsseldorf; Martin Duckek, Ulm