Büro- und Produktionsgebäude in Winterthur

Heizen und Kühlen mit Luft und Holzabfällen

Architektonisch anspruchsvolle Bauten sollen in Winterthur entlang der Autobahnzufahrt Richtung Norden entstehen. Nach und nach gibt die Stadt dafür das bisher als Industrieland genutzte Areal frei und verbietet zugleich die Ansiedlung reiner Logistikbetriebe. Nun ließen an dem Standort zwei in der Region ansässige Firmen – das Planungsbüro für Gebäudetechnik 3-Plan und das Holzbau-Unternehmen Baltensperger – ein Ensemble aus zwei Bürobauten und einer Produktionshalle nach Plänen von Bob Gysin Partner aus Zürich errichten, wobei die Expertise der einen und die Produkte der anderen Bauherrschaft Eingang in die Planung bzw. Verwendung im Bau fanden.

Gallerie

Das Grundstück befindet sich im Nordosten Winterthurs, im Westen durch die Frauenfeldstraße von der in den 1940er-Jahren errichteten Arbeitersiedlung Schooren getrennt. Zur anderen Seite liegen eine Gleisanlage der Bahn und ein Segelflugplatz.

Holzmodulbauweise für die Zimmerei

Das größte Volumen des neuen Ensembles bildet die hundert Meter lange Produktionshalle entlang der Frauenfeldstraße für die Zimmerei. Sie wurde als erstes errichtet und direkt in Betrieb genommen, um im weiteren Verlauf der Bauarbeiten die Holzmodule bzw. -bauteile für die beiden Bürobauten zu produzieren, die in Mischbauweise aus Holz und Beton ausgeführt wurden.

Längs neben der Produktionshalle ist das fünfgeschossige Bürogebäude der Zimmerei angeordnet, das direkt mit dieser verbunden ist und eine Fassadenbekleidung aus vorgegrauter Weißtanne erhielt. Konstruktiv wurde es in Holzmodulbauweise erstellt, Beton wurde nur dort eingesetzt, wo er statische Vorteile bringt. Durch die Vorfabrikation konnte eine deutliche Reduzierung der Bauzeit erreicht werden. Neben den dadurch entstehenden ökonomischen Vorteilen bringt der Baustoff Holz auch ökologische Vorteile mit sich.

Glasfaserbeton für das Planungsbüro

Am südlichen Kopfende der Produktionshalle entstand um neunzig Grad versetzt der ebenfalls fünfgeschossigen Neubau für die Firma 3-Plan. Gestalterisch unterscheidet sich dieses Gebäude von den beiden anderen und ist so als eigenständiger Bestandteil der Anlage erkennbar. Die Fassade des Beton-Sklettbaus besteht aus Glasfaserbetonelementen (GFB) mit zueinander versetzt angeordneten Fensterreihen, deren seitlich angeschlagene, unbeweglich montierte Holzroste vor Teilen der Fenster als dezente Anleihen an die Gestaltung der benachbarten Produktionshalle verstanden werden können. Dahinter befinden sich jeweils zwei Lüftungsflügel.

Der Zugang zum Bürogebäude liegt östlich, in Richtung des gemeinsamen Vorplatzes, sodass Besucher das Gebäude zunächst umrunden müssen. Dabei erhalten sie über die großen Verglasungen im Erdgeschoss Einblick in die Sitzungsräume, die Personalcafeteria und einen Mitarbeiterraum. Der Empfang befindet sich im ersten Obergeschoss, zu dem man durch ein in Sichtbeton gehaltenes Treppenhaus mit magentafarbigen, vollwandigen Geländern gelangt.

Dreigeteilter Grundriss

Die Grundrisse der oberen Etagen sind in drei Zonen unterteilt, die sich in ihrer Materialwahl und Farbgebung unterscheiden: den aussteifenden Kern, die Zirkulationszone mit grauem Estrichboden, durch deren  Holzlamellendecke die Haustechnik durchschimmert, und die außenliegenden, offenen Arbeitsbereiche, die durch Festverglasungen und Vorhänge gegliedert werden. Hier kommen Hartsteinholzbeläge und weiß lasierte Sichtbetondecken zur Ausführung. Dazwischen finden sich komplett verglaste Besprechungsräume und Kaffeenischen. Über zwei Lichthöfe dringt Tageslicht bis in die Tiefe des Gebäudes.

Heizen und Kühlen mit Luft und Holzabfällen

Das Energiekonzept basiert größtenteils auf passiven Maßnahmen, die durch eine ausgeklügelte Haustechnik ergänzt werden. So wird für eine optimale Nachtauskühlung zunächst der Kamineffekt genutzt. Dieser wird durch motorisch gesteuerte Lüftungsflügel im Bereich des Haupteingangs, in der Fassade hinter den Holzlamellen (der von den Nutzern auch individuell gesteuert werden kann) und im Treppenhaus erzeugt. Der Fensterflächenanteil mit hinterlüfteten GFB-Elementen beträgt etwa 38 Prozent. Ein außenliegender Sonnenschutz mit Lichtlenkfunktion schützt vor Überhitzung und verteilt das einfallende Licht über die weiße Lasierung der Sichtbetondecke gestreut in den Innenraum. Die Decken sind außerdem als Speichermasse bauteilaktiviert.

Der noch verbleibende Energiebedarf ist aufgrund des architektonischen Grundkonzepts und der aktiven Gebäudehülle gering. Der Bau kommt darüber hinaus ohne Erdöl oder -gas und auch ohne Erdwärme-, Fernwärme- oder Grundwassernutzung aus. Verwendung finden stattdessen die Holzabfälle der Zimmerei, die in einem Silo gesammelt und danach verbrannt werden, sowie die Umgebungswärme der Luft. Herzstück der Haustechnik ist eine reversible, zur Wärme- und Kälteproduktion einsetzbare Luft/Wasser-Wärmepumpe, die für ein angenehmes Raumklima sorgt. Die Heizkörper sind ein weiterer wichtiger Teil im Konzept. Sie erkennen selbstständig, ob sie sich im Kühl- oder Heizmodus befinden, bei Bedarf wird der integrierte Ventilator zugeschaltet. Eine Photovoltaikanlage erzeugt den Strom zum Heizen und Kühlen. So ist der Heizwärmebedarf des Bürogebäudes von 3-Plan Haustechnik mit 56 MJ/m²a um den Faktor 2,5 tiefer als nach örtlichem Energiegesetz, und beim Neubau der Zimmerei mit 101 MJ/m²a um 1,7. Damit erreicht das Ensemble den schweizerischen Minergie-P-Standard.

Neue Art der Zusammenarbeit mit BIM

Die Gebäude sind durchgängig und integral mit BIM geplant worden, wodurch die einzelnen Arbeitsabläufe und Prozesse im Projektverlauf im Team gemeinsam optimiert werden konnten. -tg

Bautafel

Architektur: Bob Gysin Partner BGP Architekten, Zürich
Projektbeteiligte: Wetli Partner, Winterthur (Bauingenieure), 3-Plan Haustechnik, Winterthur (Gebäudetechnik und Brandschutz sowie Energie und Nachhaltigkeit); Baltensperger, Winterthur (Holzbau)
Bauherrschaft: Baltensperger, Winterthur und 3-Plan Haustechnik, Winterthur
Fertigstellung: 2018
Standort: Albert-Einstein-Strasse 15-17, 8404 Winterthur, Schweiz
Bildnachweis: Dominique Marc Wehrli, Winterthur

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